Grundidee
Wohnortnahe ambulante (berufsbegleitende)
psychosomatische Rehabilitation
Vorteile
1. Universal
Viele Patienten benötigen
psychosomatische Rehabilitationsmaßnahmen, können diese aber aus
unterschiedlichen Gründen stationär nicht wahrnehmen (Alleinerziehende
Frauen mit Kindern, Angstzustände, Unabkömmlichkeit vom Arbeitsplatz,
Sorgen vor Arbeitsplatzverlust)
2. Wirtschaftlich
Die ambulante
psychosomatische Rehabilitation bietet vergleichbare Leistungen weitaus
preiswerter an als die stationäre (Wegfall von Übernachtungs- und
Verpflegungskosten). Sie garantiert einen vergleichsweise höheren
Kosten-Nutzen-Effekt, weil sie aufgrund der vorgeschalteten ambulanten
Einzeltherapie geeignete und hochmotivierte Patienten für das
Rehabilitationsmodell auswählen kann (geringe "Versagerquote"). Die
Angebote des Modellprojekts werden schrittweise gemacht und erprobt (kein
„Alles-oder-Nichts-Prinzip“). Die stationäre Rehabilitation mündet sehr
oft in die Empfehlung einer weiterführenden ambulanten Rehabilitation und
macht diese nur selten entbehrlich.
3. Lebensnah
Die ambulante
psychosomatische Rehabilitation hat den großen Vorteil, den Patienten
nicht aus seinen sozialen Bezügen zu reißen und ihm den "Alltagsschock"
einer Rückkehr aus dem "Klinikparadies" zu ersparen. Es werden keine
falschen Erwartungen genährt, alle Maßnahmen sind "alltagskompatibel".
Problemlösungen und Verhaltensänderungen werden dort erlernt, wo sie zum
Tragen kommen sollen (im sozialen Umfeld); sie werden nicht in der
abgeschiedenen Welt einer oft entfernt liegenden Rehabilitationsklinik
entwickelt. Familie und Freunde sind immer einbezogen.
4. Berufsbegleitend
Im Gegensatz zur
stationären Rehabilitation ist die ambulante Rehabilitation vielfach mit
einer gleichzeitigen Berufstätigkeit kompatibel (gegebenenfalls ist dies
sogar wünschenswert). Für Hausfrauen mit kleinen Kindern wird die
Teilnahme an der Sporttherapie durch 10 Stunden Kinderbetreuung pro Woche
ermöglicht (zur Zeit noch kostenlos).
5. Integrationsfördernd/dauerhaft
Alle Maßnahmen sind
wohnortnah. Jeder Patient lernt daher wichtige psychosoziale Angebote
seines Lebensumfeldes kennen, die er auch nach Abschluss der
Rehabilitationsmaßnahme weiter nutzen kann. Zwischen den Patienten und den
gesunden Teilnehmern des Sportstudios entstehen Kontakte, die sich zu
einem bleibenden (und u.U. stützenden) sozialen Netz entwickeln können. Es
ist anzunehmen, daß eine 6-12monatige niederfrequente Therapie
dauerhaftere Ergebnisse erzielt als eine 4-6wöchige hochfrequente. Das
Gerätetraining ermöglicht sozialphobischen bzw. kontaktgestörten Patienten
einen schrittweisen Anschluss an Gruppen ("Einzeltraining in der Gruppe").
Die Herstellung eines Kontakts zum eigenen Körper ist ein wesentlicher
Schritt zur Verbesserung der Kontaktfähigkeit generell.
6. sinnvoll
Viele Patienten mit
psychosomatischen Leiden haben ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper,
das durch „klassische“ psychotherapeutische Maßnahmen weniger effektiv
verändert werden kann als durch körperlich-sportliche Selbsterfahrung. Das
selektive Trainieren von Muskeln und die Möglichkeit der Rückmeldung
(Spiegelbild, Betreuer) fördern die Körperwahrnehmung. Vor allem das
Erlebnis, körperliche Funktionen beeinflussen zu können, verringert
Gefühle von Hilflosigkeit (Versagensangst) und verhilft den Patienten zu
Autonomie (Kontrollgefühl) und der oft mangelnden Gewissheit, "etwas
bewirken zu können." Es ist die beste Methode, um Patienten dazu zu
bewegen, Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen
(Präventiveffekt!!!). Sozusagen im Vorübergehen werden zahlreiche
gesundheitsfördernde Effekte von Sport gleichsam mitgenommen
(Ökonomisierung der Herzarbeit, Kräftigung, Koordinationsverbesserung,
Stoffwechseloptimierung, Verringerung von sozialer Isolation).
Krafttraining wirkt dem weit verbreiteten Gefühl entgegen, ohnmächtig zu
sein, und verhilft besonders Frauen zu Selbstsicherheit und
Angstreduktion. Die Nutzung der durch Sportstudios angebotenen Trainings-
und körperlichen Selbsterfahrungsmöglichkeiten ist nicht nur
wirtschaftlich sinnvoll (kein Investitionsbedarf), sie darf angesichts von
mittlerweile 3,5 Millionen Studiobesuchern als Sportmöglichkeit mit hoher
Akzeptanz in der Bevölkerung angesehen werden. Gut geführte kommerzielle
Studios können im Gegensatz zu ehrenamtlich betriebenen Sportvereinen eine
personelle Kontinuität gewährleisten.
