Ein Schlüsselelement von Motivational
Interviewing ist das Erkennen und Fördern einer Sprechweise beim Klienten
(„Change Talk“), die ausdrückt, dass sich der Klient bereits mit möglichen
Änderungen seines Verhaltens befasst („Das viele Trinken gefällt mir
selbst nicht mehr“. „Ich habe auch schon darüber nachgedacht, mich an
einen Suchtfachmann zu wenden.“). Sobald sich solche Bereitschaften
zeigen, gilt es, diese aufzugreifen und zu fördern. Dies kann z.B. mit
Aufforderungen oder Fragen erfolgen wie „Erzählen Sie mir mehr davon.“
„Wie sind Sie darauf gekommen?“ „In welchen Beispielen zeigt sich Ihre
veränderte Einstellung?“ „Wie ist das schon einmal erfolgreich
abgelaufen?“ Da sich der Klient spätestens jetzt in einer Ambivalenz
zu befinden scheint, kann man ihn darin unterstützen, sich seiner
Ambivalenz bewusster zu werden. Zu diesem Zweck kann man ihn anregen, Für
und Wider des bisherigen und des möglicherweise neuen Verhaltens gegenüber
zu stellen. Dies lässt sich bildlich mit einer Pro- und Kontra-Waage
oder eher schematisch mit Hilfe einer Vier-Felder-Matrix umsetzen.
Vorteile
(Gewinn) des momentanen Verhaltens
|
Nachteile (Verlust) des momentanen
Verhaltens |
Nachteile
(Verlust) des neuen Verhaltens
|
Vorteile
(Gewinn) des neuen Verhaltens |
Insgesamt gilt es, vier Perspektiven
auszuarbeiten: Vor- und Nachteile des momentanen Status sowie Vor- und
Nachteile der möglichen Veränderung. Der Gesprächspartner sollte auf
keinen Fall der Versuchung erliegen, die Seite der positiven Veränderung
einseitig zu vertreten („Davon wird auf jeden Fall Ihre Lebergesundheit
profitieren.“). Denn dies veranlasst den Klienten fast automatisch
dazu, die Gegenposition zu vertreten („Mein Vater ist damit aber sehr
alt geworden.“). Der Klient verfällt dann in „Sustain Talk“ (Sprache
des Beharrens).
Wenn sich noch kein Change Talk abzeichnet,
kann man diesen durch offene Fragen direkt stimulieren: „Was glauben
Sie, wird geschehen, wenn Sie an Ihrem Verhalten nichts ändern?“ „Wie
hätten Sie gerne, dass Dinge anders wären?“ Was gibt Ihnen die Zuversicht
einen solchen Schritt erfolgreich vollziehen zu können?“ „Was halten Ihre
Angehörigen von Ihrem Verhalten und wie geht es Ihnen damit?“ Oder man
lässt sich den typischen Tagesablauf oder wiederkehrende Szenen
beschreiben, um Anknüpfungspunkte für Change Talk herauszuhören. Change
Talk lässt sich auslösen, indem man die Nachteile der momentanen
Situation erfragt, sich die Vorteile einer Veränderung und den
dafür nötigen Optimismus erläutern lässt und indem man bittet, das Ausmaß
der momentanen Veränderungsabsicht einzustufen („Skalierung“).
Beispiel: „Wo würden Sie auf einer Skala von Null bis 10 Ihre momentane
Veränderungsabsicht einordnen (wobei 10 „absolut sicher“ und Null
„keinerlei Absicht“ bedeutet)?“ Nachdem dies erfolgt ist (z.B. 3),
kann man Change Talk durch folgende Frage auslösen: „Wie erklären Sie
sich, dass Ihre Absicht schon den Wert 3 erzielt und nicht mehr bei Null
verharrt?“ Dies veranlasst in aller Regel den Klienten zu begründen,
warum er „schon so weit“ ist. Auf keinen Fall sollte man fragen, warum die
Änderungsabsicht des Klienten noch nicht 10 erreicht. Denn dann muss er
Argumente für sein bisheriges Verhalten nennen und sich selbst
verdeutlichen, warum es beim Alten bleiben wird.
Eine weitere und oft sehr wirksame Methode,
Change Talk auszulösen, besteht darin, die Werte des Klienten zu
erfragen. Dies kann man beispielsweise mit Hilfe von Wertekarten
versuchen, die vom Probst Verlag für Besitzer des „Arbeitsbuch
Motivierende Gesprächsführung“ kostenlos zum Download zur Verfügung
gestellt werden (http://www.gp-probst.de/pdf/buecher/Werte-Karten.pdf
). Alternativ kann man auch fragen „Was ist Ihnen im Leben alles sehr
wichtig?“ oder „Welche Ziele verfolgen Sie im Leben?“. Wenn der
Klient seine wichtigsten Werte / Ziele benannt hat (z.B. Gesundheit,
Familie,…), kann man ihn fragen, wie sein derzeitiges Verhalten mit diesen
Werten in Einklang steht. Da sich häufig Diskrepanzen ergeben werden,
bleibt dem Klienten oft nichts anderes übrig, als sich über notwendige
Veränderungen spätestens jetzt Gedanken zu machen und somit Change Talk zu
beginnen. Fragen nach zurückliegenden guten Zeiten und möglichen künftigen
besseren Phasen können ebenfalls selbstmotivierende Äußerungen begünstigen
(„Wie würde Ihr Leben künftig aussehen, wenn Ihnen diese Änderung
gelingt?“). Für Change Talk gilt ganz besonders, dass man ihn durch
vertiefende Reflexionen und passende Zusammenfassungen fördern und
verstärken sollte. |