Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Depression: Hinweise für Bezugspersonen

(als pdf-Datei zum Download)


Vielen Dank für Ihr Interesse am Thema „Depression“. Die folgenden Anregungen können es Ihnen erleichtern, mit depressiven Menschen hilfreich umzugehen.

Depressionen ernst nehmen

Depressionen – wie sie hier gemeint sind – haben nichts mit „Missstimmung“ oder „Nicht-Gut-Drauf-Sein“ zu tun, wie sie fast jeder aus dem Alltag kennt. Depressionen im medizinischen Sinn sind schwere Erkrankungen, die in Extremfällen tödlich enden können. Denn einige der Betroffenen leiden so stark, dass sie ihrem Leben selbst ein Ende setzen. Verzichten Sie deshalb auf Bagatellisieren („Das ist doch nicht so schlimm“, „Damit kommt doch jeder klar“). Anderenfalls wird sich der depressive Mensch unverstanden fühlen und seine Stimmung wird weiter sinken. Betrachten Sie Depressionen als Leiden, die genau so einer raschen und gezielten Behandlung bedürfen wie eine schwere Infektion oder ein komplizierter Knochenbruch. Depressionen sprechen umso besser auf eine Therapie an, je früher die Behandlung beginnt. Lange Vorlaufzeiten scheinen eine Gewöhnung (Einschleifen von Gewohnheiten) und damit die Festschreibung des Krankheitszustandes zu begünstigen. Helfen Sie deshalb dem Depressiven, einen geeigneten Arzt bzw. Psychotherapeuten oder in schweren Fällen eine Fachklinik zu finden. Unterstützen Sie ihn dabei, die erforderliche Behandlung durchzuhalten, was den oft antriebslosen und pessimistischen Kranken schwer fällt. Achten Sie darauf, dass der Patient die Therapie nicht zu früh beendet, da sonst Rückfälle drohen.

Hoffnung vermitteln

Weisen Sie den Patienten immer wieder darauf hin, dass Depressionen heute zu den besonders erfolgreich behandelbaren seelischen Erkrankungen gehören. Bei richtiger Therapie zeichnet sich meist schon innerhalb weniger Wochen eine sichtbare Besserung ab (bei Antidepressiva mitunter schon nach 14 Tagen bis 3 Wochen). Lassen Sie sich durch die typischerweise pessimistischen Äußerungen und dauernden Zweifel des Kranken nicht entmutigen. Auch wenn sich ein antidepressiv wirkendes Medikament als ungeeignet erweisen sollte, ist dies kein Grund zur Resignation: Heute gibt es glücklicherweise eine Vielfalt unterschiedlicher Antidepressiva (und Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Arzneimitteln), so dass man für die meisten depressiven Menschen eine für sie geeignete Medikation finden wird. Unterstützen Sie den Patienten dabei, täglich einen Stimmungskalender zu führen und darin die Stimmungsverbesserungen zu protokollieren. Da depressive Menschen dazu tendieren, „alles schwarz zu sehen“, fällt es ihnen oft schwer, Behandlungsfortschritte zu erkennen.

Auf Appelle, Vorwürfe, „kluge Ratschläge“, Ablenkungsmanöver, Urlaubsempfehlungen und Überredungsversuche verzichten

Traktieren Sie den Patienten nicht mit moralischen Appellen (wie „die Haltung zu bewahren“, „sich zusammenzureißen“, „anderen das Leben nicht so schwer zu machen“). Denn depressive Menschen haben nicht die Kraft, den Grauschleier über ihrer Gefühlswelt zu durchdringen und eingeschliffene Denkmuster zu verlassen. Appelle nagen nur an dem ohnehin meist schwachen Selbstwertgefühl. Sie verstärken Selbstzweifel, Mut- und Hoffnungslosigkeit. Auch die oft schon vorhandenen Schuldgefühle werden durch Vorwürfe unnötig vermehrt. Meist wirkungslos sind außerdem Ablenkungsmanöver, Vergnügungsangebote, Zerstreuungsbemühungen und gut gemeinte Vorschläge, die Welt doch zu genießen. Der Kranke will durchaus das Schöne im Leben sehen, aber er kann es einfach nicht. Ähnliches gilt für Hinweise darauf, wie gut es dem Kranken eigentlich gehe und daß er sich doch darüber freuen müsse. Solche Bemerkungen vertiefen nur den Graben zwischen dem Kranken und Ihnen. Eher selten profitieren Depressive von Urlauben, wo sie sich meist auch nicht freuen können und zudem häufig Schwierigkeiten haben, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen. Nicht selten kommt in der fremden Umgebung auch schwere Angst hinzu.

