Alles hat damit
angefangen, dass ich, wie im letzten Jahr mit meinen drei Freundinnen eine
Woche in Urlaub gefahren bin.
Im letzten Jahr war es
für uns alle das erste Mal.
Ich muss dazu sagen, dass
wir uns schon seit Jahren kennen, uns immer alles anvertrauen (zumindest
haben sie mir immer alles anvertraut) und uns bisher noch NIE gestritten
haben!
Naja, das letzte Jahr
war, wie gesagt, für uns alle eine Premiere.
Das erste Mal, dass wir
24 Stunden zusammen waren und jede Eigenart des anderen miterlebten.
Bisher wussten die drei,
dass ich eigentlich immer auf „Diät“ bin, aber wie genau diese „Diät“
aussieht, wussten sie nicht....
Über die Art und Weise,
wie ich Nahrung zu mir nehme, bzw. eben nicht zu mir nehme, haben sie sich
letztes Jahr, jede auf ihre Art, sehr aufgeregt (und sich Sorgen gemacht).
Deshalb hatte ich vor der
diesjährigen Reise auch ein wenig Angst. Innerlich habe ich mir gesagt,:
„Bitte lasst mich einfach in Ruhe und akzeptiert meine Art zu Leben“
Ich weiß nicht warum,
aber sie haben mich tatsächlich komplett in Ruhe gelassen. Keine
Kommentare wg. Essen oder anderer Marotten.
Für mich war der Urlaub
deshalb auch total schön und erholsam!
Aber halt nur für mich!
Denn die anderen drei haben sich Gedanken um mich gemacht.
Und am letzten Urlaubstag
kam dann meine Freundin P. (die mich am längsten von allen kennt) am
Strand auf mich zu und hat sich mit mir unterhalten.
Richtiger ausgedrückt.
wäre: Sie hat mich ins „Gebet“ genommen, mir ins Gewissen geredet.
U. a. sagte sie:„Ich habe
mir .lange überlegt, ob ich Dich überhaupt darauf anspreche. Vor allem,
Dich hier im Urlaub ansprechen soll. Aber nachdem ich Dich diese Woche
wieder erlebt habe, kann ich einfach nicht mehr!
Wir machen uns große
Sorgen um Dich!
Was ist los mit Dir?
Das mit den Diäten ist ja
alles gut und schön, aber so wie Du das machst, ist es nicht mehr in
Ordnung. Du siehst doch, dass selbst Dein Körper das mittlerweile nicht
mehr mitmachen möchte.
Es ist ja nicht nur Dein
Essverhalten, sondern insgesamt hast Du Dich total verändert!
Früher warst Du immer
unternehmenslustig, immer in Bewegung, immer gute Laune, immer am Lachen.
Heute ziehst Du Dich
total zurück, bist in Gesellschaft total ruhig, sagst kaum noch etwas.
Wenn wir uns nicht bei Dir melden, kommt von Dir selten etwas.
Gerade hier im Urlaub hat
Dein Körper oft einfach nur dabei gesessen, während Du mit Deinen Gedanken
irgendwo anders warst! Total apathisch.
Ich habe Angst!
Ich vermisse Dein
Lächeln!!
Bitte versprich mir, dass
Du, wenn wir wieder daheim sind, etwas dagegen (insbesondere gegen Dein
Essproblem) unternimmst.“
Wir haben dann noch lange
am Wasser gesessen und geredet.
Sie hatte Angst, dass ich
wütend werde und einfach gehe. Aber das Gegenteil habe ich gemacht.
Ich weiß nicht warum,
aber ihre „Stimme“ ist zu mir durchgedrungen!
- Vielleicht, weil die Zeit reif war?
-
Vielleicht, weil zu diesem
Zeitpunkt. ALLES schief lief (Arbeit, Gesundheit, Privatleben,
-
meine Gedanken)?
- Weil ihre Sorge und die meiner anderen
Freundinnen mich berührt haben?
