Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Kontrolliertes Trinken
(Gastbeitrag von Günther Faßbender)


Welcher der 1,6 Mio. Alkoholiker würde sich dies nicht wünschen. Kontrolliert Alkohol konsumieren zu können, ohne die Gefahr wieder in das alte Suchtverhalten zurückzufallen. Dieses Thema bewegt nicht nur Betroffene sondern auch die Fachwelt.

Das „Programm zum kontrollierten Trinken“, das von Prof. Dr. Körkel entwickelt wurde, erweckt die Hoffnung, dass nicht nur Menschen mit einem riskanten Alkoholkonsum (nach der Weltgesundheitsorganisation WHO mehr als täglich 20 g Alkohol für Frauen und 30 g für Männer), sondern auch suchtkranke Menschen einen reduzierten und problemlosen Umgang mit Alkohol erreichen können.

Da nur etwa 10 % der Menschen mit einem problematischen Alkoholkonsum von den traditionellen Suchtberatungsstellen erreicht werden, hofft man gleichzeitig nicht nur Alkoholiker sondern auch Risikotrinker mit diesem sogenannten „zieloffenen Programm“ zu erreichen. Die Zahl der Menschen die zwar noch nicht abhängig sind, jedoch den Grenzwert der WHO deutlich überschreiten, wird in Deutschland auf 10% der Bevölkerung geschätzt.

Bei näherer Betrachtung des Programms zum kontrollierten Trinken und der entsprechenden Studien hierzu wird deutlich, dass hier bei Menschen, die alkoholabhängig sind, Hoffnungen geweckt werden, die wenig realistisch sind.

Ausgerechnet bei chronisch Suchtkranken, die es trotz wiederholter, traditioneller Behandlung nicht geschafft haben, ein alkoholfreies Leben aufzubauen, wurde dieses Programm entwickelt und erprobt. Alkoholiker, die u. a. aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit, ihres starken körperlichen Abbaus durch einen chronischen Alkoholkonsum und fehlender sozialer Bezüge schlechte Aussichten haben, ein Leben ohne Alkohol führen zu können. Wäre ein dauerhaft, reduzierter Alkoholkonsum für diesen Personenkreis durch ein „Programm zum kontrollierten Trinken“ möglich, um wie viel eher müsste dies für Alkoholiker möglich sein, die noch eine Arbeitsstelle, eine Familie und noch eine weitgehend intakte körperliche Verfassung aufweisen? Anstatt von kontrolliertem Umgang mit Alkohol für Alkoholiker zu sprechen, sollte daher eher von einer Reduzierung der Trinkmenge und der Häufigkeit des Alkoholkonsums gesprochen werden. Dies kann eine Alternative sein zum „unkontrollierten Zuvieltrinken“ insbesondere für Menschen, für die das Ziel der dauerhaften Abstinenz nicht erreichbar erscheint. Gibt man im Selbsttest auf der Webseite http://www.kontrolliertes-trinken.de Trinkmengen, Trinkgewohnheiten und andere Merkmale ein, wie sie ein Alkoholiker wahrheitsgemäß eingeben würde, so wird als Testergebnis auch hier die abstinente Lebensführung empfohlen. Als alternatives Ziel wird der reduzierte Alkoholkonsum empfohlen. Dies macht deutlich, das auch für Prof. Körkel klar zu sein scheint, dass für Alkoholiker eine Abstinenzorientierung notwendig ist.

Auch Menschen mit einem riskanten Alkoholkonsum haben in einer Suchtberatungsstelle immer schon die Möglichkeit in einer Beratung ihren Umgang mit Alkohol kritisch zu hinterfragen und Hilfestellung zur Überwindung einer evtl. Suchtgefährdung zu erhalten. Im Verlauf einer langfristigen Beratung zeigt sich für den Betroffenen, ob noch ein kontrollierter und problemloser Umgang mit Alkohol erreicht werden kann. Kontrollierter Umgang mit Alkohol im Sinne eines „normalen Alkoholkonsums“ bedeutet jedoch nicht nach Plan bzw. Strichliste Alkohol zu konsumieren. Wer dies benötigt, um nicht ständig zu viel Alkohol zu konsumieren, ist schon in hohem Masse gefährdet, wenn nicht bereits abhängig vom Alkohol. Gerade der „Kontrollverlust“, d.h. seinen Umgang mit Alkohol nicht mehr willentlich steuern zu können ist das Hauptmerkmal der Alkoholabhängigkeit. Kontrollierter Umgang mit Alkohol bedeutet, noch in der Lage zu sein, dauerhaft so mit Alkohol umgehen zu können, dass der Alkoholkonsum nicht immer wieder zu Problemen führt. Was dies im Einzelnen bezüglich der Trinkmenge, der Häufigkeit des Konsums, der Trinkanlässe etc. bedeutet, ist nur im Einzelfall zu klären. Erst wenn Betroffene durch eigene Erfahrung im Umgang mit Alkohol klar haben, nicht mehr „kontrolliert“ mit Alkohol umgehen zu können, kann eine ambulante oder stationäre Behandlung mit dem Ziel der dauerhaft, abstinenten Lebensführung eingeleitet werden.

Das angeblich manche Alkoholiker nach einer Behandlung bzw. nach Jahren der Abstinenz wieder kontrolliert Alkohol konsumieren können beruht eher auf einer vorschnellen bzw. falschen Diagnose. Dies sind Personen, die nie alkoholabhängig waren, sondern bei denen vorschnell diese Diagnose gestellt und eine Behandlung eingeleitet wurde. Diese Personen hätten auch ohne eine Behandlung eine Änderung ihres Trinkverhaltens erreichen können.

Programme zum kontrollierten Trinken können eine Möglichkeit zur Früherkennung sein, sollten jedoch nicht falsche und für Alkoholiker gefährliche Hoffnungen wecken.

Verfasst von: Günter Faßbender, Dipl. Sozialarbeiter

Seit 1981 in der Suchtberatung und der ambulanten Rehabilitation von Suchtkranken tätig. Autor des Buches „Na dann Prost – Alkoholproblemen erkennen und überwinden“. erschienen im Schneider Verlag Hohengehren  – ISBN10: 3834005819. Anschrift: Markgrafenstrasse 4, 41515 Grevenbroich. E-Mail: guenterfassbender@web.de Web: www.guenter-fassbender.de