Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Umgang mit Suizidalität

 

Hinweise für Bezugspersonen


Wichtige Vorbemerkung:
Die folgenden Informationen ersetzen nicht die meist zwingend gebotene fachliche Behandlung! Sie sind daher auch keine Einladung, therapeutische Verantwortung zu übernehmen. Nutzen Sie die folgenden Anregungen, um akute Krisen zu entschärfen. Erleichtern Sie es der suizidalen Person, sich kompetenten Fachleuten anzuvertrauen oder sich Entlastung durch einen Krankenhausaufenthalt zu gönnen.

Sich von Vorurteilen befreien

Befreien Sie sich von dem Mythos, dass Sie durch entsprechende Fragen einen anderen Menschen überhaupt erst auf die Idee eines Suizids bringen (Vielleicht haben Sie selbst Hemmungen, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen). Indem Sie mögliche Suizidgedanken offen und taktvoll ansprechen, erleichtern Sie den Kranken. Sie helfen ihm, sich von der Last seiner schrecklichen Vorstellungen zu befreien und seine Gedanken in anderem Licht zu sehen. Falsch sind folgende Annahmen: 1. Wer über Suizid spricht, tötet sich nicht. 2. Suizide geschehen ohne Vorwarnung. 3. Wer von sich aus über Suizid spricht, will nur Aufmerksamkeit erheischen oder Mitmenschen manipulieren. 4. Einer Suizidandrohung nimmt man den Wind aus den Segeln, indem man den Kranken mutig konfrontiert („Dann mache es doch“).

Suizidgedanken taktvoll ansprechen

Laden Sie die suizidale Person ein, über ihre Situation zu sprechen. Signalisieren Sie, dass Sie vor allem zuhören wollen und sich dafür eine bestimmte Zeit nehmen werden. Ermutigen Sie den Kranken, insbesondere auch seine Gefühle mitzuteilen. Lassen Sie ihn spüren, dass Ihnen das Gespräch über Suizid keine Angst macht und dass Sie ihn auch in seiner Suizidalität vorbehaltlos akzeptieren. Verzichten Sie auf Kommentare, Moralisieren, Vorwürfe oder unempathisches Beschwichtigen wie „Nur Mut!“, „Kopf hoch, es wird schon alles gut werden“. Unterbrechen Sie nicht und verzichten Sie darauf, den Gedankengang des anderen durch Ihre Fragen zu kanalisieren. Sprechen Sie bei längerem Schweigen die Mimik des Kranken an oder helfen Sie ihm, durch eine respektvolle Berührung an Arm oder Schulter, die Gefühlsblockade zu lockern. Entladen sich heftige Gefühle, sollten Sie diese nicht zusätzlich verstärken. Nehmen Sie geäußerte suizidale Absichten unbedingt ernst! Anderenfalls wird der Kranke daran zweifeln, ob ein Gespräch mit Ihnen überhaupt irgendeinen Sinn macht.

Sich in den anderen versetzen

Der Umgang mit suizidalen Menschen fällt leichter, wenn man deren innere (lebensbedrohliche!) Verzweiflung nachempfinden kann. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihnen Ihr Leben „völlig aussichtslos“ erschiene und Sie vor anderen Ihr Scheitern (Versagen) und Ihre Ohnmacht eingestehen müssten? Würden Sie sich nicht auch noch schämen? Würde in Ihnen keine Wut aufflammen, wenn „alles umsonst“ gewesen war? Vielleicht können Sie sich mit Hilfe dieser Fragen besser vorstellen, wie extrem verletzlich suizidale Menschen sind. Weitere Kränkungen oder Verluste erleben sie als vernichtend. Oft spielen auch Schuldgefühle und hohe Selbsterwartungen eine wichtige Rolle (Dinge alleine zu lösen, anderen nicht zur Last zu fallen).

Sich nicht von der Krankensicht „anstecken“ lassen

Achten Sie besonders bei älteren oder körperlich schwer Kranken darauf, sich nicht von scheinbar „vernünftigen“ Sichtweisen anstecken zu lassen (zum Beispiel, wenn ein Krebskranker „verständliche“ Suizidgedanken äußert). Solche Sichtweisen sind oft Ausdruck einer schweren Depression. Meist verschwinden sie, sobald die Depression erfolgreich behandelt ist.


