fzm - Jedes Jahr müssen in
Deutschland mehr als 14.000 Kinder unter fünf Jahren in Krankenhäusern
behandelt werden, weil ihre Gesundheit durch Tabakrauch in der Wohnung
geschädigt wurde. Jede vierte bis fünfte Klinikbehandlung wegen
Mittelohrentzündung oder Atemwegserkrankungen wäre vermeidbar, wenn die
Eltern wenigstens zuhause das Rauchen aufgeben würden. Dies haben
Krankheitsforscher (Epidemiologen) in der DMW Deutsche Medizinische
Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005) ausgerechnet.
"Rauchen gilt international
als das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko", schreibt Dr. René Thyrian
von der Universität Greifswald. Wobei der aktive Raucher keineswegs nur
sich selbst schädigt, sondern auch seine Mitbewohner, vor allem wenn diese
noch sehr jung sind. Laut Dr. Thyrian gibt es insgesamt 112 Erkrankungen,
für die eine schädliche Wirkung des Passivrauchens auf die Gesundheit von
Kleinkindern bekannt ist. Beispielsweise steige das Risiko von tiefen
Atemwegserkrankungen um 57 Prozent und das Risiko einer
Mittelohrentzündung um 62 Prozent, wenn die Kinder zuhause zum
Passivraucher werden. Das Asthmarisiko werde sogar mehr als verdoppelt.
Diese Daten setzte Dr. Thyrian mit den Ergebnissen des Mikrozensus 1995 in
Beziehung. Diese repräsentative Umfrage hatte ergeben, dass fast die
Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren (46,5 Prozent) in Haushalten mit
mindestens einem Raucher leben.
Aus beiden Datenquellen
berechnete Dr. Thyrian die "tabakrauch-attributable Morbidität" (TAM). Das
ist der rechnerische Anteil der Krankheitsfälle, die durch die Belastung
mit einem Schadstoff, hier dem Passivrauchen verursacht wird. Die
TAM-Werte sind in Mecklenburg-Vorpommern am höchsten. Hier sind 3,8
Prozent aller Klinikbehandlungen von Kleinkindern auf häusliches
Passivrauchen zurückzuführen. In Bayern und Rheinland-Pfalz waren es "nur"
1,6 Prozent. Die höchsten TAM-Werte wegen Mittelohrentzündung oder
Atemwegserkrankungen gab es in Schleswig-Holstein (27,1%), die wenigsten
in Berlin (22,0%).
Dr. Thyrian fand außerdem
heraus, dass Klinikbehandlungen wegen "tabakrauch-attributabler"
Erkrankungen um einige Tage länger dauern, als wenn die gleichen
Erkrankungen andere Ursachen haben.
Das Fazit ist klar: Rauchfreie
Wohnungen haben für die Krankheitsvorsorge von Kleinkindern aber auch von
Erwachsenen oberste Priorität. Die Zahlen mögen zwar abstrakt sein. "Doch
hinter jeder tabakrauch-attributablen Diagnose steht ein persönliches
Schicksal", schreibt Dr. Thyrian. Deshalb gebe es für die Beendigung des
Rauchens keine Alternative.
J.R. Thyrian et al.:
Tabakrauchexposition in der Wohnung und stationäre Behandlungen von
Kindern unter 5 Jahren in Deutschland
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (19): 1189-1194 |