7. Flexibel/erweiter- und übertragbar
Im Sinne eines
Baustein-Prinzips lassen sich die Kernbestandteile der ambulanten
psychosomatischen Rehabilitation flexibel durch weitere sinnvolle
Interventionen (Entspannungs- und Körperbewusstseinsübungen,
Verhaltenstrainings zur Überwindung von Phobien, Ernährungsberatung,
Selbstverteidigungskurs oder Gestaltungstherapie) ergänzen. Die relativ
geringen Kosten der Sporttherapie können notfalls vom Patienten selbst
getragen werden. Die Kombination von psychotherapeutischer Einzeltherapie
und Gruppengesprächen, geschlechtsgetrenntem Einzeltraining und gemischtem
Gruppentraining erlaubt es, individuellen Problemen gerecht zu werden. Die
mittlerweile große Zahl ambulant tätiger Psychotherapeuten und
Sportmediziner sowie die vielen von Diplom-Sportlehrern geführten
Sportstudios laden dazu ein, das Modell auch anderenorts aufzugreifen.
8. Kompatibel
Die Organisatoren
glauben, einen Weg gefunden zu haben, bei dem das Kernmodell rechtlich mit
den derzeitigen Rahmenbedingungen kompatibel ist (Beispiel: Teilweise
Abrechenbarkeit bzw. Verhandelbarkeit mit den Krankenkassen). Für den
Start bedarf es also nicht der Entwicklung eines vollkommen neuen
Finanzierungsmodells. Strittig sind vor allem konzeptionelle Fragen
(Kombination von Einzeltherapie und Gruppengespräch beim gleichen
Therapeuten), was bei neuen Modellen aber zur Natur der Sache gehört.
Offen ist auch noch die Unterstützungsbereitschaft von Seiten der privaten
Krankenkassen sowie der Beihilfe.
9. Fortschrittlich
Das Modell ist
methodenintegrierend und bedient sich wirksamer und erprobter Elemente aus
tiefenpsychologischer Psychotherapie (Einzel- sowie Gruppengespräch,
Gestaltungstherapie), Verhaltenstherapie (hier als Sporttherapie) und
systemischer Therapie (Einbeziehung der Lebensumwelt des Patienten). Es
ist fachübergreifend und strebt auf regionaler Ebene eine Zusammenarbeit
unterschiedlicher Disziplinen an. Seine innovativer und sinnvoller Ansatz
wurde mittlerweile ärztlicherseits durch den Sportärztebund Nordrhein
anerkannt, der dem Modell im Oktober 1995 einen projektgebundenen
Förderpreis verlieh (DM 1.000.-). Das wissenschaftliche Niveau wird durch
eine im Aufbau befindliche Begleitforschung gesichert (Prof. Dr. Klaus
Schüle, Dr. Hubertus Deimel, beide: Institut für Rehabilitation der
Deutschen Sporthochschule Köln).
Modell-Verlauf
Das Modell sieht eine
stufenweise Entwicklung vor. In diese fließen sowohl die ständig
gesammelten Erfahrungen als auch die (hoffentlich!) zunehmenden
wirtschaftlichen und organisatorischen Möglichkeiten ein.
1. Stufe (Anfang 1995)
Kernangebot aus
Psychotherapie und Sporttherapie (siehe Schema). Die Psychotherapie umfaßt
vorwiegend Einzeltherapie (unterstützt durch "Bibliotherapie") und die
Vermittlung in wohnortnahe Selbsthilfegruppen. Die Sporttherapie sieht die
Ausarbeitung eines speziellen Trainingsprogramms und die Begleitung durch
geschultes Personal vor. Beide Maßnahmenpakete werden in einem
Rehabilitationsplan zusammengefasst. Sporttauglichkeitsuntersuchungen
werden von den Hausärzten durchgeführt. Zusätzliche Nutzung der
Trainingsstätten und allgemeinen Kursangebote nach ärztlicher Absprache.
Einbindung regionaler sozialer Beratungsangebote (Weiterbildung: Stadt
Köln, Sozialberatung: AOK und Selbsthilfeeinrichtungen) sowie der
örtlichen Ärzteschaft. Sammlung von Erfahrungen mit einzelnen Patienten.
