Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Patientenverfügungen spielen oft nur eine untergeordnete Rolle


fzm - Mithilfe einer Patientenverfügung kann jedermann vorsorglich festlegen, welche Therapien und lebenserhaltenden Maßnahmen er wünscht, wenn er in bestimmten Krankheitssituationen nicht mehr entscheidungsfähig sein sollte. Darüber, dass solchen Verfügungen ein hoher Stellenwert zukommt, herrscht ein breiter gesellschaftlicher Konsens. In der Praxis werden die Verfügungen jedoch kaum genutzt. Entsprechende Beobachtung machten Wissenschaftler der Universität Erlangen, als sie Patientinnen, Ärzte und Pflegepersonal einer onkologischen Frauenklinik zum Thema befragten. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Geburtshilfe und Frauenheilkunde (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2005) berichten, hatten von 15 befragten Krebspatientinnen lediglich zwei eine Patientenverfügung verfasst.

Studienleiter Jochen Vollmann vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Erlangen betont, dass die Studie mit 42 Teilnehmern nicht ausreicht, um statistische Aussagen zu treffen. Auch erhebe sie keinen Anspruch auf Repräsentativität. Dennoch läßt sich aus den Aussagen der 15 Krebspatientinnen, ihrer Ärzte (12) und des Pflegepersonals (15) eine Reihe von Gründen herauskristallisieren, warum Patientenverfügungen in der gynäkologischen Onkologie keine große Rolle spielen.

Für die Patientinnen ist das Ausfüllen einer Patientenverfügung ein schwieriger Schritt. Manche gaben an, ihre Krankheit verdrängen zu wollen, sie hofften auf Heilung und wollten sich nicht mit dem möglicherweise bevorstehenden Krebstod auseinandersetzen. Außerdem bevorzugen einige Patientinnen es, Therapieentscheidungen "in Etappen" zu treffen. Sie haben das Gefühl, den gesamten Krankheitsverlauf mit allen möglicherweise bevorstehenden Entscheidungen nicht überblicken zu können. Gleichzeitig empfinden sie eine Patientenverfügung als langfristige, unwiderrufliche Festlegung. Diese Sorge ist jedoch unbegründet. Die Erlanger Mediziner und Medizinhistoriker weisen darauf hin, dass Verfügungen nur für den Fall der Selbstbestimmungsunfähigkeit gelten. Zudem sei eine Patientenverfügung nicht an die Schriftform gebunden - ausschlaggebend sei stets die aktuellste Willensbekundung des Kranken, auch wenn sie mündlich vorgenommen wurde.

Dem Dialog zwischen Arzt und Patientin kommt in dieser Hinsicht eine besondere Bedeutung zu. Alle drei befragten Gruppen halten ihn für äußerst wichtig. Im Rahmen dieses Dialogs wird die Patientin kontinuierlich über ihren Zustand und mögliche Therapien aufgeklärt. Hierdurch wird sie in die Lage versetzt, gemeinsam mit ihrem Arzt Entscheidungen zu treffen. Das direkte, zeitnahe und vertrauensvolle Gespräch halten insbesondere Pflegende und Ärzte für hilfreicher als eine Patientenverfügung - besonders da die Patientinnen in der gynäkologischen Onkologie meist bis zu ihrem Tod ansprechbar und entscheidungsfähig sind. Dennoch, so Vollmann, müsse jeder Arzt selbstkritisch prüfen, ob er für den Fall der Selbstbestimmungsunfähigkeit die Wünsche der Patientin wirklich kennt.  Eine rechtzeitige Dokumentation der Patientenwünsche könne bei oftmals schwierigen Entscheidungen eine wertvolle Orientierungshilfe sein.

M. Lang-Welzenbach et al.:
Patientenverfügungen und Therapieentscheidungen in der gynäkologischen Onkologie - Qualitative Interviews mit Patientinnen, Ärzten und Pflegepersonal

Geburtshilfe und Frauenheilkunde 2005; 65: 494 - 499