fzm - Spindeldürre Models, aber auch einige
Sportlerinnen mit extrem niedrigem Körpergewicht gelten in der Öffentlichkeit
als "magersüchtig". Die Frauen leiden jedoch nicht notwendigerweise an einer
Anorexia nervosa, der klassischen Form der Magersucht, erläutert ein Experte
in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme
Verlag, Stuttgart. 2007).
"Nicht ein psychosomatisches Leiden, sondern der berufliche
Erfolg fordert das Hungeropfer" schreibt Professor Werner Golder aus Troyes in
Frankreich. Models hätten keineswegs eine Abneigung gegen das Essen, sie
hätten auch kein gestörtes inneres Verhältnis zu ihrem Körperschema. Sie seien
nur bestrebt, ihrem Körper die perfekte Kontur zu geben, welche die
Öffentlichkeit (und nicht etwa sie selbst) erwartet. Diese Form des Hungers
werde auch bei einigen Sportarten angetroffen. Denn beim Turnen, der
rhythmischen Sportgymnastik, dem Eiskunstlauf, im Skispringen oder
Wasserspringen komme es darauf an, eine gute Figur zu haben. Das gleiche gelte
für einige künstlerische Tätigkeiten wie Akrobatik, Ballett oder Tanz. Ein
Body Mass Index unter 17, der als Grenze zur Magersucht gilt, ist laut
Professor Golder bei Turnerinnen und Gymnastinnen der Weltklasse nicht die
Ausnahme, sondern die Regel.
Sportmediziner sprechen seit einiger Zeit von einer Anorexia
athletica. Sie könne zum Problem werden, wenn die Frauen sehr früh mit dem
Leistungssport beginnen oder Pubertätskonflikte bestehen. Das permanente
Hungern ist laut Professor Golder auch für Sportlerinnen gefährlich. Auch
ihnen drohen Mineralisierungsstörungen des Knochens und unfallbedingte
Verletzungen. "Spitzensportler bleiben jedoch vor den extremen Folgen der
Magersucht meist bewahrt, weil ihre Trainer um die Bedeutung der richtigen
Ernährung für die sportliche Leistung wissen und entsprechende Anweisungen
geben", schreibt Professor Golder. Vielen Models fehle dagegen eine ähnlich
sachverständige Vertrauensperson, die sie vor körperlichem Verfall und
Krankheit durch das extreme Hungern bewahre. Wegen der Ähnlichkeiten der
"Magersucht" bei Models und Spitzensportlern schlägt Professor Golder als neue
Krankheitsbezeichnung übrigens "Anorexia competitiva" vor.
W. A. Golder:
Anorexia competitiva – Das nosologische Konzept der Magersucht muss erweitert
werden.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2007; 132 (23): S. 1287-1288
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