-
Weil ich selbst gemerkt habe,
dass mein Körper diese Torturen nicht mehr „ohne Murren“ mitmachen möchte?
- Weil ich gemerkt habe, dass ich
(aufgrund jahrelanger Mangelerscheinungen?) nicht mehr leistungsfähig,
langsam und total vergesslich bin?
- Weil ENDLICH jemand mich darauf
angesprochen hat?
- Weil ENDLICH jemand angeboten hat, meine
„Hand zu nehmen und mir zu helfen“?
-
Weil ENDLICH jemand mir deutlich
gezeigt hat, „wir interessieren uns für Dich! Du
bist uns wichtig! Wir sind für Dich da! Nimm
unsere Hilfe an!“?
Ich weiß es nicht, aber
im Grunde ist es auch egal.
Denn dieses Gespräch hat
dazugeführt, dass ich angefangen habe, in meinem Leben etwas zu ändern!
Ich hatte meiner Freundin
versprochen, eine Therapie zu versuchen.
DAS war ja noch relativ
einfach.
Nach dem 3. Versuch habe
ich Gott sei Dank Dr. H. Mück gefunden!
Der auch relativ schnell
einen Termin für mich frei hatte.
Ich wusste nicht genau,
was mich bei ihm erwartet. Ich hatte keinerlei Vorstellung (außer dass ich
nicht auf „die Couch“ wollte) wie so eine Therapiestunde ablaufen würde.
Ich konnte mir auch nicht
vorstellen, dass er mir bei meinem „Problem“ helfen konnte. (Wobei ich eh
nicht davon überzeugt war, ein WIRKLICHES Problem zu haben)
Andererseits hatte ich
einen naiven Glauben daran, dass er vielleicht einfach nur „Schnipp“
machen muss und alle meine Problemchen lösen sich auf. Er zeigt mir, DEN
idealen Weg!
Nun gut, sooo einfach war
es dann doch nicht.
Denn schließlich bin ganz
allein ICH für mein Leben, mein Tun und den Konsequenzen verantwortlich!
Als ich dann das erste
Mal in seiner „Praxis“ war, war ich mehr als überrascht.
Die Praxis ist in seinem
Haus (was ich als sehr angenehm empfand), sehr freundlich und gemütliche
eingerichtet und mit immer wieder neuen Utensilien ausgestattet, so dass
es immer etwas Neues zu entdecken gibt. Allein der Raum nahm mir das
Gefühl, beim Arzt zu sein.
Als wir dann mit der
„Therapiestunde“ anfingen, war es von Anfang an so, als ob wir uns schon
Jahre kennen würden.
Dr. Mück hat sich
in keinster Weise wie ein Therapeut verhalten, sondern eher wie eine
Vertrauensperson!
So habe ich mich auch
direkt in der ersten Stunde getraut, Dinge laut auszusprechen, die ich
bisher noch NIE jemandem gegenüber erwähnt habe!!
Er nahm mir auch meine
Angst und Bedenken, dass ich mich nur anstelle. Er hat mir von Anfang an
das Gefühl gegeben, dass er mir zuhört weil es ihn INTERESSIERT und
NICHT WEIL es SEIN JOB ist.
Was ich
besonders toll fand (und woran ich mich erst ganz langsam gewöhnen kann )
ist seine Aussage, dass „ich der Chef bin! ICH bestimme, was und wie wir
vorgehen!“
Das ist etwas, was ich
bisher nicht kannte. Denn bisher habe ich immer anderen erlaubt, über mich
und mein Leben zu bestimmen.
Was teilweise anstrengend
aber letztendlich sehr gut war und ist, ist die Art seiner Vorgehensweise:
Es findet nicht nur ein
„einfacher“ Dialog statt, sondern Dr. Mück gibt mir immer wieder
Arbeitsmaterial mit.
So muss ich mich auch
nach unseren Stunden immer wieder mit dem Thema auseinander setzten und
kann nicht einfach davor „flüchten“.
So sollte ich z.B. im
Internet Informationsmaterial über das Thema „Essstörung“ suchen.
