Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Depressionsbehandlung als "Altersprophylaxe"?

USA. Auf einen potentiellen Jungbrunnen verweisen Studienergebnisse von B. W. J. H. Penninx und Kollegen. Im Rahmen einer prospektiven Studie an 1.286 Personen im Alter von mindestens 71 Jahren fand das internationale Wissenschaftlerteam heraus, dass depressive Menschen offenbar rascher körperlich „abbauen“ als nichtdepressive. Dieser Effekt scheint mit steigender Symptomzahl ausgeprägter zu werden. Weitere Studien müssen nun zeigen, ob sich die körperliche Leistungsfähigkeit erhalten lässt, indem man depressive Symptome gezielt behandelt. Sollte dies der Fall sein, würde sich damit eine wertvolle Möglichkeit eröffnen, „altersbedingten“ Leistungseinbußen kosteneffizient entgegen zu wirken.

     Im Rahmen einer umfassenden epidemiologischen Studie hatten Dr. Penninx und Kollegen ältere Menschen nicht nur mit Hilfe einer Depressionsskala untersucht (CES-D = Center for Epidemiological Studies Depression Scale); gleichzeitig hatten sie mit einem dreiteiligen Test auch deren körperliche Leistungsfähigkeit beurteilt. Das Instrumentarium interessierte sich für folgende Komponenten: 1. Gleichgewichtsvermögen im Stehen, 2. erforderliche Zeit, um 2,4 Meter zu gehen, und 3. erforderliche Zeit, um sich fünfmal von einem Stuhl zu erheben und wieder hinzusetzen. Alle drei Ergebnisse flossen in einen Gesamtwert ein. Nach vier Jahren wurden sämtliche Untersuchungen wiederholt. Zu Beginn der Studie waren die Teilnehmer im Durchschnitt 77,7 Jahre alt, wobei die Frauen mit 69 Prozent die Mehrheit stellten. 10,7 Prozent der Teilnehmer waren deutlich depressiv (gemessen an mindestens 20 Punkten auf der CES-D).

     Besonders überraschte, dass depressive Symptome selbst körperlich gesunde ältere Menschen dazu prädisponieren, rascher an körperlicher Leistungsfähigkeit einzubüßen. Bei diesem Personenkreis scheidet die Vermutung aus, dass ältere Menschen auf körperliche Mängel depressiv reagieren (die Leistungseinbußen also Ursache und nicht Folge einer Depression sind). Gleichzeitig verdeutlichen die Studienergebnisse, dass schon eine relativ geringe depressive Symptomatik von körperlichen Leistungseinbußen gefolgt ist.

    Zu den Stärken der vorliegenden Untersuchung gehört, dass sie die Leistungsfähigkeit objektiviert und sich nicht auf Angaben der Studienteilnehmer verlässt. Denn depressive Menschen neigen dazu, vieles negativ zu sehen und dementsprechend ihre körperliche Verfassung besonders pessimistisch zu beschreiben. Da Depressionen die Tendenz haben, sich zu verschlimmern, kann allein schon das Phänomen der „schwarzen Brille“ dazu führen, dass die Betroffenen auch ihren körperlichen Zustand immer dramatischer erleben und darstellen. Insgesamt gehen die Autoren jedoch davon aus, dass sich depressive Symptome und körperliche Verfassung gegenseitig („spiralförmig“) beeinflussen und so das Gesamtbefinden immer mehr verschlechtern.

      Der Einfluss depressiver Symptome auf die körperliche Leistungsfähigkeiten lässt sich auf verschiedene Weise erklären: 1. Es ist bekannt, dass sich seelische Belastungen u.a. hormonell und immunologisch auswirken. In der Folge sind die Betroffenen dann oft anfälliger für körperliche Erkrankungen. 2. Depressiven Menschen fällt es schwer, für sich zu sorgen, so dass sie beispielsweise wichtige Behandlungsmaßnahmen unterlassen und so Heilungsprozesse erschweren. 3. Typische depressive Phänomene wie Müdigkeit und Schlaflosigkeit wirken sich vermutlich auch auf den körperlichen Zustand aus. 4. Zu den Verbindungsgliedern zwischen seelischem und körperlichen Prozessen gehört nicht zuletzt, dass sich Depressive körperlich weniger betätigen und so ihre Fitness verlieren. Die typischen kognitiven Verzerrungen Depressiver, wie eine Überbewertung von Schmerz und Müdigkeit, können ebenfalls dazu beitragen, dass Lust und Motivation sich zu bewegen schwinden. Wie die Autoren ausdrücklich betonen, kann man die Zusammenhänge natürlich auch anders sehen: So ist nicht auszuschließen, dass depressive Symptome erste Anpassungserscheinungen an körperliche Veränderungen sind, die klinisch vorerst noch nicht in Erscheinung treten.

    Am interessantesten ist vermutlich die von der Studie aufgeworfene Frage, inwieweit antidepressive Maßnahmen den drohenden körperlichen Verfall depressiver älterer Menschen aufhalten können. Denn im Gegensatz zu den meist chronischen körperlichen Erkrankungen des Alters sind Depressionen potentiell veränderbar. Soweit in der vorliegenden Untersuchung Antidepressiva eingenommen worden waren (meistens Amitriptylin), ließen diese jedoch noch keinen Effekt erkennen.

B. W. J. H. Penninx u.a.: Depressive Symptoms and physical decline in community-dwelling older persons. JAMA 1998 (279) 1720-1726