Grundsätzlich arbeite ich
in meiner Rolle als Aikidō-Lehrer nach einer bestimmten Struktur. Dabei
kommt es mir darauf an nicht nur „reine Technik“ oder Bewegungsabfolgen zu
vermitteln. Wichtig ist vielmehr sich bewusst zu bewegen und ein gutes
Gefühl für den eigenen Körper und den Partner zu entwickeln. Ist ein
Aikidōka in der Lage, einen Angriff „zu spüren“ - sei es durch direkten
oder indirekten Kontakt zum Partner, so ist er auch in der Lage diesem
angemessen und mit der nötigen Aufmerksamkeit zu begegnen.
Jede Übungsstunde (im
Aikidō Dōjō Köln dauert eine „Stunde“ meist 75 Minuten) hat ein explizites
und ein implizites Thema und bestimmtes Ziel. So arbeite ich meist
an einer bestimmten (Basis)Technik, die im Verlauf des Unterrichts
mehrfach variiert wird. Dabei wird die Arbeit an der Technik z.B.
kombiniert mit dem Aspekt, am richtigen Abstand bzw. an der guten
Positionierung zum Partner zu arbeiten.
Atemübungen
und funktionale Aufwärmgymnastik mit Dehnübungen, welche evtl. mit
einem Partner durchgeführt werden, leiten jede Unterrichtseinheit ein.
Anschließend zeige ich mit einem ausgewählten Partner eine Technik. Mit
dieser Demonstration soll eine erste Idee, ein vollständiges Bild der
Bewegung vermittelt werden, ohne die Technik in ihre Einzelheiten zu
zerlegen.
Obwohl es Übungseinheiten
für verschiedene Entwicklungsstufen gibt, üben in allen Stunden
Anfänger und Fortgeschrittene gemeinsam. Die erfahrenen
Aikidōka
unterstützen die weniger Erfahrenen; es gibt kein „korrigieren und
verbessern“ im Sinne von Besserwissen! Zu aller erst sollte jeder Übende
bei sich schauen: „Habe ich meinen Partner klar geführt? War der Angriff
konsequent und angemessen?“. Dies ist, neben der Übung einer Technik, eine
gute Übung in Selbstverantwortlichkeit. Gleichzeitig kann jeder
Übende dabei überprüfen, wie er auf eine Konfrontation reagiert. Jeder
Angriff, auch in einer Übungssituation, ist eine Konfrontation mit einer
unbekannten und unsicheren Situation. Somit ist Aikidō auch eine gute
Übung für den Umgang mit Unsicherheit.
Der Lehrer beobachtet und
gibt gezielte individuelle Hinweise. So oft wie möglich übt er mit
den Lernenden, indem er in die Rolle des Angreifers (Uke)
oder Verteidigers (Nage)
schlüpft. Auf Basis seiner körperlichen und visuellen Wahrnehmung des
Schülers ist ein individuelles und förderndes Feedback möglich.
Nach einer
angemessenen Übungszeit wird die ursprünglich gezeigte Technik durch eine
weitere Demonstration verfeinert. Dabei werden zuvor beobachtete
Übungssituationen, Fragen usw. aufgegriffen und behandelt. Ebenso ist die
Erweiterung der Technik durch zusätzliche Umsetzungsvarianten möglich.
Da viele Aikidō-Techniken ihren Ursprung im Schwertkampf haben, können zum
besseren Verständnis der Idee einer Bewegung auch Waffeneingesetzt werden. Die Übungswaffen Bōkken
(Schwert), Jō (Stab), Tantō (Messer) sind aus Holz.
Immer wieder werden die
Übungspartner gewechselt. Werden besonders schwierige Übungen
gemacht, so ist die längere Arbeit mit demselben Partner sinnvoll. Durch
diese Zusammenarbeit fällt es beiden Partnern leichter sich aufeinander
einzustellen und das erforderliche Vertrauen für besonders schwierige
Übungen auf zu bauen.
Zum Ende der Stunde
werden die vorher erarbeiteten Techniken „frei geübt“ (Jiyu-Waza).
Dabei werden lediglich die Rollen Nage und Uke festgelegt. In Basisstunden
kann dazu die Angriffstechnik vorgegeben werden. Die Wahl der Verteidigung
liegt immer beim Nage. So können beide Partner in einem abgestimmten
Rahmen alle in der Stunde geübten Techniken frei anwenden und vertiefen.
Je nach Niveau der Übenden kann der freie Angriff und Verteidigung ohne
eine vorherige Festlegung einer Technik erfolgen. Ebenfalls ist die Arbeit
mit mehreren Angreifern denkbar und sinnvoll.
Jiyu-Waza wird regelmäßig geübt und ist ein elementarer Bestandteil des
Trainings.
Jede Stunde wird mit
einer Atemübung beendet. Hier wird, wie zu Beginn, bewusstes und tiefes
Atmen geübt. Diese Übungen verbessern die Sauerstoffzufuhr des Körpers und
dienen der Reduktion von körperlichem Stress. Sie helfen den Übenden, zur
Ruhe zu kommen und können auch in beliebigen Alltagssituationen -
außerhalb des Dōjō – praktiziert werden.
Obwohl meist ausreichend
Platz zur Übung vorhanden ist, ist es besonders wichtig, den Raum und das
Geschehen um sich herum bewusst wahr zu nehmen. Es üben immer mehrere
Partner in unmittelbarer Nähe. Dabei kann es geschehen, dass die anderen
Übenden auf der Matte sich gegenseitig behindern und im Falle grober
Unachtsamkeit sich gegenseitig verletzen würden.
Besonders in der Arbeit
mit Waffen wird deutlich, dass Aikidō seinen Ursprung im
Bushido
hat. Arbeiten die Partner beispielsweise mit dem Holzschwert, so kann es
ohne die entsprechende Aufmerksamkeit zu Verletzungen (Prellungen,
blaue Flecken) kommen. Werden die Übungswaffen jedoch mit der
erforderlichen Präsenz eingesetzt, so leisten sie einen wichtigen Beitrag
zum besseren Verständnis der Grundidee der Techniken.
Dies macht deutlich, dass Aikidō auch eine intensive
Wahrnehmungsschulung ist.
In der Übungssituation
kommt es wie im täglichen Leben immer wieder zu Begegnungen von Menschen,
die sich nicht so „sympathisch“ sind. Trotzdem üben diese miteinander und
lernen sich in der gemeinsamen Arbeit näher kennen. Durch den ständigen
Wechsel der Rollen und Perspektiven entsteht so mit der Zeit ein
besseres Verständnis für das, was ich an meinem Partner oder an mir selbst
nicht mag.
Vielleicht können wir gerade aus solchen Situationen für unsere
persönliche Entwicklung den größten Nutzen ziehen.
Grundsätzlich geht es
beim Aikidō nicht um die reine Vermittlung von „Techniken“, sondern
immer um bewusstes Bewegen und Handeln.
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