Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Wie entsteht Scham? 

 

Illustration: S. Krauß, 2002

Menschen mit Scham fühlen sich oft „ohnmächtig“ bzw. machtlos. Als Folge "unterwerfen" sie sich anderen bzw. den "geltenden Normen" (sie passen sich an). Diese Reaktion erinnert an das Rangordnungsverhalten bei manchen Tieren, wo das unterlegene Tier mitunter "den Schwanz einzieht" und "gesenkten Hauptes" davon trottet. Solche Tiere verhalten sich im weiteren sehr oft auch "freudlos". Möglicherweise hat Scham ihre biologische Wurzel in einem solchem animalischen "Rangordnungsverhalten".

Zur Frage, in welchem Alter Scham im Leben eines Menschen erstmals auftritt, besteht keine Einigkeit. Manche Wissenschaftler deuten schon bei einem wenige Monate alten Baby das Abwenden des Kopfes ("Abgrenzung") als Scham. Ziemlich sicher sind Kinder zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr in der Lage, Scham zu empfinden: In diesem Abschnitt lernen sie, sich von ihren Müttern wegzubewegen (sich zu verselbstständigen), können sie in einem Spiegel sich selbst erkennen (Selbstbewusstsein), reagieren sie auf ihre kindlichen Leistungen sichtbar mit Stolz und entwickeln sie Hemmung und Scham, wenn ihre positiven Gefühle (Freude und Stolz) von den Bezugspersonen nicht angemessen beantwortet bzw. geteilt werden. 

Meist haben unter Scham leidende Menschen hohe Ideale. Die Feststellung, diesen nicht gerecht werden zu können, löst Scham aus.

Scham kann auch durch Personen der Umwelt ausgelöst werden, wenn diese mit Hilfe von "Beschämung" andere zu einem bestimmten Verhalten veranlassen wollen. Oft leiden die Scham-Erzeuger selbst massiv unter Scham, die sie – durchaus ungewollt - in Form von "Gegenbeschämung" (Lächerlich machen) durch ihr Verhalten weitergeben.

Scham- Betroffenen fehlt häufig das Gefühl einer sicheren „Identität“. Ursächlich können Erfahrungen in der sehr frühen Kindheit sein wie etwa Misserfolge beim Versuch, die Umwelt durch Gefühlssignale (wie Lächeln, Weinen) zu einem passenden Verhalten zu bewegen bzw. sich mit wichtigen Bezugspersonen emotional abzustimmen. In der Folge passen sich die "ohnmächtigen" Kinder den Verhaltensweisen und Erwartungen der Bezugspersonen an und entwickeln so ein "falsches Selbst". 

Scham-Betroffene haben selten richtig erlernt, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen bzw. ihnen zu trauen. Häufig findet man traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit, bei denen das emotionale Erleben des Kindes und das seiner wichtigen Bezugspersonen auseinander klaffen ("Mismatch"). Beispiele: 1. Ein Kind ist „stolz“ auf ein selbstgemaltes Bild oder ein vorgesungenes Lied. Statt Freude zu ernten, wird es jedoch für sein Werk ausgelacht und verspottet. 2. Ein Kind glaubt, sich besonders „brav“ zu verhalten und ahnt deshalb nichts Böses. Aufgrund eines Missverständnisses erhält es jedoch plötzlich Prügel von seinen Eltern. 3. Eine Pubertierende fühlt sich (noch) in ihrem Körper wohl. Unvorhergesehen wird sie während einer Ferienfreizeit als „Tittenmonster“ verspottet. Aufgrund solcher Vorkommnisse scheinen manche Kinder fortan eigenen Gefühlen zu misstrauen und sich sicherheitshalber lieber auf die Gefühle und Rückmeldungen der anderen zu verlassen (um erneute Verletzungen zu verhindern). Zugleich wird „Vertrauen“ zu einem beherrschenden Thema im weiteren Leben: Wenn man schon nicht den eigenen Körpersignalen vertrauen kann, wem dann überhaupt? Scham ist deshalb auch Folge misslungener emotionaler Kommunikation.

Für manche Scham lässt sich im eigenen Leben keine „Ursache“ finden, da es sich um eine familiär begründete Scham handelt, die von Generation zu Generation weitergegeben wird und sich allenfalls über ein „Familiengeheimnis“ entschlüsseln lässt. Solche Scham kann vor allem im Handeln (Inszenieren) erkannt werden.

Schamkrankheiten (mangelndes Selbstwertgefühl, Essstörungen, psychosomatische Erkrankungen), wie überhaupt „emotionale Störungen“, nehmen vielleicht deswegen so extrem zu, weil es immer schwieriger wird, in einer multikulturellen, globalvernetzten und multimedialen Welt ein stabiles Gefühl von Identität zu entwickeln. Es gibt keine eindeutigen Ideale mehr, die ein solches Identitätsgefühl vermitteln könnten. Wer keine Ideale hat, an denen er sein Verhalten messen kann, hat natürlich auch weniger Grund sich zu schämen. Die vielfältigen von Technik beherrschten Abläufe erschweren es auch immer mehr, eigenen Gefühlen zu vertrauen. Dabei ist der menschliche Gefühlsapparat wohl nach wie vor mehr auf andere Lebensbedingungen zugeschnitten („optimiert“), als sie heute herrschen. Die Medien trimmen Menschen auf Selbstbeobachtung und Vergleich („Scham als Unterscheidungskrankheit“). Zugleich nutzen sie die Macht der Scham, um Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen (insbesondere Konsum und Konformität) zu veranlassen..