Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Zukunftsgeschichte 4 ("Vision")


Die Aufgabe, eine Geschichte von sich selbst zu schreiben ("Wie ich mir den Ablauf einer Woche in fünf Jahren vorstelle"), erleichtert es, Lebensziele und Lebenssinn zu entwickeln. Herr G. H. (Name geändert) hat mir gestattet, als Beispiel einer solchen Phantasie seine Erzählung hier zu veröffentlichen. Auch an dieser Geschichte besticht, dass sie sehr konkret formuliert ist. Herr G. H. litt unter "Angst und Depression"


– Eine Woche im Leben von G. H. im Jahre 2012 –

Plötzlich springt leise der Radiowecker an. Es ist Montagmorgen, 6:00 Uhr und ich brauche einen Moment, um zu realisieren, dass die Hintergrundgeräusche nicht in meinen Traum gehören. Sandra streichelt mir zärtlich durch die Haare, wie immer ist sie früh morgens viel wacher als ich und signalisiert mir nun, dass auch meine Zeit gekommen ist. Dummerweise bin ich auch viel zu schwach, um einen Ausweg zu suchen, deshalb streiche ich ihr auch kurz durch das Gesicht und durch die Haare, ein paar Sekunden den Nacken gekrabbelt bis ich zu dem Entschluss komme, dass ich gleich wieder einschlafe, wenn ich nicht sofort aufstehe.

Mit noch etwas kraftloser Bewegung steuere ich auf die Schlafzimmertüre zu und kurz nachdem ich die Tür geöffnet und das Flurlicht eingeschaltet habe setzt sich das Haus in Bewegung: Die beiden Kater sind nun wie auf Kommando auch wach, Lilly kommt müde aus seinem Korb des Arbeitszimmers angelaufen und Tom kommt eilig durch die Katzenklappe im Erdgeschoss herein und die Treppe hoch gelaufen, um dabei zu sein. Selbst nach Jahren fällt mir immer wieder auf, wie die Katzen eine unglaublich angenehme Ruhe verbreiten, auf der anderen Seite aber auch ganz klar ihre Zuneigung zeigen: Während Sam mich "laut erzählend" mit dem Kopf anstößt krabbele ich gerade Tom durch, der sich vor mir auf den Boden geworfen hat. Dies ist einer der schönsten Momente des Tages, für einige Minuten ist die Uhrzeit und auch (fast) alles Andere vergessen. Laut brummend begleiten die Katzen mich bis ans Kinderzimmer, wo unser Sohn Max derzeit noch tief schläft.

Also schnell runter in die Küche, die Katzen füttern und einen kleinen Moment inne halten, um zuzuschauen, wie die beiden Racker sich über ihre Futternäpfe hermachen. Normalerweise mag ich Schmatzen ja nicht besonders aber das hier ist irgendwie anders.

Mehr automatisch als wach steuere ich wieder die Treppe hinauf, um mich der morgendlichen Dusche zu widmen, nachdem ich mich rasiert habe. Sandra wundert sich immer, dass ich morgens so lange brauche, aber das Gefühl, unter dem warmen Wasserstrahl zu stehen ist einfach schön und erst hier kommen meine Lebensgeister zu mir zurück. Und damit wird natürlich auch der Kopf wach: Was ist heute für ein Tag? Was steht heute an? Was wollte ich noch mal alles machen? Kurz sortiere ich den Tag, heute habe ich einen "normalen" Bürotag, ein paar Meetings, nichts Besonderes also. Dafür aber heute Abend Karatetraining mit Max.

Noch ein bisschen in Gedanken versunken kommt Sandra ins Bad flötet mir ein freundliches "Guten Morgen mein Schatz" zu und geht lachend wieder raus, als ich so tue, dass ich mich darüber echauffiere, dass wieder einmal alle meine weiblichen Groupies in mein Badezimmer gelassen werden. Schließlich ist mein Gesang und mein Flöten unter der Dusche ... na ja, sagen wir mal "unverwechselbar", aber auf jeden Fall dafür geeignet, es auch in geschlossenen Räumen regnen zu lassen.

Nach dem Duschen schnell abtrocknen und anziehen, aus dem Kinderzimmer sind auch schon die ersten Geräusche zu hören, also schnell mal rüberschauen. Ich glaube, Max singt irgendwie besser als ich aber zumindest haben wir beide großen Spaß dabei, wenn wir mitten in der Sommerzeit Weihnachtslieder anstimmen und Sandra uns mal wieder aufklärt, dass wir wohl den Kalender nicht richtig verstanden haben. Ich nehme Max zur Begrüßung in den Arm und wir erzählen uns, was wir heute Nacht geträumt haben. Dann lege ich ihm noch eine andere Hörspielkassette ein, vielleicht hat Max ja noch die Möglichkeit, ein bisschen weiterzuschlafen, bevor er in den Kindergarten muss. Vielleicht wünsche ich mir aber auch nur weiterzuschlafen, Max hat auf jeden Fall auch zur frühen Stunde schon Faxen im Kopf, an schlafen ist da wohl nicht zu denken.

