Zu Anfang möchte ich kurz erwähnen, dass es
für mich völliges Neuland war, zu einem Psychologen zu gehen. Was sollte
ich dort - mit 28 Jahren. Zu einem Psychologen zu gehen, gehört doch
nur in den USA zum guten Ton, dachte ich.
Letztendlich beschritt ich den Weg einen
Psychologen aufzusuchen, weil ich professionelle Hilfe brauchte und
erhoffte, sie leider in Form der Psychoanalyse jedoch nicht fand. Dazu
später.
Zunächst einmal der
Hintergrund.
Mein Problem lag darin,
dass meine Freundin mich nach langjähriger Beziehung verließ. Gerade
hatten wir eine schwere Zeit zusammen überstanden. Wir hatten beide
Examen gemacht. Wie konnte das sein, wo diese Frau mit mir Zukunftspläne
geschmiedet hatte?
Eine Welt brach für
mich zusammen. Gedanken; Weinkrämpfe quälten mich.
Das Leben machte keinen
Sinn mehr. Suizidgedanken kamen ein ums andere Mal hervor. Die Hoffnung
auf einen Neuanfang wurde im Keim erstickt.
Der einzige Weg aus
diesem Loch herauszukommen schien mir in einer psychologischen Therapie
zu liegen.
Problem: welche Art von
Therapie. Verhaltenstherapie? Analyse?....
Was mich dazu bewegte,
eine analytische Therapie zu begingen, kann ich nicht mehr mit
Sicherheit sagen. Von verschiedenen Stellen hatte ich jedenfalls gehört,
dass dies mir helfen könne.
Um das Ergebnis vorweg
zu nehmen. Die Therapie war ein Flop. Zudem geriet ich an einen
Therapeuten, für den diese Berufsbezeichnung sehr schmeichelhaft ist.
Psychoanalyse kann aus
meiner Sicht lediglich dazu dienen bestimmte Dinge theoretisch
festzuhalten, sie ist jedoch nicht geeignet Probleme zu lösen/ zum
Positiven zu ändern.
Psychoanalyse stellt
für mich etwas sehr Abstraktes dar, das an der Realität vorbeigeht.
Meinen ersten
analytischen Therapeuten besuchte ich im August 2004. Er bat mich
höflich in sein Zimmer, ließ mir Zeit, einen Platz im Raum zu suchen, wo
ich sitzen wollte, und begann anschließend mit Fragen aus der Kindheit.
Insgesamt besuchte ich
diesen Herrn 5 oder 6 mal.
Letztlich brach ich
diese Therapie dann ab, weil einige Dinge für mich unbefriedigend waren
und mir auch suspekt erschienen.
Warum sollte ich auf
einer Couch liegen, meinen Therapeuten nicht anschauen dürfen? Warum
sollte ich die Therapietage für die nächsten 2 Jahre, wie mir mitgeteilt
wurde, mit Datum und Uhrzeit bereits jetzt festlegen? Er teilte mir mit,
dass es ihm auch egal sei, ob ich jetzt schon wisse, welche beruflichen
Termine ich in der Zukunft wahrzunehmen habe. „Sie haben immer an diesem
Tag einen Termin und das bleibt so, komme was wolle. Wenn sie nicht
kommen, zahlen sie trotzdem. Ich mache ein mal im Jahr Urlaub und das
ist die einzige Zeit, zu der auch Sie was einplanen können“. Ich war
schockiert.
Durch diese Aussagen
konnte sich kein Vertrauensverhältnis aufbauen. Mir erschien es, als
habe dieser Mann lediglich Interesse, Geld abzuschöpfen und das um jeden
Preis.
Nach so einer
enttäuschenden Erfahrung unternahm ich Recherchen im Internet und stieß
auf einen Analytiker aus Bonn. Ich dachte: Jemand der in der
Therapeutenkammer in NRW eingeschrieben ist, versteht sein Handwerk.
Schnell war ein Termin vereinbart und Herr X empfing mich höflich und
nett.
Die ersten Sitzungen
fanden im Sitzen statt. Ich konnte den Therapeuten ansehen und seine
Mimik und Gestik erkennen. Ich fasste Vertrauen.
Sollte ich hier richtig
sein? Ja, dass dachte ich zumindest.
