fzm - Mithilfe einer Patientenverfügung kann
jedermann vorsorglich festlegen, welche Therapien und lebenserhaltenden
Maßnahmen er wünscht, wenn er in bestimmten Krankheitssituationen nicht
mehr entscheidungsfähig sein sollte. Darüber, dass solchen Verfügungen
ein hoher Stellenwert zukommt, herrscht ein breiter gesellschaftlicher
Konsens. In der Praxis werden die Verfügungen jedoch kaum genutzt.
Entsprechende Beobachtung machten Wissenschaftler der Universität
Erlangen, als sie Patientinnen, Ärzte und Pflegepersonal einer
onkologischen Frauenklinik zum Thema befragten. Wie die Wissenschaftler
in der Fachzeitschrift Geburtshilfe und Frauenheilkunde (Georg Thieme
Verlag, Stuttgart. 2005) berichten, hatten von 15 befragten
Krebspatientinnen lediglich zwei eine Patientenverfügung verfasst.
Studienleiter Jochen Vollmann vom Institut
für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Erlangen betont,
dass die Studie mit 42 Teilnehmern nicht ausreicht, um statistische
Aussagen zu treffen. Auch erhebe sie keinen Anspruch auf
Repräsentativität. Dennoch läßt sich aus den Aussagen der 15
Krebspatientinnen, ihrer Ärzte (12) und des Pflegepersonals (15) eine
Reihe von Gründen herauskristallisieren, warum Patientenverfügungen in
der gynäkologischen Onkologie keine große Rolle spielen.
Für die Patientinnen ist das Ausfüllen
einer Patientenverfügung ein schwieriger Schritt. Manche gaben an, ihre
Krankheit verdrängen zu wollen, sie hofften auf Heilung und wollten sich
nicht mit dem möglicherweise bevorstehenden Krebstod auseinandersetzen.
Außerdem bevorzugen einige Patientinnen es, Therapieentscheidungen "in
Etappen" zu treffen. Sie haben das Gefühl, den gesamten
Krankheitsverlauf mit allen möglicherweise bevorstehenden Entscheidungen
nicht überblicken zu können. Gleichzeitig empfinden sie eine
Patientenverfügung als langfristige, unwiderrufliche Festlegung. Diese
Sorge ist jedoch unbegründet. Die Erlanger Mediziner und
Medizinhistoriker weisen darauf hin, dass Verfügungen nur für den Fall
der Selbstbestimmungsunfähigkeit gelten. Zudem sei eine
Patientenverfügung nicht an die Schriftform gebunden - ausschlaggebend
sei stets die aktuellste Willensbekundung des Kranken, auch wenn sie
mündlich vorgenommen wurde.
Dem Dialog zwischen Arzt und Patientin
kommt in dieser Hinsicht eine besondere Bedeutung zu. Alle drei
befragten Gruppen halten ihn für äußerst wichtig. Im Rahmen dieses
Dialogs wird die Patientin kontinuierlich über ihren Zustand und
mögliche Therapien aufgeklärt. Hierdurch wird sie in die Lage versetzt,
gemeinsam mit ihrem Arzt Entscheidungen zu treffen. Das direkte,
zeitnahe und vertrauensvolle Gespräch halten insbesondere Pflegende und
Ärzte für hilfreicher als eine Patientenverfügung - besonders da die
Patientinnen in der gynäkologischen Onkologie meist bis zu ihrem Tod
ansprechbar und entscheidungsfähig sind. Dennoch, so Vollmann, müsse
jeder Arzt selbstkritisch prüfen, ob er für den Fall der
Selbstbestimmungsunfähigkeit die Wünsche der Patientin wirklich kennt.
Eine rechtzeitige Dokumentation der Patientenwünsche könne bei oftmals
schwierigen Entscheidungen eine wertvolle Orientierungshilfe sein.
M. Lang-Welzenbach et al.:
Patientenverfügungen und Therapieentscheidungen in der gynäkologischen
Onkologie - Qualitative Interviews mit Patientinnen, Ärzten und
Pflegepersonal
Geburtshilfe und Frauenheilkunde 2005;
65: 494 - 499
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