Schweden. Für J. Flensmark gibt es
einen engen Zusammenhang zwischen der Verbreitung absatzbestückter Schuhe
und der rapiden Zunahme der Schizophrenie in industrialisierten Staaten.
Wo immer die Schuhproduktion empor schnellte, folgte ihr fast auf dem Fuß
ein ebenso drastischer Anstieg der Neuerkrankungen an Schizophrenie.
Flensmark demonstriert dies an einschlägigen Statistiken aus
Massachusetts, England und Wales, Baden und Schweden. In der genannten
Reihenfolge verbreitete sich nicht nur die Schuhproduktion in der Welt,
auch der Sprunghafte Anstieg von Neuaufnahmen in Nervenanstalten folgte
dem Siegeszug der Schuhindustrie.
Der Einfluss von Schuhwerk auf
seelische Probleme scheint kein reines Phänomen der Neuzeit zu sein. So
waren Veränderungen der Schuhmode immer auch gekoppelt mit Phänomenen, die
auf das Vorhandensein oder die Zunahme seelischer Erkrankungen
rückschließen lassen. Bereits die erste Beschreibung eines
absatzbestückten Schuhes betrifft bezeichnenderweise ein Land und eine
Zeit (Mesopotamien), in der sich auch die ersten Beschreibungen von
Einrichtungen für Geisteskranke finden. Flensmark sieht es nicht als
Zufall an, dass die ersten europäischen Nervenanstalten in einer Epoche
errichtet wurden, in der sich zuvor Schuhe mit erhöhtem Absatz verbreitet
hatten. Deren Vorbild stammt aus dem mittleren Osten, wo es schon
Jahrhunderte zuvor Krankenhäuser mit Abteilungen für psychisch Kranke gab.
Und noch ein weiteres Phänomen
bemüht Flensmark, um seine These zu untermauern, dass hohes Schuhwerk die
Entwicklung einer Schizophrenie begünstigt: Auswanderer aus
Entwicklungsländern, in denen überwiegend barfuss gelaufen wird,
entwickeln in der neuen industrialisierten Heimat, wo sie und ihre Kinder
durchweg Schuhe tragen, auffällig häufiger Schizophrenien (die Kindern
sogar öfter als ihre Eltern). Schließlich verweist der Autor noch auf die
Beobachtung, dass im Winter geborene Kinder häufiger an Schizophrenie
erkranken. Wenn sie dann ein Jahr später laufen lernen (also meist erneut
im Winter!), werden sie dies meist in Schuhen tun.
Flensmark glaubt, den von ihm
vermuteten Zusammenhang erklären zu können. Er verweist darauf, dass die
Aktivierung von Mechanorezeptoren in den unteren Extremitäten das
Kleinhirn und die mit ihm verbundenen Erregungsschleifen stimuliert.
Erhöhte Absätze reduzieren das Bewegungsausmaß der Wadenmuskulatur, was
sich in einer verringerten Kleinhirnstimulation und damit letztlich in
ungünstigen Effekten auf das dopaminerge System niederschlägt. Als Beleg
für den behaupteten Zusammenhang führt er zweierlei an: 1. Fahrradfahren,
das typischerweise die Wadenmuskulatur dehnt, kann sich günstig auf
Depressionen Schizophrenie-Kranker auswirken. 2. Wenn man mittels
Elektroden gezielt diejenigen Erregungsschleifen stimuliert, die sonst
durch Mechanorezeptoren der unteren Extremität aktiviert werden, bessert
sich das Befinden Schizophrenie-Kranker.
Flensmark glaubt, dass vor allem
eine dauerhafte „falsche“ Kleinhirnstimulation Schizophrenien begünstigt.
Das Leiden manifestiere erst sich in der Adoleszenz und im frühen
Erwachsenenalter, weil viele Erregungsschleifen des Gehirns vorher noch
nicht endgültig ausgereift sind.
J. Flensmark: Is
there an association between the use of heeled footwear and schizophrenia?
Medical Hypothesis 2004 (63) 740-747 |