Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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"Internetgestützte Psychotherapie" Beispiel 35


49-jähriger Patient mit Somatisierungsstörung


Meine Erfahrungen mit Ihrem "Email-Service": Für mich war das Sitzungsfeedback von Anfang an eine Möglichkeit, positive Erfahrungen der letzten Sitzung hervorzuheben, aber auch Kritik zu üben, wenn ich mich miss- oder gar unverstanden fühlte. Oder auch ganz neue Aspekte einzuführen, deren mögliche Bedeutung für die Therapie mir erst durch die vergangene Sitzung bewusst wurden. Das Wichtigste aber ist für mich die Möglichkeit, meine Gedanken zu Hause am PC ohne Zeitdruck niederschreiben zu können.

Das größte Problem für mich war immer die begrenzte Sitzungszeit. Bei vielen besprochenen Sachverhalten hätte ich gerne schon während der Sitzung viel mehr dazu sagen mögen. Angesichts der zeitlichen Begrenzung habe ich dann oft darauf verzichtet (oder musste von Ihnen gestoppt werden). Zudem ist es manchmal auch schwierig, auf bestimmte Fragen sofort in der Sitzung zu antworten. Vielleicht weil sie Sachverhalte betreffen, über die man sich zuvor noch nie Gedanken gemacht hat oder Dinge, über die man einfach nicht gerne spricht. Man antwortet dann meist trotzdem (weil es ja weitergehen muss), obwohl man mit der eigenen Antwort schon in diesem Augenblick unzufrieden ist – allerdings meist ohne den Grund dafür zu kennen.

Deshalb ist Ihr Email-Service für mich ein „Segen“. Er hebt den Zeitdruck der begrenzten Sitzungszeit auf und gibt mir die Möglichkeit, in aller Ruhe all das zu formulieren, was mir wichtig ist und in der Sitzung vielleicht viel zu kurz kam oder gar nicht angesprochen wurde. Außerdem kann ich das mit einer gewissen Anonymität tun (ich weiß, das hört sich abenteuerlich an, mir fällt aber keine bessere Umschreibung ein). Man muss das möglicherweise tatsächlich mit der vielzitierten Anonymität des Internets vergleichen, die es vielen Menschen ermöglicht, z.B. in Chatrooms Dinge über sich zu schreiben, die sie in einem persönlichen Gespräch nie über die Lippen bringen würden. Ich sitze hier und schreibe, der PC ist geduldig, nimmt alles einfach an, hat keine störenden Rückfragen, äußert keine inhaltlichen Zweifel. Ich kann Sie so an meinen Gedanken teilhaben lassen, ohne (sofort) einem Rechtfertigungs- oder Erklärungsdruck ausgesetzt zu sein.

Außerdem habe ich so die Möglichkeit, Sie mit zusätzlichen umfangreichen (Detail-)Informationen „zu versorgen“. Aus meiner Sicht kann eine Therapie nur erfolgreich sein, wenn der Therapeut seinen Patienten wirklich umfassend kennt. Und das ist m.E. in der kurzen Sitzungszeit nicht möglich. Allerdings habe ich festgestellt, dass mit den zunehmenden Informationen auch meine Erwartungen an Sie / an die Therapie sehr stark gestiegen sind. Der Gedanke „Jetzt weiß er doch wirklich alles, jetzt muss er es doch endlich mal verstehen“ umschreibt das wohl ganz gut.

Bleiben diese Erwartungen dann aber unerfüllt, macht sich sehr schnell Frustration breit und das setzt dann quasi einen „Teufelskreis“ in Gang. Man versucht das Ganze / das Gleiche immer und immer wieder mit anderen Worten darzustellen – die Informationsflut steigt. Man hat das Gefühl, die Komplexität habe exponentiell zugenommen, ohne das damit irgendetwas erreicht wurde. Und die Frustration wächst. Selbstzweifel kommen hinzu („Warum gelingt es dir nicht, das Ganze so darzustellen, dass er es versteht?“ „Oder sind deine Ansichten so weltfremd, dass er es nicht verstehen kann?“ usw.).

Nun könnte man auf den Gedanken kommen, dem den positiven Effekt entgegenzuhalten, den allein die Tatsache mit sich bringt, sich mal etwas von der Seele reden bzw. schreiben zu können. Diesen Effekt habe ich tatsächlich auch beobachtet. M.E. ist diese „Beschäftigungstherapie“ aber nur solange sinnvoll, wie die neuen, zusätzlichen Informationen auch in die (Sitzungs-)Therapie integriert werden (können). Alle diese sitzungsbegleitenden und –ergänzenden Möglichkeiten können das persönliche Therapiegespräch nämlich nicht ersetzen, in dem der Patient dann aber erwartet, dass der Therapeut ja nun umfassend genug informiert ist, um seine Lebenssituation vollumfänglich zu verstehen und das im günstigsten Fall auch zum Ausdruck bringt.

Ich glaube inzwischen, dass gerade diese zunehmende Informationsflut / Komplexität die „Achillesferse“ des Email-Service ist. Seine Grenze ist dort erreicht, wo die Grenze der Leistungsfähigkeit des Therapeuten erreicht oder gar überschritten wird. Führt das im Extremfall möglicherweise sogar dazu, dass der Therapeut eigenes Fehlverhalten nicht mehr erkennt, ist die Gefahr sehr groß, dass die Therapie allein an dem damit einhergehenden Vertrauensverlust des Patienten scheitert.