Antidepressive
Medikamente nur gezielt einsetzen
DGKJP-Stellungnahme zur Verordnung von SSRI
Viele Kinder- und Jugendpsychiater haben in den letzten
Jahren bei depressiven Kindern und Jugendlichen so genannte Selektive
Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) verordnet und zum Teil gute
Ergebnisse erzielt, obwohl sie nicht für eine Behandlung junger
Patienten zugelassen sind (off-label-use). Für Aufsehen haben einzelne
Studien gesorgt, die von einer erhöhten Anzahl suizidaler Handlungen,
aber keiner erhöhten Selbstmordrate bei Jugendlichen berichten, die SSRI
genommen haben. Hierzu nimmt die DGKJP wie folgt Stellung:
„Auf Grund der schwierigen Verordnungssituation in Deutschland,
unkritischer Pressereaktionen und zunehmend verunsicherter Eltern ist es
der DGKJP ein Anliegen, sich zur Behandlungsindikation mit SSRI im
Kindes- und Jugendalter zu äußern. Für die Indikation Zwangsstörung ist
auch in Deutschland ein SSRI-Präparat zugelassen. Bei Angststörungen ist
die Datenlage zwar weniger exzellent, aber auch hier mehren sich die
Hinweise für eine wirksame Behandlungsmöglichkeit mit SSRI. Ähnliches
gilt für die Therapie von Ängsten im Rahmen posttraumatischer
Belastungsstörungen, so dass hier nur die Frage der Behandlung
depressiver Störungen im Kindes- und Jugendalter zur Diskussion steht.
Empfehlungen für die klinische Praxis
Bezüglich der Entscheidung für eine Behandlung mit SSRI muss zwischen
zwei unterschiedlichen Ausgangssituationen differenziert werden:
a) Fortführung einer bereits begonnenen
Behandlung
Bei Jugendlichen mit Depression, die bisher gut auf die Behandlung mit
SSRI angesprochen haben, sollte die Medikation keinesfalls abrupt
abgebrochen werden. Nach der derzeitigen Datenlage wurden auch in der
Phase des Absetzens parasuizidale Handlungen und Suizidversuche
beobachtet. Vielmehr sollte eine Güterabwägung in einem gemeinsamen
Gespräch mit Patient und Sorgeberechtigtem erfolgen. Zeigte die
bisherige Therapie keine oder nur geringe positive Effekte, wäre ein
langsames „Ausschleichen“ unter gezielter Beobachtung zu empfehlen.
b) Neubehandlungen von depressiven Störungen
Für eine medikamentöse Behandlung depressiver Störungen sind generelle
Empfehlungen zurzeit kaum möglich. Es sollte eine grundsätzliche
Abwägung zwischen zugelassenen und nicht zugelassenen Alternativen
stattfinden. Im Einzelfall sollte die Entscheidung für ein bestimmtes
Medikament mit dem Sorgeberechtigten und dem Betroffenen genau
besprochen, begründet und dokumentiert werden. Der Vergleich von
pharmakoepidemiologischen Daten aus Deutschland und den USA zeigt auf,
dass SSRI in Deutschland wesentlich zurückhaltender rezeptiert werden.
Es kann daher von größerer Vorsicht in Deutschland ausgegangen werden,
wobei vor dem Hintergrund der derzeitigen Datenlage gewarnt werden
sollte, ganz auf diese wertvolle Behandlungsmöglichkeit zu verzichten.
Stärkere staatliche Einflussnahme
Folgerungen für die künftige Zulassung von Psychopharmaka bei Kindern
und Jugendlichen: Die Schwierigkeit bei der Verordnung von SSRI im
Kindes- und Jugendalter macht deutlich, dass die Problematik des
off-label-Gebrauchs von Medikamenten in Deutschland und anderswo nicht
gelöst ist. Hier sind nicht nur verstärkte Bemühungen der Industrie,
sondern auch des Staates zu fordern. Erste wichtige Schritte zur
Initiierung klinischer Studien sind durch die Initiative des BMBF und
der DFG erzielt worden. Berücksichtigt man die führende Rolle der
amerikanischen Zulassungsbehörde, muss auch für Deutschland und Europa
die Möglichkeit einer stärkeren staatlichen Einflussnahme zum Wohle von
schutzbedürftigen Patienten, insbesondere unserer Kinder und
Jugendlichen, gefordert werden.“
Die vollständige Stellungnahme kann auf der Internetseite der DGKJP (www.dgkjp.de)
eingesehen werden.
Quelle:
DKJP |