Schweiz. Offenbar leiden
depressive Menschen mehr unter Alltagsbelastungen als unter „kritischen
Lebensereignissen“, wie eigene schwere Erkrankung, Auszug eines
Familienmitglieds oder Tod einer nahestehenden Person. Zu dieser
Schlussfolgerung gelangen G. Bodenmann und Kollegen aufgrund einer
Befragung von 60 depressiven Personen und einer Kontrollgruppe. Sollte
sich ihre Beobachtung in größeren Untersuchungen bestätigen, wäre es
sinnvoll, die therapeutischen Angebote für Depressive zu erweitern: Diese
sollten dann unbedingt auch Kompetenzen und Copingstrategien vermitteln,
die es den Patienten erleichtern, Alltagsanforderungen zu bewältigen. Da
Depressive besonders unter sozialem Stress (insbesondere im Rahmen einer
Partnerschaft) zu leiden scheinen, würde es sich auch anbieten, den
jeweiligen Partner in die Behandlung einzubeziehen.
Von den 60
Patienten der Schweizer Studie litten 21 Personen an einer leichten
Depression, 13 an einer mäßigen und 5 an einer schweren. 21 Patienten
befanden sich bereits im Remissionsstadium. Der Vergleich zwischen den
Untersuchungsgruppen einerseits und möglichen Belastungskategorien
andererseits zeigte, dass „Depression“ stärker mit
„Alltagsstress“ einherging als mit „kritischen Lebensereignissen“.
Dies überrascht insofern, als man bislang vor allem den „kritischen
Lebensereignissen“ eine Schlüsselrolle als Depressionsauslöser zuwies.
Soweit überhaupt ein Zusammenhang
mit „kritischen
Lebensereignissen“ feststellbar war, erstreckte sich dieser weniger auf
„Verluste“, sondern vor allem auf schwerwiegende soziale Konflikte mit
nahen Bezugspersonen sowie auf Krankheiten und Behinderungen. Während sich
Depressive und Kontrollpersonen in dieser Kategorie nur in einzelnen Punkten
unterschieden, gaben Depressive bei „Alltagsstress“ fast in sämtlichen
Bereichen höhere Werte und zugleich eine damit verbundene höhere
subjektive Belastung an (einzige Ausnahme: Beruf).
G. Bodenmann u.a.:
Kritische Lebensereignisse und Alltagsstress bei Depressiven und
Remittierten. ZKPP 2000 (48) 1-17
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