Wenn ich früher aufstehe als Max, dann frühstücken wir normalerweise nicht zusammen. Sandra hat in der Küche schon ein paar Brote vorbereitet. Dafür bedanke ich mich gerne mit einem dicken Schmatzer und stelle bei solchen Kleinigkeiten immer wieder fest, dass ich sehr froh bin, dass wir normalerweise sehr schnell unsere Rollenverteilung finden. Aber irgendwie stellen wir das zu selten fest, deshalb nehme ich Sandra noch mal in den Arm und sage ihr, dass ich sie total süß finde und sehr dankbar bin, dass wir zusammengefunden haben. Und ich will sie auch nie nie nie mehr umtauschen. Dass ihr das auch so geht beruhig mich ungemein und so kann ich mich dem weiteren Tagesablauf widmen.

Anziehen, schnell noch zwei Wasserflaschen einstecken und dann geht es nach einer kurzen Verabschiedung von der ganzen Familie mit dem Auto ins Büro. Eine halbe Stunde Fahrt und die neue CD von Pink und ich bin immer wieder überrascht, wie Musik nochmals dazu beiträgt, die Stimmung zu heben. So stören mich noch nicht mal mehr die Autofahrer, die anscheinend heute einen nicht so guten Start in die neue Woche hatten.

Im Büro kann ich in aller Ruhe die letzten Rückmeldungen von Freitag zusammenfassen, denn um 9.00 Uhr startet das wöchentliche Teamleiter-Meeting. In meiner Eigenschaft als selbständiger Unternehmensberater habe ich bei meinem Kunden die Funktion, internationale Geschäftsprozesse im Unternehmen einzuführen und dies bedarf natürlich regelmäßiger Abstimmung mit den anderen Teams.

Während ich meine 53 neuen Emails durchgehe kommt nun schon der dritte Kollege in mein Büro, der mir seine Sorge mitteilt, dass der Zeitplan viel zu eng ist und die Unterstützung durch andere Teams zu schlecht ist. Also das gleiche wie immer. Ich frage den Kollegen, ob konkrete Aktivitäten derzeit gefährdet sind (Antwort: keine) oder in wieweit ich ihn konkret unterstützen kann. Darauf antwortet er, dass er diese Woche gerne spontan einige Tage Urlaub machen möchte, aber nicht weiß, ob das konkret machbar ist. Aus meiner Sicht spricht nichts Wesentliches dagegen, deshalb vereinbaren wir eine entsprechende Vorgehensweise, wie wir sicherstellen, dass keine Termine in Verzug geraten und ich kann mich frohen Mutes ins Meeting begeben.

Mittlerweile besteht meine Tätigkeit vornehmlich daraus, anderen zuzuhören, manchmal Dinge weiterzuleiten und ein bisschen übergreifend die Fäden in der Hand zu halten. Oft entsteht ohne großartig nachvollziehbaren Grund eine Aufregung, die es zu "versachlichen" gilt und nachdem ein bisschen Ruhe eingekehrt ist zeigt sich, dass es dazu eigentlich gar keinen sachlichen Hintergrund gab.

Ob man für diese Art der Koordinierungstätigkeiten aber immer externe Unterstützung braucht oder man das vielleicht nicht auch durch einen anderen Umgang mit seine Mitarbeitern und eine andere Firmenkultur mit deutlich weniger Beratern schaffen kann bleibt eine Frage für die Zukunft. Vielleicht mag ich mich dieser Frage ja zukünftig mal widmen und meine Tätigkeit in Richtung der Management-Beratung ausbauen?

Im Moment habe ich aber einfach Spaß daran, mich mit meinen Kollegen auseinanderzusetzen und konstruktive Lösungen zu entwickeln. Dass das auch recht gut funktioniert zeigen die Feedbackbögen, die ich regelmäßig von meinem Auftraggeber und einigen ausgewählten Kollegen ausfüllen lasse. Und ich liebe es noch immer, wenn jemand mit einer sehr speziellen Aufgabe oder Frage Hilfe sucht – und ich ihm genau das anbieten kann. So gehen die Dinge wirklich gut von der Hand.

