Zwangssymptome bei
Kindern: zu selten erkannt, zu spät behandelt
DGKJP: Erfolg mit „Home-Treatment“ zusätzlich zur klinischen Therapie
Zwangsstörungen
bei Kindern werden häufig nicht rechtzeitig erkannt. Oft versuchen die
Kinder, sie zu verheimlichen, weil sie sich für die Symptome schämen.
Eine frühe Behandlung ist jedoch nötig, um zu verhindern, dass die
Krankheit chronisch wird. Dabei ist neben der klinischen Therapie oft
ein „Home-Treatment“ notwendig, an dem sich auch die Eltern beteiligen,
teilt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) mit.
Immer wieder kommt es in Familien dazu, dass Kinder zu Hause massive
Zwangssymptome entwickeln – sei es exzessives Händewaschen, Duschen,
Zähneputzen oder Wiederholungs- und Kontrollhandlungen. Oft gehen diese
Symptome auch mit Begleitstörungen wie Depression, Angst-, Ess- oder
Tic-Störungen einher, sodass eine stationäre Therapie angezeigt ist.
„Überraschenderweise zeigt ein Teil der Kinder jedoch während des
Aufenthalts in der Klinik häufig keine oder nur sehr wenige Symptome“,
betont Prof. Christoph Wewetzer von der DGKJP.
In
diesen Fällen macht eine stationäre Behandlung alleine wenig Sinn.
Vielmehr ist, die Kooperationsbereitschaft der Eltern vorausgesetzt,
eine Therapie im häuslichen Milieu notwendig, das so genannte „Home-Treatment“.
Dabei können die Eltern als Co-Therapeuten fungieren. „Oft beziehen die
Kinder ihre Angehörigen stark in den Ablauf der Symptome mit ein, um
Aufmerksamkeit und Zuwendung zu bekommen“, erläutert Prof. Wewetzer.
„Versuchen die Eltern, die Zwänge des Kindes zu unterbinden, wird es
unter Umständen gewalttätig und richtet seine Aggressionen gegen sie.“
Daher wird beim Home-Treatment die Zuwendung der Angehörigen während der
Zwangshandlungen des Kindes mit Hilfe des Therapeuten schrittweise
vermindert. So sollen die Eltern zum Beispiel bestimmte
Reinigungsmittel, die das Kind in zwanghafter Weise benutzt, nicht mehr
einkaufen. Prof. Wewetzer: „Als Ausgleich empfehlen wir den Eltern, sich
dem Kind in symptomfreien Situationen stärker zuzuwenden.“
Typische Zwangssymptome
Neuere Studien gehen davon aus, dass in Deutschland bis zu zwei Prozent
aller Kinder und Jugendlichen unter Zwangsstörungen leiden. Manche
stehen stundenlang unter der Dusche, kontrollieren vor dem Weggehen
zwanzig Mal, ob sie alle Geräte abgeschaltet und die Haustür
verschlossen haben oder ordnen, zählen und berühren ständig bestimmte
Dinge. Andere haben aggressive Gedanken, gegen die sie sich nicht wehren
können, oder sind ständig in Sorge, mit Schmutz in Berührung zu kommen
und sich mit Krankheiten anzustecken. Im Gegensatz zu schizophren
Erkrankten, die glauben, Stimmen von außen zu hören, werden die immer
wiederkehrenden Ideen und Impulse als eigene Gedanken erlebt. „Obwohl
die zeitraubenden Zwangsgedanken und -handlungen von den Betroffenen
meist als unsinnig, übertrieben oder quälend erfahren werden, drängen
sie sich immer wieder auf,“ so Prof. Christoph Wewetzer von der DGKJP.
„Dabei beeinträchtigen sie den normalen Tageslauf und die sozialen
Beziehungen erheblich.“ Die Behandlung einer Zwangsstörung im Kindes-
und Jugendalter sollte generell mehrere Ansätze verfolgen:
verhaltenstherapeutische, familienzentrierte und, bei schweren
Symptomen, auch medikamentöse Strategien.
Hilfe durch
Reizkonfrontation
Bei schweren
Zwangsstörungen, die stationär behandelt werden, kann laut Angaben der
DGKJP die so genannte Expositionstherapie wirksam sein. Dabei wird der
Patient so lange mit Angst und Zwang auslösenden Reizen konfrontiert,
bis die Angst reduziert wird. Zuvor vereinbart der Therapeut mit dem
Patienten die so genannte Reaktionsverhinderung: Sie soll sicherstellen,
dass der Betroffene die Situation im Lauf der massiven Belastung nicht
verlässt, d.h. ihr durch Zwangshandlungen entflieht oder sie vermeidet.
„Nach mehreren Konfrontationen erlebt der Patient, dass das Aushalten
der schwierigen Situation zur Abnahme der Angst und den damit
verbundenen Ritualen führt“, so Prof. Christoph Wewetzer von der DGKJP.
„Bei Kindern ist es sinnvoll, die Exposition in Etappen mit langsam
steigender Angststärke durchzuführen, da dies emotional weniger
belastend wirkt.“
Quelle:
DKJP |