Dem Prinzip, neues
Verhalten zu ermöglichen, indem vorhandene oder neu entfachte
Bereitschaften des Patienten verstärkt werden, dienen auch die vier
HANDLUNGSGRUNDSÄTZE des Motivational Interviewing. Sie zielen in
unterschiedlichem Maße auf die drei erwähnten Motivationskomponenten ab
und lauten:
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1.
Drücke gegenüber dem Klienten
echte Empathie (Mitgefühl) aus (damit er sich überhaupt auf
das Gespräch mit dir vertrauensvoll einlassen kann).
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2.
Zeige ihm Diskrepanzen
in seinem Erleben und Handeln auf (so dass seine Motivation, etwas zu
ändern, in Form des Erlebens von Dringlichkeit / Wichtigkeit
zunimmt).
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3.
Gehe mit „Widerstand“
konstruktiv um (bemerke ihn rechtzeitig und nutze ihn, um beim Klienten
Ängste besser verringern und Freiheitsgrade vergrößern zu können, also die
„Entwicklungsfähigkeit“ des Klienten zu erhalten oder
wiederherzustellen).
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4.
Fördere beim Klienten das
Erleben von Selbstwirksamkeit, wo und wie immer es geht (um
seine Zuversicht in das Gelingen seines Vorhabens zu steigern).
Bezogen auf die erwähnten
drei Elementarkomponenten Dringlichkeit, Zuversicht und Wollen fördern die
Handlungsempfehlungen 1 (Empathie) und 3 (Umgang mit Widerstand)
vor allem das Wollen des Klienten: Wenn ich spüre, dass mein Gegenüber
mitfühlt und ich nicht „in Widerstand gehen muss“, fühle ich mich sicherer
und kann mich leichter für neue Optionen öffnen. Da ich mich nicht gegen
Vorgaben von außen wehren muss und somit keine unnötigen Energien binde
(ich voller Energien bin), ich mich zudem sicher und verstanden und damit
auch wohl fühle, wächst meine Bereitschaft, mich auf Neues einzulassen.
„Empathie ausdrücken“ will dem Klienten das Gefühl vermitteln, sich vom
Gesprächspartner in Gefühlen und Betrachtungsweisen wertungsfrei
verstanden und damit akzeptiert zu wissen. Dabei heißt „Akzeptanz“
nicht, dass der Gesprächspartner auch das Vernommene „billigt“. Nur wer
sich akzeptiert fühlt, kann die „Deckung“ verlassen und Neues versuchen.
Dem Reflex, den Klienten korrigieren zu wollen, sollte man tunlichst
widerstehen. Empathie vermittelt sich besonders durch respektvolles
Zuhören und „reflektierte“ Rückmeldungen (s. u.).
Die Handlungsempfehlung 2
(Diskrepanzen aufzeigen) will beim Klienten das Erleben stärken,
dass eine Verhaltensänderung immer dringlicher wird. Prozentual gesehen
ist diesem Bemühen mitunter oft ein großer Anteil des Interviewprozesses
gewidmet, der nicht selten vom Gesprächspartner als „anstrengend“ erlebt
wird. Hier besteht die große Herausforderung darin, den Klienten darin zu
unterstützen, (möglicherweise erstmalig!) Widersprüche in seinem Leben
wahrzunehmen (vor allem im Hinblick auf sein momentanes und ihm
offensichtlich schadendes Verhalten). Dadurch kann in ihm das Bewusstsein
wachsen, dass Änderungen wohl doch dringlich sind. Vielen Klienten werden
schon beim Erstkontakt Diskrepanzen bewusst sein. Sie leiden dann vor
allem unter der damit einhergehenden „Ambivalenz“ („Zwei Herzen
schlagen in meiner Brust“), da sie sich noch nicht für eine der
widersprüchlichen Seiten entscheiden können. Solche Personen leiden
weniger unter „fehlender“, sondern unter „schwankender“ Motivation.
Die Handlungsempfehlung 4
(Fördern des Erlebens von Selbstwirksamkeit) will die Zuversicht
in das Gelingen der möglichen Verhaltensänderung stärken (also in
den Erfolg eigenen Handelns). Das Erleben von Selbstwirksamkeit (und damit
das Gegenteil von Hilflosigkeit) gilt mittlerweile als wichtiger
Schutzfaktor für Gesundheit und trägt vermutlich maßgeblich zum
sog. Placebo-Effekt bei. Auch der Umstand, dass sich der Klient beim
Motivational Interviewing selbst zu wichtigen Einsichten verhilft, lässt
ihn seine Selbstwirksamkeit erfahren. Dagegen rauben noch so gut gemeinte
„Ratschläge“ von „Experten“ dem Patienten die Chance, entsprechende
Erfahrungen zu machen. Auch die noch zu vertiefenden Interviewfertigkeiten
lassen den Klienten Selbstwirksamkeit spüren, da sie ihm vermitteln, dass
er mit seiner Botschaft beim Gegenüber angekommen ist. Während des
gesamten Prozesses des Motivational Interviewing lohnt es sich, auf alle
Hinweise auf momentane oder frühere Erfahrungen von Selbstwirksamkeit zu
achten und sie sich zu merken, um sie bei passender Gelegenheit (Stärkung
von Zuversicht) dem Klienten „bestätigend“ wieder in Erinnerung zu
rufen. Wie stark sich der Klient als selbstwirksam erleben kann, hängt
nicht zuletzt auch von den diesbezüglichen Erwartungen des
Gesprächspartners ab! Wenn letzterer am Vermögen des Klienten
zweifelt, wird sich dies negativ auf die Motivation des Klienten auswirken
(Self-fullfilling-Prophecy). |