Welcher der 1,6 Mio.
Alkoholiker würde sich dies nicht wünschen. Kontrolliert Alkohol konsumieren
zu können, ohne die Gefahr wieder in das alte Suchtverhalten zurückzufallen.
Dieses Thema bewegt nicht nur Betroffene sondern auch die Fachwelt.
Das
„Programm zum kontrollierten Trinken“, das von Prof. Dr. Körkel entwickelt
wurde, erweckt die Hoffnung, dass nicht nur Menschen mit einem riskanten
Alkoholkonsum (nach der Weltgesundheitsorganisation WHO mehr als täglich 20 g
Alkohol für Frauen und 30 g für Männer), sondern auch suchtkranke Menschen
einen reduzierten und problemlosen Umgang mit Alkohol erreichen können.
Da nur
etwa 10 % der Menschen mit einem problematischen Alkoholkonsum von den
traditionellen Suchtberatungsstellen erreicht werden, hofft man gleichzeitig
nicht nur Alkoholiker sondern auch Risikotrinker mit diesem sogenannten
„zieloffenen Programm“ zu erreichen. Die Zahl der Menschen die zwar noch nicht
abhängig sind, jedoch den Grenzwert der WHO deutlich überschreiten, wird in
Deutschland auf 10% der Bevölkerung geschätzt.
Bei
näherer Betrachtung des Programms zum kontrollierten Trinken und der
entsprechenden Studien hierzu wird deutlich, dass hier bei Menschen, die
alkoholabhängig sind, Hoffnungen geweckt werden, die wenig realistisch sind.
Ausgerechnet bei chronisch Suchtkranken, die es trotz wiederholter,
traditioneller Behandlung nicht geschafft haben, ein alkoholfreies Leben
aufzubauen, wurde dieses Programm entwickelt und erprobt. Alkoholiker, die u.
a. aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit, ihres starken körperlichen Abbaus durch
einen chronischen Alkoholkonsum und fehlender sozialer Bezüge schlechte
Aussichten haben, ein Leben ohne Alkohol führen zu können. Wäre ein dauerhaft,
reduzierter Alkoholkonsum für diesen Personenkreis durch ein „Programm zum
kontrollierten Trinken“ möglich, um wie viel eher müsste dies für Alkoholiker
möglich sein, die noch eine Arbeitsstelle, eine Familie und noch eine
weitgehend intakte körperliche Verfassung aufweisen? Anstatt von
kontrolliertem Umgang mit Alkohol für Alkoholiker zu sprechen, sollte daher
eher von einer Reduzierung der Trinkmenge und der Häufigkeit des
Alkoholkonsums gesprochen werden. Dies kann eine Alternative sein zum
„unkontrollierten Zuvieltrinken“ insbesondere für Menschen, für die das Ziel
der dauerhaften Abstinenz nicht erreichbar erscheint. Gibt man im Selbsttest
auf der Webseite
http://www.kontrolliertes-trinken.de Trinkmengen, Trinkgewohnheiten und
andere Merkmale ein, wie sie ein Alkoholiker wahrheitsgemäß eingeben würde, so
wird als Testergebnis auch hier die abstinente Lebensführung empfohlen. Als
alternatives Ziel wird der reduzierte Alkoholkonsum empfohlen. Dies macht
deutlich, das auch für Prof. Körkel klar zu sein scheint, dass für Alkoholiker
eine Abstinenzorientierung notwendig ist.
Auch
Menschen mit einem riskanten Alkoholkonsum haben in einer Suchtberatungsstelle
immer schon die Möglichkeit in einer Beratung ihren Umgang mit Alkohol
kritisch zu hinterfragen und Hilfestellung zur Überwindung einer evtl.
Suchtgefährdung zu erhalten. Im Verlauf einer langfristigen Beratung zeigt
sich für den Betroffenen, ob noch ein kontrollierter und problemloser Umgang
mit Alkohol erreicht werden kann. Kontrollierter Umgang mit Alkohol im Sinne
eines „normalen Alkoholkonsums“ bedeutet jedoch nicht nach Plan bzw.
Strichliste Alkohol zu konsumieren. Wer dies benötigt, um nicht ständig zu
viel Alkohol zu konsumieren, ist schon in hohem Masse gefährdet, wenn nicht
bereits abhängig vom Alkohol. Gerade der „Kontrollverlust“, d.h. seinen Umgang
mit Alkohol nicht mehr willentlich steuern zu können ist das Hauptmerkmal der
Alkoholabhängigkeit. Kontrollierter Umgang mit Alkohol bedeutet, noch in der
Lage zu sein, dauerhaft so mit Alkohol umgehen zu können, dass der
Alkoholkonsum nicht immer wieder zu Problemen führt. Was dies im Einzelnen
bezüglich der Trinkmenge, der Häufigkeit des Konsums, der Trinkanlässe etc.
bedeutet, ist nur im Einzelfall zu klären. Erst wenn Betroffene durch eigene
Erfahrung im Umgang mit Alkohol klar haben, nicht mehr „kontrolliert“ mit
Alkohol umgehen zu können, kann eine ambulante oder stationäre Behandlung mit
dem Ziel der dauerhaft, abstinenten Lebensführung eingeleitet werden.
Das
angeblich manche Alkoholiker nach einer Behandlung bzw. nach Jahren der
Abstinenz wieder kontrolliert Alkohol konsumieren können beruht eher auf einer
vorschnellen bzw. falschen Diagnose. Dies sind Personen, die nie
alkoholabhängig waren, sondern bei denen vorschnell diese Diagnose gestellt
und eine Behandlung eingeleitet wurde. Diese Personen hätten auch ohne eine
Behandlung eine Änderung ihres Trinkverhaltens erreichen können.
Programme
zum kontrollierten Trinken können eine Möglichkeit zur Früherkennung sein,
sollten jedoch nicht falsche und für Alkoholiker gefährliche Hoffnungen
wecken.
Verfasst
von: Günter Faßbender, Dipl. Sozialarbeiter
Seit 1981
in der Suchtberatung und der ambulanten Rehabilitation von Suchtkranken tätig.
Autor des Buches „Na dann Prost – Alkoholproblemen erkennen und überwinden“.
erschienen im Schneider Verlag Hohengehren – ISBN10: 3834005819. Anschrift:
Markgrafenstrasse 4, 41515 Grevenbroich.
E-Mail:
guenterfassbender@web.de Web:
www.guenter-fassbender.de
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