Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Annehmen (Akzeptieren)
(zur Tabelle "Akzeptieren oder Verändern?" als pdf-Datei)
 


„Annehmen“ („akzeptieren“) kann zu den großen „Lösungen“ dieser Welt gehören, bei denen wir uns von bisherigen Haltungen regelrecht „lösen“. Wir hören dann auf, unser Schicksal, andere Menschen oder besondere Situationen in dieser Welt weiter in unserem Sinne verändern oder sogar bekämpfen zu wollen. Das Ergebnis kann wohltuender innerer Frieden und eine unerwartete Fülle neuer Energie sein. Das Gegenteil von Annehmen ist Ablehnen, was oft dauerhaft Kräfte verschlingt.

„Annehmen“ hat nicht zwingend etwas mit „Resignieren“, „Aufgeben“ oder Verdrängen zu tun, obwohl dies durchaus Vorläuferstadien sein können. Menschen, die Vorgegebenes annehmen können, sind keine „geborenen Verlierer“. Denn der Begriff beinhaltet eine „aktive Komponente“, bei der es darum geht, zum eigenen Schicksal, einer anderen Person oder einer Lebenssituation bewusst (also durchaus souverän) „ja“ zu sagen, sich mit dem Angenommenen zu versöhnen, es künftig zumindest wohlwollend zu tolerieren oder sich ihm sogar vertrauensvoll hinzugeben.

Selbstverständlich muss und kann nicht alles in dieser Welt angenommen werden. Das gilt insbesondere für offenkundiges Unrecht oder Leid und Leiden, die sich bei entsprechendem Einsatz lindern lassen. Auch dort, wo es ohne Unrecht und Leid Dinge zu verbessern gibt, ist sofortiges Annehmen nicht unbedingt der sinnvollste Ansatz. Der Vorschlag, unser Schicksal, andere Menschen oder besondere Situationen anzunehmen, will uns davor schützen, unnötige (!) Energien zu verausgaben und dort nicht mit unserem Schicksal zu hadern, wo wir an die Grenzen unserer Einflussmöglichkeiten stoßen. Im Grunde geht es um eine Variante der Lebensempfehlung, die z.B. von den Anonymen Alkoholikern vertreten wird: „Gott gebe mir die Gelassenheit hinzunehmen, was nicht zu ändern ist, den Mut zu ändern, was ich ändern kann, und die Weisheit zwischen beidem zu unterscheiden.“ Damit wird klar, dass „Wahrheit“ und „Lösung“ nichts allgemein Verbindliches sind, sondern im Einzelfall immer wieder neu gefunden werden müssen.

Wer Unveränderliches akzeptiert, statt sich in fruchtlosen Veränderungsbemühungen zu verausgaben, gewinnt dadurch eindrucksvoll an Lebenszeit und Energie. Umgekehrt eröffnet Veränderung, wo sie möglich ist, ganz neue Lebensperspektiven. Beide Einstellungen verhindern Depressionen bzw. heilen diese. Erstellen Sie mit Hilfe der folgenden Tabelle eine aktuelle Bilanz von denjenigen, Ereignissen und Situationen sowie Erlebens- und Denkweisen, die Sie momentan belasten. Entscheiden Sie dann, ob Sie diese Phänomene lieber akzeptieren (= A) oder verändern (= V) sollten. Bedenken Sie dabei, dass Gedanken, Gefühle und Empfindungen automatisch entstehen und nicht aktiv veränderbar sind.

Ereignissen, Situationen, Erlebens- und Denkweisen, die mich belasten

A

V

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer sich für das „Annehmen“ entscheidet, wird insbesondere im zwischenmenschlichen Bereich häufig das „Änderungsparadox“ erleben. Der bislang heftig kritisierte und zu Änderungen aufgeforderte Mitmensch wird Veränderungen oft erst in dem Augenblick erstmalig in Erwägung ziehen, wo er sich wahrhaft angenommen fühlt. Denn jetzt muss er sich nicht mehr vorrangig verteidigen und kann sich im Vertrauen auf das erlebte Angenommensein erstmalig selbst in Frage stellen. Der Versuch, das „Änderungsparadox“ als Kunstgriff zu benutzen und über eine scheinbare Akzeptanz den anderen doch indirekt zu beeinflussen, wird meist schief gehen: Denn Menschen spüren in der Regel, ob sie wirklich akzeptiert werden oder ob ihnen nur etwas vorgemacht wird, weil man sie manipulieren möchte.

Die vielleicht schwierigste Form des Annehmens ist die Selbstakzeptanz. Hier gilt es, eigene Schwächen, Bedürftigkeiten und fest eingebrannte Denk-, Verhaltens- und Gefühlsmuster als wohl dauerhaft zur eigenen Person gehörig anzuerkennen. Zwar machen uns Heiler, Motivationstrainer und Gesundheitsindustrie permanent Hoffnungen („alles ist veränderbar, man muss es nur wollen“); diese Botschaften dienen aber oft mehr der Umsatzsteigerung als dem Wohl der über kurz oder lang enttäuschten Adressaten. Manche „Lebenserfahrungen“ haben uns tatsächlich so stark „geprägt“, dass wir mit der „Prägung“ auf Dauer leben müssen.

Akzeptanz kann in allen Lebensphasen helfen, besonders aber in mittleren und späteren Lebensabschnitten. Hier gilt es sich einzugestehen, dass eben doch nicht alles im Leben machbar oder erreichbar ist und dass der bisherige Lebensweg eben der uns mögliche war. Wer sich in dieser Erkenntnis selbst annimmt, eröffnet sich die besten Möglichkeiten, um die verbleibende Wegstrecke in (innerem) Frieden und mit Genuss zu beschreiten und so die wahrhaft eigenen Potenziale doch noch auszuschöpfen. Nicht selten werden dann noch Erfahrungen möglich, die man sich durch „Erkämpfen“ nie hätte erschließen können.

Stand: 30.08.2009