Nach etwa 5-6 Stunden
fand die Therapie im Liegen statt. Ich schaute auf eine Wand und konnte
dem Therapeuten nicht mehr in die Augen schauen. Unbefriedigend und
nicht hilfreich nach meiner Ansicht. Warum muss sich der Therapeut in
meinem Rücken verstecken? dachte ich. Er sollte doch meine Augen sehen
und spüren, wie ich empfinde.
Letztlich wurden meine
Probleme (Depression, Ängste etc. ) jedoch in keiner Weise gelöst. Es
trat nicht mal eine Besserung ein. Hatte ich dem Therapeuten zu wenig
Zeit gelassen? Wohl kaum, bei mehr als 100 Therapiestunden. An meinem
Willen lag es auch nicht.
Um eines vorweg zu
schicken: Ich hatte keine Probleme damit, mich dem Therapeuten zu
öffnen.
Mehrfach versuchte ich
Herrn X in den einzelnen Stunden zu erklären, wie es mir ging, welche
Ängste ich habe, welche Gedanken mich bewegten, und fragte nach Auswegen
aus diesem Dilemma. Zudem wies ich ihn mehrfach darauf hin, dass auch
meine Familie sich Sorgen machte. Als meine Mutter ihn einmal höflich
per Telefon kontaktierte - mit meinem Einverständnis -, legte Herr X
einfach den Telefonhörer auf mit der Aussage: er wisse was er tue; man
solle ihn nicht bei seiner Arbeit stören.
Bei welcher Arbeit?
Ich wies ihn mehrfach
darauf hin, dass bisher keine Besserung eingetreten sei und fragte ihn,
wie es weitergehen solle.
Alle Aussagen
meinerseits nahm Herr X mit einem Schmunzeln hin. Teilweise schwieg er
auch einfach mal die halbe Zeit der Sitzung.
Ich lag auf der Couch
und dachte: Was mache ich eigentlich hier. Ich suche doch Hilfe. Warum
nimmt man mich nicht ernst? Wieso spricht Herr X nicht mit mir?
Diese Verhaltensweise
des Therapeuten machte mich traurig und gleichzeitig ärgerlich. Ich ließ
ihn dies auch wissen... Ich fragte ihn, warum er mich nicht ernst nehme
und teilte ihm mit, dass ich mich unverstanden fühlte. Auch sagte ich
ihm, dass ich jetzt alles in der Stunde gesagt habe und gerne seine
Meinung hören würde.
Seine Antwort war: Sie
haben doch keine Depression, keine Ängste. Das bilden sie sich ein. Sie
spielen Schach im Kopf, versuchen mich zu manipulieren. Aber das gelingt
ihnen nicht. Ihr Problem ist ein moralisches. Sie sind so erzogen
worden.
Und jetzt? fragte ich
ihn. Wie soll es weitergehen? Ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels,
bin verzweifelt, hilflos, ratlos. Alle ihre Aussagen sind abstrakt und
schön zu hören. Aber die Praxis sieht anders aus.
Seine Antwort:
„Überdenken Sie ihre Moral und dann hat die Natur es so eingerichtet,
dass Sie eine neue Partnerin finden." „Im Übrigen ist alles nicht so
schlimm, Sie haben doch sicherlich keine Weinattacken mehr.“ Ich war
frustriert. Zu Beginn jeder Stunde teilte ich ihm mit, wie oft ich in
meinen eigenen 4 Wänden mit Grübelei und Weinen verbrachte. Hörte er mir
nicht zu?
Den erwähnten Satz
musste ich mir jede 2. Stunde anhören. Was sollte ich mit dieser Aussage
anfangen? Ich benötigte praktische Hilfe und keine Floskeln.
Fazit bezogen auf
den Analytiker:
Insgesamt stellte sich
dieser Analytiker ebenso wie der erste, bei dem ich wie dargelegt nur
wenige Stunden verbrachte, trotz seiner langjährigen Erfahrung als eine
Person dar, die in ihrer eigenen Welt lebt, weit ab des normalen Lebens.
