Großbritannien u. a.
Diskussionen über extrapyramidalmotorische Symptome (EPMS) von
Schizophrenie-Kranken drehen sich meist um Neuroleptika und die Frage, ob
moderne Substanzen das EPMS-Risiko verringern. Die Debatten lassen fast
immer vergessen, dass EPMS nicht nur in der Normalbevölkerung vorkommen,
sondern in einem höheren Prozentsatz auch bei unbehandelten
Schizophrenie-Patienten. Wie R. G. McCreadie und Kollegen in einer Studie
an 143 neuroleptisch unbehandelten Schizophrenie-Kranken beobachteten,
litten von diesen immerhin 35 Prozent unter Dyskinesien und 15 Prozent
unter Parkinsonismus. Orofaciale Dyskinesien, Rigor und Tremor wurden am
häufigsten registriert.
Das
Wissenschaftlerteam nutzte die Gelegenheit, indische
Schizophrenie-Patienten zu untersuchen, die (überwiegend aus sozialen
Gründen) bislang keine Medikamente erhalten hatten. Die Erkrankung der
durchschnittlich 47 Jahre alten Studienteilnehmer dauerte im Durchschnitt
bereits 10,7 Jahre. Nur bei rund einem Fünftel hatte sie erst in den
letzten beiden Jahren begonnen. Die Dyskinesien zeigten folgendes
Verteilungsmuster: Lippen- und Mundregion (53-mal), mimische
Gesichtsmuskulatur (45-mal), Zunge (44-mal), Kiefer (43-mal), obere
Extremitäten (13-mal), untere Extremitäten (6-mal), Schulter, Hüfte und
Nacken (6-mal). Schwerpunkte des Parkinsonismus waren: Rigidität des
Handgelenks (20-mal), Rigidität des Ellenbogengelenks (20-mal), positiver
Glabella-Klopf-Test (17-mal), Tremor (16-mal), Rigidität des
Schultergelenks (12-mal), Gehstörungen (13-mal), positiver Arm-Drop-Test
(11-mal), vermehrter Speichelfluss (11-mal), fehlendes Pendeln der Beine
(6-mal).
Dyskinesien und
Parkinsonismus waren bei beiden Geschlechtern gleich häufig. Auch die
Erkrankungsdauer, das Alter bei Psychosebeginn, das jetzige Patientenalter
und psychopathologische Besonderheiten der Schizophrenie schienen für die
Häufigkeit ohne wesentliche Bedeutung zu sein. Bei früh Erkrankten fand
sich zwar eine erhöhte Rate an Parkinsonismus, diese war aber statistisch
nicht signifikant. Lediglich die beiden EPMS korrelierten deutlich
miteinander.
Aus ihren
Beobachtungen folgern die Autoren, dass EPMS bei unbehandelten
Schizophrenie-Kranken in erster Linie mit dem Grundleiden selbst und
weniger mit Patientenmerkmalen zu tun haben. Insofern unterscheiden sie
sich von EPMS bei neuroleptisch behandelten Kranken, wo sich eher
Zusammenhänge zwischen psychotischen Symptomen und Patientenmerkmalen
einerseits sowie EPMS andererseits aufzeigen lassen. McCready und Kollegen
vermuten, dass es die Neuroleptika selbst sein könnten, die entsprechende
Korrelationen erst herstellen.
R.
G. McCreadie u. a.: Extrapyramidal symptoms in unmedicated schizophrenia.
Journal of Psychiatric Research 2005 (39) 261-266 |