USA. Noch immer gelten psychotische
Symptome oft als rational nicht fassbar. Gegen eine solche Einstellung
wendet sich A. T. Beck, der Begründer der kognitiven Therapie. Nach seiner
Ansicht sind viele psychotische Symptome lediglich Extrempunkte auf einem
Spektrum, das bei normalen Verhaltens- und Erlebnisweisen beginnt und über
ein breites Spektrum hinweg kontinuierlich in „krankhaftere“ Formen
übergeht. Ob die entsprechenden Phänomene noch „Varianten des Normalen“
sind oder schon das Etikett „psychotisch“ rechtfertigen, hänge vor allem
von der Intensität und Dauer des Symptoms, der Leidensstärke und der
Fähigkeit des Betroffenen ab, das Symptom noch objektiv einordnen zu
können. Beispiele: 1. Viele Jugendlich haben akustische Halluzinationen.
Zu einem psychotischen Phänomen wird ein solches Erleben erst, wenn es von
Wahnvorstellungen begleitet wird („Die Stimmen kommen vom Teufel“). 2.
Viele Menschen mit Sozialphobie haben Gedanken wie „Ich denke, dass
mich jeder beobachtet“. Erst die veränderte Zuschreibung („Ich weiß,
dass mich jeder beobachtet.“) macht den Gedanken „psychotisch“.
Beck plädiert dafür, schizophren
erkrankte Patienten möglichst als Personen wie du und ich zu betrachten,
die sich mit ähnlichen Problemen und belastenden Ereignissen auseinander
müssen wie alle anderen Menschen auch. Aufgrund ihrer seelischen
Veranlagung machen sie allerdings psychische Erfahrungen, die man
normalerweise selten oder nur unter größtem Stress durchlebt. Teil dieser
Veranlagung ist die Tendenz, viele (auch banale) Ereignisse auf sich
selbst zu beziehen und die Umwelt eher als feindlich zu erleben. Beides
führt dazu, besonders aufmerksam die Umwelt zu überwachen und auf
Irritationen überschießend zu reagieren.
Häufig haben die Betroffenen schon
vor Ausbruch ihrer Psychose Einstellungen, die sie verletzlich machen
(„Die anderen wollen mich nicht“). Je öfter sie Erfahrungen machen, die
entsprechende Selbstkonzepte zu bestätigen scheinen, um so mehr werden die
bislang eher „weichen“ Annahmen zu unabänderlicher Überzeugungen („Ich
werde verfolgt und bedroht“). Auch für „Negativsymptome“ bietet Beck
rationale Erklärungen an. Statt in ihnen nur „Defizite“ zu sehen und auf
den Effekt von Arzneimitteln zu bauen, könnte man Negativsymptome auch als
„aktiven Bewältigungsversuch“ interpretieren. Denn hinter der Fassade aus
Desinteresse und fehlender Mimik steckt möglicherweise der Versuch, sich
gegenüber einer als bedrohlich und verwirrend erlebten Umwelt abzuschotten
und so die wenigen eigenen Ressourcen zu bewahren.
Die von Beck befürworteten
Betrachtungsweisen erleichtern es, das Verhalten Schizophrenie-Kranker zu
verstehen und ihnen dadurch empathischer zu begegnen. Außerdem motivieren
sie dazu, besonders solche Kompetenzen der Patienten zu verbessern, die
auf die beschriebenen Prozesse korrigierend einwirken. Hierzu gehören vor
allem die Fähigkeiten zu Realitätsüberprüfung und zur Gestaltung
zwischenmenschlicher Beziehungen.
A. T. Beck: A
cognitive model of schizophrenia. Journal of Cognitive Psychotherapy: An
International Quarterly 2004 (18) 281-288 |