Frankreich. Die Migräne
gilt als chronische Erkrankung, deren einmal gestellte Diagnose den
Patienten lange begleitet. Eine Studie von F. Nachit-Ouinekh und Kollegen
rüttelt an dieser Ansicht. Die Autoren hatten 1.733 unter Kopfschmerzen
leidenden Personen im Abstand von 12 Monaten zweimal den gleichen
Fragebogen zugesandt und auf diese Weise alle wesentlichen
Migräne-Kriterien der International Headache Society (IHS) abgefragt. Die
Auswertung ermöglichte es, die Untersuchungsteilnehmer den
Migräne-Diagnosen 1.1 und 1.2 sowie 1.7 zuzuordnen. Der Vergleich zwischen
beiden Befragungszeitpunkten zeigte, dass bei bloßer Betrachtung der
IHS-Diagnosen 1.1 und 1.2 nur 62,2 Prozent der Teilnehmer zweimal die
gleiche Diagnose erhielten. Erst bei Einbeziehung der IHS-Diagnose 1.7
(„migräneartige Störung“) erhöhte sich die Übereinstimmungsquote zwischen
beiden Befragungen auf 82 Prozent.
Aus ihren Ergebnissen
folgern die Autoren, dass die Reproduzierbarkeit der Migräne-Symptome
eines Patienten im Verlauf von 12 Monaten erheblich schwankt, wobei
einzelne Symptome mehr variieren als andere (z. B. verändert sich die
Häufigkeit von Übelkeit und Erbrechen besonders). Die Zuordnung eines
Patienten zu einer bestimmten Migräne-Kategorie ist daher keineswegs immer
definitiv. Im Verlauf der Zeit kann das Leiden des gleichen Patienten auch
anderen Kopfschmerztypen zugeordnet werden. Eine solche
„Diagnose-Fluktuation“ erschwert es, den chronischen Verlauf einer Migräne
zu erfassen und die Wirkung therapeutischer und/oder präventiver Maßnahmen
zuverlässig zu beurteilen.
Die französischen
Autoren zeigen sich von solchen Diagnose-Verschiebungen keineswegs
überrascht. Ihre Beobachtung passt zu der Vorstellung, dass sich
Kopfschmerzen auf einem breiten Spektrum möglicher Erscheinungsweisen
abspielen, die fließend ineinander übergehen und von episodischen
Spannungskopfschmerzen bis zu massiven Migräne-Attacken reichen. Es kommt
hinzu, dass sich das klinische Bild aufgrund krankheitsimmanenter Gründe
innerhalb eines Jahres weiterentwickeln kann und zwischenzeitlich
angewandte Medikamente das symptomatische Bild verändern.
Nachit-Ouinekh und
Kollegen gehen davon aus, dass ihre Studie repräsentativ ist. Denn an ihr
beteiligten sich unausgewählte Mitarbeiter eines großen staatlichen
Unternehmens, die in einem relativ hohen Prozentsatz beide Fragebögen
beantworteten (1. Befragung: 89 Prozent, Befragung nach 12 Monaten: 62
Pozent).
F.
Nachit-Ouinekh u. a.: Variability of reported headache symptoms and
diagnosis of migraine at 12 months. Cephalagia 2004 (25) 117-123 |