Das war einerseits recht
aufwühlend für mich. Andererseits war es das erste Mal, dass ich mich
bewusst mit diesem Thema auseinander gesetzt habe. Bisher war es so, dass
ich (wenn überhaupt) zugeben wollte, dass ich ein KLEINES Problem mit dem
Essen habe, aber ansonsten wollte und konnte ich mich nicht mit
essgestörten Personen identifizieren und vor allem, NICHTS über diese
Thema hören oder lesen!
Während ich für Dr. Mück
recherchierte, habe ich die unterschiedlichsten Gefühle erlebt.
Einerseits fand ich die
Informationsberichte über „Bulimie“ sehr interessant und aufschlussreich.
Andererseits haben mir
die Berichte der Betroffenen geholfen, über mich selber nachzudenken. Denn
oft hatte (und habe) ich das Gefühl, ich gehöre NICHT dazu, bei mir ist
das alles nicht so schlimm.
Außerdem ging es mir oft
so, dass ich aufgeben wollte!
Ich konnte mir einfach
nicht vorstellen, OHNE das Thema ESSEN durch den Tag zu kommen, eines
Tages tatsächlich „normal“ und OHNE schlechtem Gewissen zu essen.
Es gab auch Tage, in
denen ich mich einfach geweigert habe, damit aufzuhören.
Durch die
Erfahrungsberichte der Betroffenen habe ich aber feststellen können, dass
das ein „normaler“ Ablauf ist. Dass es anderen bei ihrer „Genesung“
genauso geht. Das diese Gedanken und Gefühle einfach DAZU GEHÖREN.!
Auch die anderen
Arbeiten, die mir Dr. Mück aufgegeben hat, waren letztendlich nur
hilfreich, mich mehr mit meinen Problemen und vor allem mit mir selbst
auseinander zu setzten.
Aber die bisher 3 besten
Aufgaben, die ich bewältigen musste, waren
-
die Selbsthilfegruppe
-
der Sport
-
die Aufzeichnungen der
jeweiligen Stunden
Gegen die
Selbsthilfegruppe z. B. habe ich mich innerlich total gesträubt, u. a.
weil ich absolute Vorurteile dagegen hatte. Und ich mir einfach nicht
vorstellen konnte, in wiefern mir diese Gruppe helfen soll.
Da ich ihm aber
versprochen habe, mal eine Selbsthilfegruppe zu besuchen, habe ich auch
diese „Aufgabe“ nach längerem Zögern erfüllt.
Ich war mehr als angenehm
überrascht, dass sie mir wirklich etwas bringt!
Diese Gruppe trifft sich
alle zwei Wochen und dort wird u. a. erzählt, wie es einem geht, welche
Gedanken man hat, und vieles mehr.
Was daran so gut ist, ist
einfach die Tatsache, dass man das Gefühl hat, nicht alleine zu sein. Da
sind Menschen, die wissen ganz genau, warum Du das machst, welche Gedanken
in Deinem Kopf sind, sie hören Dir zu und können mitreden. Und sie geben
Dir Hoffnung, dass auch DU es schaffen wirst!
Hier fühlt man sich
verstanden und was das schönste Gefühl dabei ist, DU kannst ihnen auch
helfen!!!
Ich freue mich jedes Mal,
wenn die zwei Wochen um sind und ich wieder hingehen kann.
Was die Sporttherapie
angeht, war es ähnlich.
Zunächst habe ich mich
auch hiergegen innerlich gewehrt und nur durch Versprechen gegenüber Dr.
Mück, Claudia (eine der Trainerinnen aus dem Studio) und gegenüber meiner
Freundin habe ich mich zwingen können, dorthin zu gehen.
Die erste Stunde war
schrecklich!
Überall Spiegel und
überall Frauen, die die Übungen perfekt beherrschten und die so toll
aussahen.
Ich wollte nicht wieder
dorthin, auch wenn mir der Kurs an sich sehr viel Spaß gemacht hatte.
Aber versprochen ist
versprochen.