Nur ausgewählte Indikationen werden zugelassen (insbesondere
Somatisierungsstörungen, Depression und Angstzustände). Optimierung der
erforderlichen Ausstattung des Sportstudios und der dort notwendigen
organisatorischen Abläufe. Das Untersuchungsinventar für die
wissenschaftliche Auswertung wird entwickelt und geprüft (z.B. FPI-R,
Frankfurter Selbstkonzeptskalen, Basler Befindlichkeitsbogen,
Trainingssammelkarte, Globalbeurteilungsskalen zu Wohlbefinden,
körperlicher und seelischer Gesundheit, sozialen Beziehungen,
Medikamentenverbrauch, Umfang von Haus- und Facharztkontakten,
Krankschreibungstagen und Krankenhausaufenthalten)
2. Stufe (Juni 1995)
Zusätzlich zur ersten
Stufe: Offene Gesprächsgruppe für alle Modellteilnehmer. Beratungen zur
gesunden Lebensführung (Streß, Angst, Ernährung), z.B. unter Einbeziehung
von Krankenkassenberatern, die im Sportstudio entsprechende Leistungen
anbieten. Körperbeewußtseins- und Entspannungstraining. Eventuell
spezielle Patienten-Trainingsgruppen (abhängig u.a. von der Teilnehmerzahl
des Modellprojekts). Beginn der wissenschaftlichen Begleitung und
Auswertung, u.a. auch in Form von Diplom-Arbeiten. Vorstellung des Modells
in der Öffentlichkeit (Preiswettbewerbe, Fachzeitschriften). Nachbefragung
der Teilnehmer ein Jahr nach Abschluss der Rehabilitation.
Zusammenstellung einer zweiten Patientengruppe, bei der die Sporttherapie
u.U. auch an anderen Trainingsstätten erfolgen kann (die dann aber nicht
mehr so sicher evaluierbar ist!). Suche nach Möglichkeiten, z.B. auch
Lebenspartner einzubeziehen (Paartherapie, Paartraining).
3. Stufe
Einbindung regionaler
physikalischer Behandlungsangebote (Bäder, Massagen), Aktivitäten
regionaler Sportvereine, gemeinsame Wanderungen u.ä. Eventuelle Aufnahme
weiterer Indikationen. Öffnung des Zentrums auch für andere
psychotherapeutische Praxen, Sportstudios und Sportvereine. Gründung eines
regionalen Qualitätszirkels.
Indikationen (vorläufig)
Somatisierungsstörungen
(undifferenzierte Schmerzen, Schwindel, Magenbeschwerden usw.)
Krankheiten mit psychischer Ätiologie (Asthma, endogenes Ekzem usw.)
Angstzustände (inkl. Phobien, Hypochondrie)
Depression
Alkoholismus und Medikamentenabhängigkeit (nach Entzug)
Zustand nach schweren körperlichen Traumen (Krebsoperation)
Körperschema- bzw. Körperwahrnehmungsstörungen (wie bei Essstörungen)
Träger der Maßnahme
Psychotherapeutische
Praxis Dr. Dr. Mück (Höhenhaus) und Sports Connection GmbH - Prävention
und Rehabilitation von zivilisatorisch bedingten Erkrankungen (Dünnwald,
Geschäftsführer: Gregory Janshoff, Arzt und Diplom-Sportlehrer).
Weitere wissenschaftliche
Mitarbeiter
Sporttherapie: Petra Boer-Janshoff
(Diplom-Sportlehrerin)
Projektname
Höhenhaus-Dünnwalder Rehabilitationszentrum
für psychosomatische Gesundheit
Wissenschaftliche
Begleitung
Da das Projekt bislang
offenbar einmalig ist, erfolgt auf Wunsch der Krankenkassen eine
wissenschaftliche Dokumentation, Auswertung und Betreuung. Diese wird
einerseits durch die Mitarbeiter (Ärzte, teilweise mit sportmedizinischer
und psychotherapeutischer Qualifikation, Diplom-Sportlehrer)
gewährleistet, andererseits durch die externe Betreuung durch ein
Forscherteam der Deutschen Sporthochschule gesichert (Prof. Dr. Klaus
Schüle, Dr. Hubertus Deimel, beide Institut für Rehabilitation). Auch eine
Begleitung in Form von Diplom-Arbeiten ist in die Wege geleitet. Die
Gruppengespräche werden von einem unabhängigen Fachmann supervidiert (Dr.
Rolf-Arno Wirtz, Köln)
Finanzierung
Mit Beginn der Stufe 2
muss eine Kostendeckung gewährleistet sein (u.a. durch eine ausreichende
Patientenzahl). In Stufe 1 wird durch Sondervereinbarungen mit
Krankenkassen ein Teil des erhöhten Aufwandes über ein monatliches Honorar
für Sporttherapie abgedeckt. Die "klassische" Psychotherapie (ebenso wie
die Hausarztuntersuchung) wird gesondert nach den verfügbaren EBM-Ziffern
abgerechnet. Die Gruppengespräche sind ab 01.01.96 durch die dann in Kraft
tretende EBM-Reform teilweise in Frage gestellt (Muss aufgrund von
Unstimmigkeiten des EBM noch geklärt werden). Für weitere
psychotherapeutische Maßnahmen bzw. die Modellbetreuung (insbesondere
Teambesprechungen) müssen neue Finanzierungswege gefunden werden.
Kostenlose Maßnahmen (Selbsthilfegruppen, Bildungs- und Sozialberatung)
werden nach Möglichkeit genutzt.
Stand: 01.02.1996 |