Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Depression – eine Lebensaufgabe?

Australien. Nach Ansicht von G. Andrews sollte man Depressionen als „chronische Leiden“ betrachten. Eine solche Einstellung motiviert dazu, die mit großer Wahrscheinlichkeit drohenden Rezidive „proaktiv“ zu beeinflussen.

    Depressive Patienten sprechen zwar erfreulich gut auf akute Behandlungen an, räumt Andrews ein. Langfristig ist die Prognose jedoch ernüchternd: Nach 15 Jahren kann nur ein Fünftel der Betroffenen über andauerndes gutes Befinden berichten. Drei Fünftel haben nach ihrer „Heilung“ weitere depressive Phasen durchlebt. Das verbleibende Fünftel umfasst Patienten, die sich selbst getötet haben oder dauerhaft depressiv blieben. Enttäuschende Ergebnisse liefert auch die Frage nach der „depressionsfreien“ Zeit, die Patienten nach ihrer Erstbehandlung verbringen konnten. So wurden rund 60 Prozent der in den letzten 12 Jahren verbrachten Wochen durch depressive Symptome getrübt. 15 Prozent der zurückliegenden Wochen erfüllten sogar alle Kriterien einer Depression.

     Die Depressionsbehandlung sieht sich nicht nur mit häufigen Rezidiven konfrontiert. Es ist auch sehr schwierig, die Effizienz der Therapie zu beurteilen. Denn Depressionen haben eine hohe Spontanbesserungsquote. Befragt man Patienten mit chronisch wiederkehrenden Depressionen nach ihrem aktuellen Befinden, dann liegen bei weniger als der Hälfte der Interviewten im Monat der Befragung alle typischen Symptome einer Depression vor.

     Auch wenn viele Depressionen zeitlich befristet zu sein scheinen bzw. auf akute Behandlungen sehr gut ansprechen, ist dies kein Grund zum Optimismus, warnt Andrews. Denn die Ernüchterung folgt in Form der nächsten Depression oft auf dem Fuß. Befragt man Depressive im Alter zwischen 15 und 54 Jahren, wie oft sie einen solchen Zustand bereits erlebt haben, dann ist es für 75 Prozent der Patienten nicht das erste Mal. Im Durchschnitt hat jeder Befragungsteilnehmer sogar schon 11 depressive Phasen durchlebt, die zwischen zwei und 69 Wochen dauerten.

     Diese Situation regt an, Depressionen vor allem als chronisches Leiden zu betrachten und die Behandlungsstrategien darauf auszurichten. Eigene Erfahrungen des Autors nehmen die Sorge, dass sich das aktuelle Befinden der Patienten verschlechtert, wenn man die langfristige Prognose anspricht. Eher das Gegenteil ist der Fall: Die Patienten äußern, dass sie „erstmalig die Wichtigkeit der Behandlung verstanden haben“, und ihre Compliance verbessert sich. Sollte man also allen Patienten von vornherein klaren Wein einschenken oder sollte man lieber das erste Rezidiv abwarten, um niemanden unnötig zu verunsichern? Im letztgenannten Fall, wäre es wahrscheinlicher, dass die Betreffenden zur Mehrheit derjenigen gehören, denen Depressionen „chronisch“ drohen. Nach Ansicht von Andrews ist diese Frage selten praktisch relevant. Denn erfahrungsgemäß begeben sich viele Depressive nicht sofort in Behandlung. Wenn sie sich erstmals zu einer Behandlung durchringen, befinden sie sich oft schon in der dritten oder vierten depressiven Phase.

     Freimütig räumt der Autor ein, dass es bislang keinerlei Studien gibt, die den Nutzen einer „proaktiven“ Behandlung depressiver Patienten belegen. Zumindest zeigen Erfahrungen bei anderen chronischen Leiden (insbesondere Diabetes), dass präventive Maßnahmen Langzeitkomplikationen verringern können. Warum sollte dies nicht auch für Depressionen gelten? Da Depressionen weltweit die häufigste Einzelursache von Behinderung sind, dürfte sich ein Versuch jedenfalls lohnen.

G. Andrews: Should depression be managed as a chronic disease? BMJ 2001 (322) 419-421