Deutschland. Noch immer besteht die Vorstellung, es gebe eine typische
Migräne-Persönlichkeit. Danach sollen die Betroffenen ehrgeizig,
perfektionistisch, rigide, zwanghaft und sehr leistungsorientiert sein.
Wegen ihrer charakteristischen Ängstlichkeit und Unsicherheit sagt man
ihnen Schwierigkeiten nach, Gefühle adäquat zu äußern (insbesondere Ärger
und Aggression). Auf Belastungen sollen sie oft unangemessen reagieren.
Erhebliche Zweifel an diesem Konstrukt äußert D. Huber aufgrund einer
kritischen Durchsicht einschlägiger Studien. Die Autorin weist darauf hin,
dass Querschnittsstudien – um diese handelt es sich meistens – nicht
darauf rückschließen lassen, inwieweit Persönlichkeitseigenschaften zu
Migräne prädisponieren. Auch differenzieren die meisten Studien nicht
zwischen Migräne-Betroffenen, die sich an den Arzt wenden und solchen, die
es nicht tun. weiterhin könne man von „Migränespezifität“ wohl nur
sprechen, wenn sich Migräne-Patienten von anderen Kopfschmerzkranken
deutlich unterscheiden. Anlass für Kritik eröffnen auch noch die
Tatsachen, dass sich viele Studien zur Migräne-Persönlichkeit nicht für
Untergruppen von Migräne-Patienten interessieren und nicht
berücksichtigen, in welcher Phase des Migränezyklus die befragten
Teilnehmer gerade sind.
Nach Ansicht von
Huber beeinflussen weniger Persönlichkeitseigenschaften als vielmehr
Auffälligkeiten in der Stressverarbeitung das Migränegeschehen.
Migränepatienten scheinen Belastungen einen anderen Bedeutungsgehalt
zuzuschreiben als kopfschmerzfreie Kontrollpersonen. Dabei sind es vor
allem die kleinen Zwischenfälle und nicht die großen Lebensereignisse, die
mit einer erhöhten Anfallsfrequenz einhergehen.
D. Huber: Migräne –
Persönlichkeit und Stressbewältigung: Eine kritische Übersicht. Psychother.
Psych. Med. 2003 (53) 432-439 |