Die drei
GRUNDHALTUNGEN lauten:
-
-
Gewährleistung der Autonomie
(Selbstbestimmung) des Klienten
-
-
Partnerschaftlichkeit
(Kooperation) zwischen Klient und Gesprächspartner
-
-
Evokation
(„Entwicklungshilfe“) durch den Gesprächspartner
Die strikt auf die
Autonomie (Selbstbestimmung) des Klienten ausgerichtete Grundhaltung,
gewährleistet, dass allein der Klient entscheidet, worüber und mit welchen
möglichen Ergebnissen gesprochen wird. Nur wenn sich der Klient „autonom“
fühlt, kann er sich neuen Gedankengängen und Handlungsoptionen öffnen. Da
er durchweg die Kontrolle über das Geschehen behält, verspürt er das
beruhigende und ihn aufgeschlossener machende Gefühl, dass ihm durch Neues
kaum Gefahr droht. Neues kann er dann in der nötigen Ruhe „explorieren“.
Sollte es einmal „gefährlich“ werden, ist dem Klienten jederzeit ein
Rückzug möglich. Dabei braucht er keine negativen Konsequenzen (wie Kritik
oder Abwertung) zu befürchten. Ohne das Gefühl von Selbstbestimmtheit
erscheint Eigenmotivation schon aus logischen Gründen unmöglich. Auch
macht es in der Regel wenig Sinn, für sich Neues erkunden oder
ausprobieren zu wollen, wenn offen bleibt, ob letztlich andere über Ablauf
und Ergebnis entscheiden. Der mittlerweile überwiegend verwandte Begriff
GesprächsFÜHRUNG kann suggerieren, dass eine Person „führt“ und passt
leider nicht optimal zum Prinzip der Autonomie. Er begünstigt
möglicherweise Missverständnisse.
„Partnerschaftlichkeit“
bzw. Kooperation besagt, dass sich Klient und Gesprächspartner als
gleichberechtigt ansehen. Im „Interview“ (der „Zusammenschau“, so
die fast wörtliche Übersetzung) betrachten und klären sie etwas gemeinsam.
Wenn es überhaupt einen Expertenstatus gibt, hat diesen allenfalls der
Klient inne. Er ist und bleibt der wichtigste Experte für sein eigenes
Leben. Im Begriff „Kooperation“ klingt besser als in dem der
„Partnerschaftlichkeit“ an, dass es um ein Zusammenwirken zweier Personen
geht, bei dem der Klient mit Unterstützung rechnen kann. Eine kooperative
Haltung kann und soll auch vor zwei typischen Fallen bewahren, in
die besonders Helfer aus dem medizinischen Bereich schnell tappen: Ein
konfrontatives Vorgehen („Sie machen sich etwas vor.“ „Wenn Sie so
weitermachen, landen Sie in der Gerichtsmedizin.“) und der sog. „Es
richten wollen-Reflex“. Der letztere beschreibt die Neigung vieler
Menschen, „schief Gegangenes“ möglichst schnell wieder zu begradigen. Dies
wiederum kann dazu verleiten, andere im Sinne eigener Lösungsvorstellungen
zu beraten, zu belehren oder zu überreden. Um im Gegenüber ein Gefühl von
Wohlsein und Sicherheit zu erzeugen, kann es hilfreich sein, sich an
eigenen Erfahrungen mit „Persönlichkeiten“ (Lehrern, Ausbildern) zu
orientieren, die einem selbst zu solchen Gefühlen verholfen haben.
Mitunter entstehen hilfreiche Atmosphären auch dadurch, dass man sich in
verletzungsfreier Weise humorvoll begegnet.
Die mit Evokation
(„Hervorrufen“, „Hervorlocken“, „Freisetzen“) umschriebene Grundhaltung
betont die zentrale und permanente Aufgabe des Gesprächspartners, die
wesentlichen Erkenntnisse, Entscheidungen und Veränderungsschritte
möglichst ausschließlich im und durch den Klienten selbst zustande kommen
zu lassen. Aus dem Klienten soll das für diesen „Beste“ hervortreten
können. Der Gesprächspartner ermöglicht und unterstützt diesen Vorgang
lediglich (ähnlich einem Enzym oder Katalysator) durch seine (noch
darzustellenden) „Gesprächsfertigkeiten“. Motivational Interviewing
ist somit in erster Line prozessorientiert und nicht
ergebnisorientiert. Es verlässt sich gleichsam darauf, dass eine
Optimierung des „Interviewablaufs“ den Klienten letztendlich dazu befähigt
(= „Empowerment“), durch eigene Überlegungen und aus eigener
Motivation diejenigen Veränderungen in Gang zu setzen, die für ihn selbst
hilfreich sein werden. Evokation will im Klienten insbesondere
selbstmotivierende Äußerungen („Change Talk“) hervorlocken.
Kremer und Schulz (2012) gehen davon, dass (externes) Motivieren letztlich
nichts anderes ist als „interessiertes und einfühlendes Klären“
beim Klienten, dem dadurch dann selbstmotiviertes Handeln möglich werden
kann. Ähnlich wie die Umwelt in der Epigenetik Gene freischalten kann,
aktiviert oder verstärkt Motivational Interviewing beim Klienten „Bereitschaften“.
Zum „Freisetzen“ gehört letztlich auch die Aufgabe, für deren
Aufrechterhaltung zu sorgen. Dies erfolgt mit Hilfe der noch zu
skizzierenden Gesprächsfertigkeiten (wie Reflexion, Bestätigen und / oder
Zusammenfassen des vom Patienten Gehörten). |