Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Therapeutische Beziehung und CBASP überwinden chronische Depressionen

(CBASP = Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy)
 

 

Chronische Depressionen haben bis heute keine sehr erfreuliche Prognose. An dieser ungünstigen Perspektive könnte sich in absehbarer Zeit einiges zum Guten wenden, sofern die von James P. McCullough schon vor mehr als einem Jahrzehnt entwickelte Methode CBASP bei chronisch depressiven Patienten konsequent zur Anwendung kommt. CBASP steht für Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy und wurde bereits im Jahr 2000 in einem umfangreichen Manual beschrieben, das 2006 auch in deutscher Sprache erschien (Psychotherapie der chronischen Depression. Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy - CBASP. Urban & Fischer 2006). Dass dieses Konzept bisher nur langsam von der deutschen Psychotherapie rezipiert wurde, dürfte an der sehr nüchtern-formalen und dadurch teilweise etwas trocken-theoretisch wirkenden Darstellungsweise der damaligen Publikation gelegen haben. Diese Situation ändert sich mit dem 2012 im Springer Verlag erschienenen Folgewerk. Bereits der Titel „Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer Depressionen“ ist richtungsweisend. Er verdeutlicht, dass es eben nicht nur um kognitive Therapie im herkömmlichen verhaltenstherapeutischen Sinne geht, sondern um die Nutzung der therapeutischen Beziehung als Methode und Instrument. Um es direkt auf den Punkt zu bringen: CBASP geht davon aus, dass chronische Depressionen sehr oft mit anhaltenden interpersonellen Problemen und einer darauf bezogenen Hoffnungslosigkeit einhergehen. Auf dieses Merkmal und die Möglichkeit des Um- und Neulernens konzentriert sich der CBASP-Therapeut, indem er dem Patienten durch authentische Rückmeldungen sein eigenes Erleben des Patienten in der therapeutischen Beziehung transparent macht. So wird dem Patienten (oft erstmalig!) bewusst, dass er selbst sehr wohl einen Einfluss auf interpersonelle Situationen hat und dass er künftig bei verändertem Verhalten auch andere Ergebnisse erzielen kann, als es bislang der Fall war. So wird ein CBASP-Therapeut sofort und angemessen mitteilen, wenn er sich durch ein Verhalten des Patienten verletzt oder in anderer Weise emotional berührt fühlt. Dann wird er gemeinsam mit dem Patienten prüfen, ob das betreffende Verhalten dem Patienten bereits vertraut ist, weil er ähnliches schon in einer ihn prägenden früheren Beziehung erfahren hat (oft sogar wiederholt und über lange Zeit).

Im letzten Schritt gilt es dann, die Wahrnehmung des Patienten dafür zu schärfen, dass sein Verhalten im Hinblick auf die Situation im Hier und Jetzt unangemessen war, weil Person und Verhalten des Therapeuten sich deutlich von der früherer Bezugsperson unterscheiden. Gelingt dieses Vorgehen, erlangt der Patient mehrere Einsichten: 1. Ihm wird bewusst, dass er bislang in starren und für seine Lebensbewältigung wenig hilfreichen Vorstellungen gefangen war und dadurch andere Menschen ungenau bzw. verzerrt wahrnahm. 2. Er erfährt, dass er keineswegs von seiner Umwelt isoliert ist, sondern untrennbar mit dieser in Wechselwirkung steht („Bidirektionalität von Interaktion“). 3. Er erlernt am Modell der therapeutischen Beziehung („prozedurales Lernen“) neue Beziehungsfertigkeiten, so dass er sich von bisherigem unpassendem Verhalten immer leichter lösen kann. 4. Langsam kann sich so ein Gefühl von eigener „Wirksamkeit“ und damit schrittweise auch von Hoffnung entfalten, verbunden mit der Bereitschaft zunehmend Verantwortung für das eigene Verhalten und dessen Konsequenzen zu übernehmen. Da eine solche Entwicklung mit „Depression“ nicht länger vereinbar ist, nehmen depressive Gefühle zunehmend ab. Neben dieser für CBASP charakteristischen Vorgehensweise („interpersonelle Diskriminationsanalyse“) gibt es noch eine zweite zentrale Besonderheit der Methode: die „Situationsanalyse“. Auch sie dient dem Zweck, dem Patienten  aufzuzeigen, dass sein bisheriges Verhalten wenig geeignet ist, diejenigen Ergebnisse zu erzielen, die er sich eigentlich wünscht. McCullough schlägt dafür das folgende sechsstufige Vorgehen vor: 1. Beschreiben der belastenden Situation. 2. Bisherige Interpretationen dieser Situation durch den Betroffenen. 3. Beschreiben des eigenen Verhaltens in der fraglichen Situation. 4. Aufzeigen, zu welchem Endergebnis die Situation führte. 5. Beschreiben, welches Ergebnis eigentlich erwünscht war. 6. Vergleich des (bisher) erzielten mit dem eigentlichen Ergebnis. In der nun folgenden „Lösungsphase“ werden vor allem die Punkte 2 (bisherige Interpretationen) und 3 (bisheriges eigenes Verhalten) darauf überprüft, inwieweit sie sich zum Erzielen des erwünschten Ergebnisses eignen. In aller Regel merken die Patienten, dass sie viele ihrer Interpretationen und Verhaltensweisen tunlichst revidieren sollten, was dann mit Hilfe des Therapeuten auch versucht werden kann. McCullough empfiehlt, die hier skizzierten Schritte und Elemente konsequent zu vollziehen und sich nicht zu anderen Themen oder Aspekten vom oft sprunghaft wirkenden Patienten verführen zu lassen. Wie der Autor schon in seinem früheren Buch hervorhob, will CBASP den Patienten darin unterstützen, einen entwicklungspsychologischen Stillstand auf einem „präoperatorischen“ Stadium (nach Piaget) zu überwinden. Dazu fördert CBASP die Fähigkeit des Patienten, Probleme in sozialen Beziehungen „formal operatorisch“ zu lösen und sich in sozialen Beziehungen empathisch aufgeschlossen zu verhalten. Erläuterung: Präoperatisch denkende Menschen haben eine hartnäckige eigene Weltsicht, die sie nicht überprüfen oder hinterfragen; ihre Wahrnehmung wirkt von der Umwelt entkoppelt. Ihr Lebensstil ist stark egozentrisch, „ich, mir und mein“ sind die am häufigsten verwendeten Wörter, Empathie kann nicht empfunden und Emotionen nur schwer oder kaum kontrolliert werden. Auf einem formal operatorischen Funktionsniveau sind Menschen dagegen in der Lage zu erkennen, welche Konsequenzen ihr Verhalten hat, und Empathie wird möglich.

Quelle:
McCullough, James P.: Therapeutische Beziehung und die Behandlung chronischer Depressionen. Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy. Springer Verlag 2012. ISBN 978-3-642-19638-6. 175 Seiten. Euro (D) 39,95, Zum Buch auf der Verlagsseite