London/Wien (pte/09.11.2005/12:21) -
Wissenschaftler der University of Bristol haben festgestellt, dass
sexueller Missbrauch von Kindern häufig im späteren Leben zu
Essstörungen führt. In einer groß angelegten Studie wurden 10.000 Frauen
untersucht. Die Essstörungen traten bei Frauen, die sexuell missbraucht
wurden, doppelt so häufig auf, berichten die Forscher in der aktuellen
Ausgabe des Wissenschaftsmagazins British Journal of Psychiatry
http://bjp.rcpsych.org.
Die Frauen, die unter Essstörungen litten, hatten nach Angaben der
Wissenschaftler um Rob Senior auch häufiger Gewichtsprobleme während der
Schwangerschaft. 79 Prozent der Befragten gaben an, dass sie eine
glückliche Kindheit hatten. Diese Frauen litten auch deutlich seltener
an Bulimie oder Anorexie. Hingegen waren die Zahlen der Essstörungen der
missbrauchten Frauen deutlich höher: 15 Prozent zeigten deutliche
Symptome einer Essstörung und 30 Prozent hatten Probleme mit ihrem
Gewicht während einer Schwangerschaft. Diese Frauen neigen nach Angaben
der Wissenschaftler auch dazu, ihre Babys nicht zu stillen.
In vorhergehenden Studien haben Wissenschaftler festgestellt, dass
Essstörungen mit Einflüssen einer unglücklichen Kindheit oder einer
unglücklich empfundenen Kindheit einhergehen. Dazu zählen etwa
Alkoholmissbrauch eines Elternteiles, physische oder emotionelle Gewalt
und andere familiäre Probleme. "Sexueller Missbrauch und Essstörungen
können sehr wohl zusammenhängen", zu diesem Schluss kommt die
Medizinerin und Psychotherapeutin Barbara Reiterer im
pressetext-Interview. "In älterer Literatur wurde eine Verbindung
zwischen den beiden bejaht, nach jüngeren Erkenntnissen allerdings
abgelehnt. Die Tendenz geht mittlerweile aber wieder dahin, die beiden
Fakten miteinander zu verknüpfen", erklärt die Expertin.
"Durch den Missbrauch entsteht eine Körperfeindlichkeit gegen den
eigenen Körper. Der Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und
Essstörungen liegt in einem veränderten Körperzugang. Es sind
verzweifelte, Versuche eine Zufriedenheit herzustellen und das seelische
Unbehagen wegzuwischen", so Reiterer. Allerdings könne diese
Zufriedenheit nicht erreicht werden, egal wie dünn ein Mädchen ist.
Schwangerschaft werde insofern zu einem Problem, als sie auf sexuelle
Aktivität hinweise.
Essstörungen sind weitgehend als Selbstwertprobleme zu bewerten, meint
die Medizinerin. Es komme aber auch vor, dass das Gefallen-Wollen zu
Identifikationsproblemen führe oder aus diesen resultiere. Ein anderer
Grund für Essstörungen sind gesellschaftliche Werte. "Wenn der
Selbstwert über das Gewicht bestimmt wird, ist das problematisch", meint
die Medizinerin, die auch als Schulärztin arbeitet. Dabei gehe es
vielfach um Gramm, die ausschlaggebend sind. Damit liegt der Grund für
die Essstörung hier nicht im Selbstwertgefühl, sondern in der
Gesellschaft", so Reiterer im pressetext-Gespräch abschließend. (Ende)
Quelle: pressetext Nachrichtenagentur GmbH |