Immer wieder fragte er mich an verschiedenen Punkten, ob das unter
jungen Erwachsenen so üblich sei. Er kenne sich da nicht aus. – und
dieser Mann wollte mir helfen, wenn er lediglich in seinen
Therapieräumen lebt und die Außenwelt nur scheinbar wahrnimmt.
Nach über einem halben
Jahr der Therapie stieß ich auf einen ausführlichen Artikel in der
Zeitschrift Stern, der sich mit Psychotherapie beschäftigte.
Ich konfrontierte Herrn
X mit diesem Artikel und dessen Aussagen (z. B. kognitive Therapie ist
hilfreich, Analyse hilft nur den wenigsten Patienten; es ist möglich in
30 Stunden therapiert zu sein etc. )
Herr X setzte wieder
sein Schmunzeln auf und merkte an: Ich weiß, dass es viele Therapeuten
gibt, die Kritik an der Analyse äußern. Im Endeffekt kommen aber alle
zum gleichen Ergebnis. Dann schwieg er.
Nach weiteren
frustrierenden Stunden kam ich zu dem Schluss, dass ich einen anderen
Weg beschreiten muss. Die Psychoanalyse und dieser Therapeut waren
Zeitverschwendung.
Ich suchte nach
Alternativen und fand Herrn M. in Köln. Diesen suchte ich alsbald auf.
In unserem zweiten
Gespräch vereinbarte ich mit ihm, dass ich den Analytiker zu weiteren 5
Stunden aufsuchen werde, um diese Therapie „sauber“ abzuschließen. Herr
M. teilte mir mit, dass es sein könne, dass diese 5 Stunden im Endeffekt
hilfreicher sein könnten, als alle Stunden zuvor. Grund: Der Analytiker
würde sich besonders mühen, weil auch ihn daran gelegen sei, die Gründe
der „ Nichtbesserung“ aufzuarbeiten.
Gegenüber Herrn M
deutete ich an, dass der Analytiker mir in der Vergangenheit mitgeteilt
hatte, dass schon einmal ein Patient frustriert und sauer seine Praxis
verlassen hatte und er, Herr X, dafür nur ein müdes Lächeln übrig habe.
Daraufhin äußerte Herr
M., dass es sein könne, dass Herr X gekränkt sei, ich da aber durch
müsse.
Gesagt getan. Am
1.7.2005 suchte ich den Analytiker auf, um mit ihm offen über das
Bisherige zu sprechen. Ich bat ihn um ein Gespräch von Angesicht zu
Angesicht.
Rückblickend teilte ich
ihm mit, dass ich keinen Schritt weitergekommen sei, dass die Analyse
womöglich ungeeignet sei.
Herr X war anfangs sehr
ruhig, lachte ab und zu ( wobei man nie weiß ob er über den Patienten
oder über die Situation lacht - was ich ihm auch mitteilte: „Ich komme
mir auf den Arm genommen vor, wenn sie jetzt wieder so lachen“ ).
Die Situation wurde in
dem Moment um und wurde unschön, als ich ihm sagte: "Herr X, ich habe
mir Gedanken gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich eine
Verhaltenstherapie mache“.
In diesem Moment sprang
er von seinem Sitz auf, sagte: „Verlassen sie sofort meine Praxis!“
Ich entgegnete, dass
ich dieses Verhalten jetzt nicht verstünde. Er entgegnete: Ich bin
gekränkt und habe keine Lust mehr auf sie.
Ich bin „gegangen
worden“, d. h. an diesem Punkt machte ich einen Fehler. Mit gesenktem
Kopf verließ ich die Praxis, wie ein „reuiger Hund“, der etwas Schlimmes
verbrochen hatte. Dabei hatte ich nur offen gesprochen und ihn nicht
persönlich angegriffen.
Anmerkung von Dr. Mück: Der Patient wuchs vaterlos bei Mutter und
Großeltern auf und erhielt erst im Alter von 14 Jahren einen Stiefvater.
Von letzterem fühlte er sich allenfalls geduldet. Nach einem
einschneidenden Trennungserlebnis stößt er auf zwei Analytiker, die
durch ihre Methode und ihr Verhalten seinen Wunsch nach einer
hilfreichen Vaterfigur bzw. nach Verbundenheit und Empathie massiv
enttäuschen und damit sein Leid eher vergrößern als verringern.
|