Nach nun einem Jahr, bzw.
14 Therapiedoppelstunden fühle ich mich deutlich besser, als in den
mindestens 8 Jahren vorher. Besser heißt, ich fühle mich in mir wohler,
ich akzeptiere mich besser und ich kann meine Gefühle bereits besser
deuten und damit wahrnehmen und sogar in immer häufiger werdenden Fällen
auch ausdrücken.
Ich habe das Gefühl, dass
die meisten Menschen, vor allem in meinem nahen Umfeld, damit besser zu
Recht kommen, obwohl ich nicht glaube, dass diese Veränderung allen
bewusst ist.
Damit einher geht auch
mein Bemühen, nicht mehr von mir auf andere zu schließen. In manchen
Fällen gelingt mir dies wirklich gut, dass ich Verhaltensweisen erklären
kann, so dass ich sie zwar nicht gut finde, aber eben verstehe. Für mich
selber ist der stete Versuch der Umsetzung von „China ist auch in
Deutschland“ ein großer Gewinn, weil ich dadurch einfach besser mit
vielen Sachverhalten und Emotionen v.a. meiner Freunde und Familie umgehen
kann.
Meine Selbstwahrnehmung
hat sich ebenfalls verändert. Ich empfinde viel mehr als noch vor einem
Jahr, vor allem achte ich nun auf Empfindungen. Das hatte bereits zur
Folge, dass ich Probleme nicht mehr einfach „weg-verdrängen“ kann, sondern
sie nun sozusagen mit mir austragen muss. Das war am Anfang sehr unbequem,
ich habe aber das Gefühl, dass es mir und meinem direkten Umfeld sehr viel
besser bekommt, weil ich dadurch auch emotionale Probleme nun sogar direkt
anspreche.
Weiter fällt mir auf, dass
mich betreffende Themen und Aussagen nun direkter bei mir ankommen. Nach
den ersten Therapiesitzen musste ich erst in Ruhe irgendwo allein sein, um
noch mal über das Gesagte nachzudenken und dann kamen schwallartig die
Emotionen hoch. Mittlerweile ist es so, dass ich direkter die
entsprechenden Emotionen fühle, die in mir aufkommen, einfach, weil ich es
zulasse und nicht mehr warten möchte, bis ich mich dann irgendwann alleine
damit auseinander setzen kann.
Der Umgang mit meinem
Therapeuten hat sich für mich gefühlsmäßig auch verändert. Noch in der 7.
Sitzung habe ich eher berufsmäßig sachlich mit ihm gesprochen, während ich
nun das Gefühl habe, aufgrund des bei mir gewachsenen Vertrauens, dass ich
offener bin und eher versuche, auch Empfindungen mit einzubringen (mal
abgesehen davon, dass dies sowieso stark erwünscht ist). Mir fehlen dabei
nach wie vor oftmals die Worte, aber es ist mir nicht mehr so unangenehm
und ich merke, dass es offenbar tatsächlich eine Übungssache ist, über
Gefühle zu sprechen. Dies wiederum erleichtert und freut mich, weil ich
bereits gemerkt habe, dass ich mir das Leben wesentlich schöner gestalten
kann, wenn ich Gefühlsthemen auch mal zur Sprache bringe und sie nicht wie
bislang ausschweige.
Das mich lange Jahre
beherrschende Gefühl der Traurigkeit und der Sinnlosigkeit
habe ich nun schon seit einigen Monaten nicht mehr in der Form gespürt,
wie noch vor einem Jahr. Traurigkeitsphasen setzen ab und zu noch ein,
aber sie dauern nicht lange (max. noch 1-2 Tage) an. Ich glaube, dass es
daran liegt, dass ich nun oftmals die auslösenden Gründe kenne und sie
dadurch besser verarbeiten kann. Ich stelle jedoch fest, dass, wie zum
Beispiel an Ostern, ich früher aufgrund des Verhaltens meiner Familie =
Nicht-Wahrnehmung meiner Person, nicht mehr traurig werde, sondern
ärgerlich. Das ist dann sicherlich für meine Familie nicht so schön, aber
für mich die verträglichere Variante.
Aufgrund der gefühlten
Sinnlosigkeit hatte ich eine besondere Affinität zu Brückenpfeilern.
Diese ist weg. Aufgrund meiner vielen Autofahrten passiere ich täglich
viele Pfeiler, habe aber schon seit Monaten nicht mehr das Bedürfnis,
dagegen zu fahren, ich denke meistens nicht mal mehr daran, dass ich das
lange Jahre gern getan hätte.
„Einfach tot umfallen“ ist
etwas anderes - wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich, wenn mir die
Möglichkeit angeboten würde, noch unbedingt spontan „ja“ sagen würde. Ich
stehe zwar morgens nicht auf und freue mich auf den Tag und die
Erlebnisse, die er bringen könnte, aber ich habe auch nichts mehr dagegen,
einen neuen Tag zu beginnen.
Sprachlich bin ich nach
wie vor bemüht, meine Relationsworte „aber“ und „wobei“,
Verallgemeinerungen wie „alle“ und „jeder“, Übertreibungen wie „extrem“
und Versachlichungen durch das Wort „man“ zu vermeiden, wo es nur geht.
Durch das Weglassen von „man“, was mir am Leichtesten fiel, habe ich
direkt einen Unterschied in der Wertigkeit meinen Aussagen feststellen
können. Ebenso versuche ich „müssen“ nicht mehr in Zusammenhängen zu
gebrauchen, wo ich ebenso gut z.B. „dürfen“ einsetzen kann.
Übrig bleibt nun noch das
schlechte Gewissen, dem wir noch ein wenig auf der Spur sind. Bislang bot
sich mir noch keine Gelegenheit, dagegen an zu gehen. Das ist insofern
schade, als ich sehr gespannt bin, wie sich das dann für mich anfühlt. |