Es ist der Alptraum jedes
Schülers: Lerninhalte, die beim Abfragen zu Hause noch präsent waren,
sind in der Testsituation plötzlich wie weggeblasen. Rund 15 Prozent der
Schüler in Deutschland leiden unter Prüfungsangst. Werden auch Eltern
und Lehrer einbezogen, kann sie jedoch mit Methoden der kognitiven
Verhaltenstherapie erfolgreich behandelt werden, teilt die Deutsche
Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und
Psychotherapie (DGKJP) mit.
„Nicht nur die weite
Verbreitung der Prüfungsangst ist problematisch“, betont Dr. Michael
Simons von der DGKJP. „Die Betroffenen geraten auch in einen
Teufelskreis: hohe Prüfungsangst vermindert die Leistungsfähigkeit –
geringe Leistungsfähigkeit erhöht die Prüfungsangst.“ Entscheidend für
die Entstehung der Angst ist aber nicht die Situation an sich, sondern
wie der Schüler sie bewertet: etwa wenn er die Aufgaben im Vergleich zur
eigenen Kompetenz als zu schwierig einschätzt und befürchtet, dass ein
Misserfolg besonders unangenehme Konsequenzen hat.
Oft sind es diese
negativen Gedanken, die Prüfungsängstliche davon abhalten, sich auf die
gestellten Aufgaben zu konzentrieren. Daher sollten die Angstgedanken
laut DGKJP in einer kognitiven Verhaltenstherapie ausgesprochen und auf
ihren Realitätsbezug und Wahrheitsgehalt überprüft werden.
Verallgemeinerungen wie „Ich kann nichts“ und Katastrophenphantasien wie
„Meine Mutter wird es mir nie verzeihen, wenn ich versage“ müssen durch
realistischere und angstsenkende Gedanken ersetzt werden: „Ich mache
ganz ruhig eins nach dem andern, dann kann ich es schaffen“ oder „Wenn
ich durchfalle, geht die Welt nicht unter.“ Darüber hinaus können
verschiedene Entspannungsverfahren wie Autogenes Training, Progressive
Muskelentspannung, Yoga oder Atemübungen hilfreich sein.
Familie und Schule berücksichtigen
„Die Diagnostik und
Behandlung sollte immer auch das familiäre und schulische Umfeld
berücksichtigen“, erklärt Dr. Simons. „Kinder, die von ihren Eltern
Sätze wie ‚Das schaffst du nicht’ hören, entwickeln häufig
Minderwertigkeitsgefühle und geringes Selbstvertrauen. Schon eine
kritische Bemerkung wie ‚Naja’ zu einer befriedigenden oder sogar guten
Note kann das Selbstwertgefühl des Kindes beeinträchtigen. Daher sollte
mit den Eltern über das Familienklima und ihre Erwartungen an das Kind
gesprochen werden.“ Auch die Gestaltung der Prüfungssituation durch den
Lehrer ist von Bedeutung: Dieser kann erhebliche Zweifel in einem Kind
nähren, indem er es abwertet oder gute Leistungen mit zynischen
Kommentaren wie „Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn“ versieht.
Hilfreich ist es, das Kind an seinen individuellen Fortschritten und
nicht am durchschnittlichen Leistungsniveau der Klasse zu messen. Dr.
Simons: „In der Diagnostik muss genau überprüft werden, ob sich die
Ängste auf Lern- oder Leistungsdefizite zurückführen lassen oder nicht.
Behauptungen, das Kind sei faul, erhöhen den Druck unnötig. Oft hilft
ein gemeinsames Gespräch mit der Familie und der Schule, um das Kind zu
entlasten.“
Typische Symptome der Prüfungsangst
Prüfungsangst tritt
meist nicht erst unmittelbar vor oder während des Tests auf: Oft setzt
bereits mit der Ankündigung einer bevorstehenden Prüfung eine allgemeine
Anspannung ein. Die körperlichen Symptome äußern sich in Herzrasen,
Schwindel, Schweißausbrüchen, Bauch- und Kopfschmerzen, nervösem
Durchfall oder Zittern. Die Gefühlsebene ist geprägt von Angst,
Resignation, Hoffnungslosigkeit und depressiven Verstimmungen. Das
Verhalten reicht von Vermeidung der Prüfung, Hinausschieben des
Vorbereitungsbeginns bis hin zu ununterbrochenem Lernen, das eher
ruhelosem Aktionismus als einer sinnvollen Prüfungsvorbereitung
gleichkommt. Dr. Simons von der DGKJP: „Ein bisschen Aufregung ist gar
nicht schlecht; ist sie jedoch zu groß, blockiert sie den Zugriff auf
gelernte Gedächtnisinhalte. Der Schüler nimmt die Situation als
Kontrollverlust wahr, im schlimmsten Fall kommt es zum gefürchteten
Blackout. Nach der Prüfung wird ein schlechtes Ergebnis als logische
Folge eigener Mängel angesehen, ein Erfolg hingegen als glücklicher
Zufall.“
Quelle:
DKJP |