Nachdem ich das zweite
Mal dort war und alle mich so freundlich begrüßt haben, war es auch nicht
mehr so schlimm.
Mittlerweile versuche ich
mind. 3x die Woche zum Sport zu gehen. Und wenn ich aus irgend einem Grund
eine Stunde ausfallen lassen muss, fehlt mir etwas und ich fange wieder
an, mich „dick“ zu fühlen.
Aber die Aufzeichnungen
der jeweiligen Stunden sind meiner Meinung nach die beste „Idee“
überhaupt!!!
Denn in den jeweiligen
Stunden kommen so viele Themen zur Sprache, dass man nicht alles sofort
verarbeiten kann.
Durch das Aufzeichnen
wird alles noch einmal wiederholt. Dadurch denkt man noch einmal, diesmal
mit Abstand, über das Gesagt nach.
Oft habe ich sogar das
Gefühl, „Hallo, da wird über jemand anderes gesprochen“
Interessant ist auch,
dass das Essproblem NICHT die URSACHE, sondern die Auswirkung, der
Hilfeschrei ist!
Meist gibt es auch nicht
nur eine Ursache, sondern viele verschiedene Ursache zusammen führen zu
diesem „Hilfeschrei“!
Herr Dr. Mück hat mit mir
zusammen festgestellt, dass eins meiner Ursachen, meine übertriebene Scham
ist.
Ich einen (z. Z. NOCH)
sehr lauten Moralapostel in mir habe, der mir immer wieder innere Regeln
und Gesetzte nennt, wie ich mich zu verhalten habe.
Hier versuchen wir, diese
Gesetze und Regel umzustellen, was mir zeitweise sehr schwer fällt, da ich
mich schon so lange nach diesen Sätzen richte.
Aber es gelingt mir immer
häufiger, mich dagegen zu wehren und mich genau gegensätzlich zu
verhalten.
Der (unbekannte) Erfolg
stellt sich auch immer sofort ein!!
Das ist etwas, was
motiviert!
Ich fange z.B. an, meine
Gedanken, Gefühle und das was ich möchte und denke, auszusprechen (der
Moralapostel hat das immer verboten). Und interessanter Weise sind die
Reaktionen darauf immer mehr als positiv!!
„Sag das was Du denkst,
fühlst und möchtest! Sei ehrlich! Sei offen! Nehme Deinem gegenüber die
Täuschung!!! Denn GENAU das möchtest Du umgekehrt auch!“
Aber den größten
Meilenstein haben wir in unserer letzten Stunde (an meinem Geburtstag)
herausgefunden:
Ich flüchte wohl vor
meiner „schwachen“ Seite!
Ich mag das Gefühl
einfach nicht, jemanden zu brauchen, abhängig zu sein, Schwäche zu zeigen,
von jemandem Hilfe anzunehmen.
Sobald ich dieser
„Schwäche“ einmal nachgegeben habe, fange ich an, zu essen!!!
Hier werden wir mit
Sicherheit noch mehr herausfinden.
Davor habe ich Angst,
aber ich bin auch neugierig!
Demnächst werde ich für
einige Zeit in eine Klinik gehen. Ich hoffe, dass ich dort noch mehr
Fortschritte machen werde.
Denn alle glauben an den
Erfolg und ich....
....Mittlerweile auch!!!!
Zum Abschluss möchte ich
einfach noch einmal sagen, dass ich nach wie vor Angst vor dem Essen, bzw.
den Konsequenzen habe.
Aber ich WEIß, dass ich
diese Angst eines Tages überwinden werde.
Und auch wenn ich oft
sehr ungeduldig bin und das Gefühl habe, ich komme nicht vorwärts, im
Gegenteil, ich bewege mich rückwärts, werde ich NICHT AUFGEBEN!!
Ganz tief in mir weiß
ich, dass ich schon angefangen habe, mich zu verändern!
„Rom ist auch nicht an
einem Tag erbaut worden, dort gab es auch viele Baustellen. Genau wie bei
mir!“ |