Den Kranken entlasten und wertschätzen

Viele Depressive fühlen sich innerlich leer, erschöpft und kraftlos. In dieser Situation benötigen sie einen Schonraum (zum Beispiel in Form einer anfänglichen Krankschreibung) und Zuwendung. Obwohl die Patienten durch ihr Verhalten (Antriebslosigkeit, Pessimismus, Abwertung der eigenen Person und anderer) nicht gerade dazu einladen, sind sie auf die Wertschätzung durch ihre Umwelt besonders angewiesen. Oft hungern sie regelrecht danach. Halten Sie sich deshalb vor Augen, dass sich das für die Umwelt oft schwierige Verhalten des Kranken nicht gegen Sie persönlich richtet, sondern Ausdruck bzw. Folge der Grundkrankheit ist. Geben Sie dem Patienten Rückmeldungen, die diesem helfen, sein Selbstbild zu verbessern. Seien Sie dabei ehrlich, da der Kranke möglicherweise Ihre Aufrichtigkeit bezweifeln wird.

Zu Aktivität und Bewegung einladen

Stimmung und Verhalten beeinflussen sich gegenseitig. Deshalb hilft es Depressiven oft, überhaupt etwas zu unternehmen (statt sich zurückzuziehen). Der Kranke kann sich dann davon überraschen lassen, dass es wieder bergauf geht. Denn ähnlich wie Feuer und Wasser sind auch gesunde Aktivität und Depression miteinander eher unvereinbar. Erläutern Sie dem Kranken diesen Zusammenhang und motivieren Sie ihn, aktiver zu werden und so seine Stimmung zu verbessern. Stellen Sie gemeinsam mit ihm eine möglichst umfangreiche Liste gut zu bewältigender und angenehmer Aktivitäten zusammen (Beispiele: Spazierengehen, Fahrrad fahren, Wohnung aufräumen, im Garten arbeiten, Lesen, Freunde anrufen, sich schön anziehen usw.). Machen Sie anfänglich mit, wenn Ihnen dies möglich ist. Weisen Sie den Patienten auch auf die antidepressive Wirkung von sportlicher Bewegung hin. Offensichtlich setzt Sport im Körper Botenstoffe frei, die entspannen und die Stimmung verbessern. Besonders bewährt haben sich Ausdauersportarten wie Walking (schnelles Gehen), Jogging, Radfahren, Schwimmen usw. Auch hier motivieren Sie den Kranken am ehesten, wenn Sie sich mit ihm gemeinsam bewegen.

Wirkung des Kranken auf sich selbst erkennen

Machen Sie sich folgende Zusammenhänge klar und reagieren Sie dadurch gelassener: Durch anhaltendes Klagen (aus Ihrer Sicht vielleicht: „ewiges Jammern“ oder „An-Klagen“) drückt ein depressiver Menschen seine Aggressivität aus. Sie ist zwar gegen den Kranken selbst gerichtet, kann aber bei Ihnen Ungeduld und Ablehnung (Gegenaggression) hervorrufen. Die dauernden Selbstanklagen, ein gekränkt-trotziges Verhalten, der Appell zu helfen und die gleichzeitigen Misserfolge des Helfers, werden Sie irgendwann wütend machen und enttäuschen. Während Sie die Heftigkeit Ihrer Gefühle erleben, spürt der Depressive oft gar nichts mehr. Die häufig wiederholte Feststellung „Mir hilft nichts“ interpretieren Sie vielleicht als „Auch Du kannst mir nicht helfen“. Damit stellen Depressionen die  Frustrationstoleranz von Familienangehörigen, Freunden, Bekannten, Ärzten und anderen Helfern oft erheblich auf die Probe. Vielfach müssen sie den Ärger aushalten, den der Depressive eigentlich gegenüber anderen wichtigen Bezugspersonen hegt. Nicht selten werden auch Personen der Umwelt regelrecht „angesteckt“, so dass sich diese ebenfalls vorübergehend gefühlsleer, wert-, interesse- und willenlos fühlen. Wenn depressive Menschen sich anklammern, nehmen sie anderen oft die „Luft“. Um nicht zu ersticken, gehen diese dann auf Abstand und verstärken damit die Angst des Depressiven, abgelehnt und allein gelassen zu werden.

Lebensentscheidungen vertagen

Hüten Sie sich davor, den Patienten zu grundlegenden Entscheidungen (Kündigung, Berufswechsel, Heirat, Umzug, Scheidung, Kinderkriegen, bedeutsame Kauf- oder Verkaufsentscheidungen) zu drängen. Der Kranke ist nicht in der Lage, vernünftig abzuwägen und zu urteilen. Wenn er später solche Entscheidungen bereut, wird er möglicherweise noch depressiver.