Großbritannien. Heute steht außer
Frage, dass Epilepsie ein primär neurologisches Leiden ist und daher
vorrangig einer medizinischen Therapie bedarf. Diese Einstellung kann
allerdings dazu verleiten, sich mit dem Patienten vor allem unter den
Gesichtspunkten Anfallstyp, Anfallshäufigkeit und Medikation zu befassen.
Leicht wird vergessen oder aufgrund eigener Unsicherheit verdrängt, dass
eine Epilepsie für die Betroffenen oft mit Angst und Selbstzweifeln
einhergeht und nicht selten auch mit Scham verbunden ist. Viele leiden
unter der Erfahrung, Kontrolle über ihr Leben zu verlieren, oder haben das
Gefühl, dass während eines Anfalls „ein anderer“ von ihnen Besitz
ergreift.
Wie S. Spector anhand eines
Patientenbeispiels veranschaulicht, kann schon eine kurze Psychotherapie
die zuletzt genannten Probleme günstig beeinflussen. Dabei gilt es, von
der Illusion Abschied zu nehmen, Lebensabläufe seien in irgendeiner Weise
„kontrollierbar“. Epilepsie-Kranke erfahren das zwar immer wieder
schmerzhaft am eigenen Leib. Sie können diese Erfahrung aber nur schwer
akzeptieren, da das gängige gesellschaftliche Denken „Kontrollierbarkeit“
suggeriert. Eine weitere psychotherapeutische Hilfestellung kann in der
Empfehlung bestehen, nicht alle Probleme dem Phänomen Epilepsie
anzulasten. Denn letztere rückt gerne in den Lebensmittelpunkt und
verführt so dazu, andere Themen ausschließlich aus der Perspektive der
Epilepsie zu betrachten. Tatsache ist aber, dass viele Themen und Probleme
teilweise schon vor dem Einsetzen der Epilepsie existierten oder
anschließend völlig unabhängig vom Anfallsleiden entstanden. Eine
entsprechende „Entflechtung“ kann die Betroffenen entlasten, weil sie eine
gewisse Normalität herstellt und die Epilepsie in ihrem scheinbaren Ausmaß
ein wenig „schrumpfen“ lässt.
Ein für psychotherapeutische
Gespräche geeignetes Thema ist auch der öffentliche Umgang mit dem Leiden.
Im Gegensatz zu vielen körperlichen Erkrankungen lässt sich eine Epilepsie
meist nicht verheimlichen. Hier kann man den Patienten helfen, indem man
sie bei der Auseinandersetzung mit möglicherweise vorhandenen Scham- und
Schuldgefühlen begleitet und unterstützt.
Nicht zuletzt sollte man sich
immer auch mit der Frage auseinandersetzen, was die Epilepsie für den
jeweiligen Patienten persönlich „bedeutet“. So kann es vorkommen, dass
sich Patienten „als vom Teufel besessen“ fühlen, sie ihre Epilepsie als
„verdiente Strafe für tiefe Schuld“ betrachten oder den Anfall als
Ausdruck ihres „wahren Ichs“ interpretieren. Solche Vorstellungen können
extrem belasten. Anders als das Grundleiden lassen sie sich
psychotherapeutisch jedoch sehr gut beseitigen, verändern oder zumindest
mildern.
S. Spector:
Time-limited psychodynamic counselling for people with epilepsy: a case
study. British Journal of Psychotherapy 2004 (29) 333-344 |