Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Ein Dogma wankt:
Antidepressiva wirken schnell!

 


USA. Noch immer betonen viele Lehrbücher, dass Antidepressiva mehrere Wochen benötigen, um ihren Effekt zu entfalten. Eine aktuelle Metaanalyse von M. A. Posternak und M. Zimmerman bringt dieses Dogma zum Wanken. Ihren Ergebnissen zufolge manifestiert sich ein Großteil des mit Hilfe des Hamilton-Depressionsscores (HAMD) beurteilten Erfolgs bereits in den ersten beiden Behandlungswochen. Dies gilt für Antidepressiva und Placebo gleichermaßen. Von der Gesamtabnahme des HAMD-Scores während der meist sechswöchigen Behandlung waren unter Antidepressiva und Placebo jeweils 60,2 Prozent bzw. 61,6 Prozent schon innerhalb der ersten 14 Tage erzielt. Außerdem unterschieden sich die Wirkungen von Verum und Placebo in dieser Phase am deutlichsten. Im weiteren Verlauf der Behandlung glichen sich die Effekte stufenweise an. Weitere Analysen bestätigten, dass sich die frühen Unterschiede zu Placebo auch klinisch beobachten ließen und tatsächlich Folge eines antidepressiven Effekts waren (also beispielsweise nicht auf einer schlaffördernden Wirkung der Antidepressiva beruhten).

    In die Metaanalyse waren Daten aus 47 placebokontrollierten Doppelblindstudien bei Major Depression eingeflossen, in denen der Effekt von Antidepressiva im Vergleich zu Placebo überprüft worden war. Insgesamt hatten mehr als 5.100 Patienten ein Antidepressivum und mehr als 3.400 Patienten Placebo erhalten. Zumindest in den ersten 28 Tagen wurde wöchentlich die Wirkung auf das Krankheitsbild mit Hilfe des HAMD-Scores beurteilt.

    Entgegen der herkömmlichen Meinung realisierte sich mehr als die Hälfte des insgesamt erreichbaren Erfolges schon während der ersten beiden Behandlungswochen (rund 60 Prozent). Auch der Gesamtunterschied zu Placebo stellte sich zu 57 Prozent bereits in der Anfangsphase der Therapie ein. Daraus lässt sich als Regel ableiten, dass ungefähr die Hälfte aller Patienten, die auf eine sechswöchige Antidepressiva-Gabe ansprechen, schon in den beiden ersten Wochen deutlich auf das Arzneimittel reagiert.

   Die Autoren räumen ein, dass es unterschiedliche Auffassungen von „verzögertem Ansprechen“ auf eine Behandlung gibt. In ihrer eigenen Analyse hinterfragten sie den „Mythos“, dass sich Unterschiede zwischen Antidepressiva und Placebo relativ spät abzeichnen. Eine andere Auffassung von „verzögertem Effekt“ meint beispielsweise, dass sich der Gesamtnutzen einer Antidepressiva-Gabe erst nach mehreren Behandlungswochen einstellt. Posternak und Zimmerman sind sich jedenfalls sicher, dass viele Patienten mit Major Depression schon innerhalb von ein bis zwei Wochen deutliche Vorteile aus einem Antidepressivum ziehen.

M. A. Posternak u. a.: Is there a delay in the antidepressant effect? A meta-analysis. J. Clin. Psychiatry 2005 (66) 148-158