Behutsam begleiten

Melden Sie einem suizidalen Menschen zurück, was Sie von seinen Mitteilungen verstanden haben. Beschreiben Sie es mit eigenen Worten. Benennen Sie besonders Gefühle, die oft nur mit Scheu zur Sprache kommen. Greifen Sie auch Unangenehmes auf, wie den genauen Suizidplan. Unterbrechen Sie den Kranken, wenn er zu Selbstbeschuldigungen oder Verallgemeinerungen neigt. Helfen Sie ihm, Vorgänge und Personen konkreter und damit realistischer zu beschreiben bzw. zu erkennen. Hören Sie zu und verzichten Sie auf Parteinahme, wenn der Kranke Wut oder Ärger gegenüber anderen ausdrückt. Weisen Sie Ihr Gegenüber darauf hin, wenn seine Worte etwas anderes mitteilen als seine Mimik oder sein Verhalten.

Bisherige Bemühungen wertschätzen

Dem Entschluss, sich selbst das Leben zu nehmen, sind meist erfolglose Bemühungen vorangegangen. Erkennen Sie diese Versuche wertschätzend an und halten Sie dem Kranken nicht vor Augen, was er dabei falsch gemacht hat. Aus dem gleichen Grunde ist es nicht ratsam, einem suizidalen Menschen Schuldgefühle ausreden zu wollen. Es ist hilfreicher, das den Schuldgefühlen zu Grunde liegende Bemühen zu würdigen (wie den Versuch, sich loyal zu verhalten, sich für Beziehungen einzusetzen, dem Lebenssinn gerecht zu werden). Selbst ein Suizidversuch lässt sich als Bemühen nach Lösungen anerkennen (Beispiel: Er unterbricht eine unheilvolle Entwicklung und erzwingt eine sinnvolle Pause).

Suizidpläne detailliert besprechen

Scheuen Sie sich nicht, konkret und ausführlich die Suizidpläne zu besprechen (Wie soll der Suizid ablaufen? Welche Vorbereitungen wurden bereits getroffen? Was hielt bislang von der Ausführung des Planes ab? Wie verliefen eventuelle frühere Suizidversuche?). Sehr wichtig ist es, danach zu fragen, wie sich ein Suizid auf Angehörige, Freunde und Kinder auswirken wird. Oft hat sich der Kranke solche Gedanken noch nicht gemacht bzw. wichtige Konsequenzen seiner Pläne ausgeblendet. Ihre Fragen ermöglichen es ihm, die Situation aus anderen Perspektiven zu betrachten und innere Distanz zu gewinnen. Je konkreter und entschiedener die Suizidpläne sind, um so dringlicher ist es, den Kranken ständig zu betreuen und ihn gegebenenfalls umgehend in eine psychiatrische Klinik zu bringen.

Auf bessere Lösungen orientieren

Öffnen Sie der suizidalen Person den Blick für Alternativen und orientieren Sie so das Denken auf hilfreichere Lösungen. Verdeutlichen Sie ihr, dass sie in einem „alles oder nichts Denken“ befangen ist („Alles wieder in Ordnung“ oder Suizid). In den meisten Lebenssituationen gibt es mehrere Alternativen, Zwischenlösungen oder Kompromisse. Führen Sie dem Kranken vor Augen, dass ein Suizid eine „endgültige“ Lösung für ein möglicherweise „vorübergehendes“ Problem ist. Fragen Sie nach bisherigen Lösungsversuchen. So ersparen Sie sich und dem Kranken, bereits gescheiterte Bemühungen unnötig zu wiederholen.

Beziehung und Hilfe anbieten

 

Verzweiflung und Suizidgedanken haben oft mit Beziehungskrisen zu tun. Bieten Sie deshalb Ihrerseits eine verlässliche Beziehung an. Bitten Sie umgekehrt darum, dass Ihnen die suizidale Person zusagt, sich bis zum nächsten Kontakt mit Ihnen oder einem fachlichen Helfer nichts anzutun. Verknüpfen Sie Ihre Bereitschaft zum Engagement mit einer deutlich von Ihnen ausgedrückten Erwartung: Der Kranke sollte die Konsequenzen kennen, die es für Sie hat, wenn er sich nach diesem Gespräch umbringt. Treffen Sie aber nur solche Vereinbarungen, die einhaltbar und überschaubar sind. Zusagen, die nur Ihrer Beruhigung dienen, sind weniger verlässlich. Verschaffen Sie dem Kranken sofortige Entlastung (in Form von Essen, Trinken, Schlafen). Stellen Sie für ihn Kontakte zu fachlichen Helfern und vertrauten Personen her. Strukturieren Sie mit dem Kranken die nächsten Stunden und Tage.