Das war früher nicht so einfach. Da haben mich verschiedenste Störungen aus dem Konzept gebracht. Heute gehören Störungen dazu: von einem Moment auf den anderen wechsele ich dann mit meiner Aufmerksamkeit hin zum Auslöser und höre erstmal zu oder beobachte die Situation, bevor ich versuche, angemessen zu reagieren. Früher habe ich oft schroff reagiert und andere Menschen abgewiesen, aber eigentlich braucht man das gar nicht. Es gehört einfach dazu und seit ich ein bisschen besser zuhöre und bezogen auf die aktuelle Situation gemeinsam mit Anderen Lösungen entwickele kann ich selber auch mal zum "Störer" werden. Zum Beispiel wenn Max krank wird und Sandra selber wichtige Termine hat, so dass ich selbst spontan die Arbeit schon mal "liegenlassen" muss. Sofort bieten sich die Kollegen dann an, die wichtigsten Aktivitäten zu übernehmen. Wie Du mir, so ich Dir.

So vergehen die Arbeitstage insgesamt recht angenehm. Selbst dann, wenn ich einmal mehr nicht verstehen kann, warum große Firmen mehr Aufwand in die Qualitätssicherung als in die Kernprozesse investieren. Aber auch die Lösung dieses Rätsels muss ich wohl vertagen.

Halbwegs pünktlich gegen 17:00 Uhr beginnt der Feierabend. Seit ich meine Verträge auf Tagessatzbasis abschließe ist ein pünktliches Arbeitsende eigentlich relativ gut gewährleistet. Gut für mich, denn Max versteht nicht immer, warum ich jeden Tag wegfahren muss. Auf jeden Fall bekommt er nun "Vorfahrt", vielleicht finde ich ja später noch ein bisschen Zeit, den Expertenbeitrag für's Online-Forum zu erstellen, den ich diese Woche fertig stellen soll.

Zuhause angekommen werde ich von Max fast über den Haufen gerannt. An schlechten Tagen ist er immer ein bisschen enttäuscht, wenn ich ihn nicht so wild begrüßen will, aber heute wirbele ich ihn mal wieder durch die Luft. Auch eine Art des Krafttrainings, aber nicht wirklich länger als ein paar Minuten durchzuhalten. Deshalb muss ich ihn bald herunterlassen, damit er mir auch erzählen kann, was er heute alles erlebt hat. Dafür darf ich ihm dann auch erzählen, was ich heute erlebt habe. Er wundert sich immer darüber dass man für so etwas auch noch Geld bekommt. Vor allem, weil er viel lieber Feuerwehrmann werden will und nicht "so langweilig im Büro" sitzen möchte.

Ich müsste eigentlich mal wieder schauen, wo in nächster Zeit Tag der offenen Türe bei einer Feuerwehr ist. Aber erstmal schicke ich Max mit einem freundschaftlichen Klaps ins Wohnzimmer, damit ich mich umziehen gehen kann. Schnell in ein paar bequemere Sachen reinhüpfen, denn jetzt müssen wir Gas geben: Schnell gemeinsam eine Kleinigkeit Essen, weil um 18:00 Uhr das Karatetraining beginnt, auf das Max sich schon wieder die ganze Woche freut. Zugegeben: Ich auch. Ich wollte so etwas schon immer mal machen, habe dazu aber nie die Zeit gefunden. Oft ist das zwar ein Rumtoben auf dicken Sportmatten, aber es macht trotzdem Spaß und gibt mir in solchen Situationen das besondere Gefühl, für meinen Sohn da zu sein.

Und weil so viel Aktion natürlich Hunger macht müssen wir unbedingt auf dem Rückweg noch mal an der Pommesbude anhalten und was für die gute Figur tun. Aber ... pssst! ... bloß nichts der Mama erzählen!

Zuhause kommen die beiden Katzen auch wieder zur Begrüßung angelaufen, obwohl sie lange Zeit einen Bogen um Max gemacht haben. So können wir aber wenigstens zusammen mit vier Händen die beiden Katzen durchkrabbeln, bevor es dann so langsam mal weiter in Richtung Kinderzimmer geht. Bettzeit. Natürlich gibt es immer wieder Diskussionen, dass es viel zu früh sei, keiner müde ist und schlafen sowieso schädlich. Aber meistens hilft das Angebot einer Geschichte zum Einschlafen. Manchmal auch nicht, dann muss ich mich halt dazulegen.

Heute reicht die Geschichte zum Einschlafen. Anschließend gehe ich ins Wohnzimmer runter, wo Sandra gerade mit Notebook bewaffnet im Internet surft. Das mit dem Expertenbeitrag habe ich ihr noch gar nicht gebeichtet. Irgendwie dumm, denn die letzten Tage hatte ich auch keine Zeit für sie. Erst das Fachforum am Freitag, bei dem ich an einem Workshop zum Thema prozessorientierte EDV teilgenommen habe und noch einiges nachzuarbeiten hatte, dann das Wochenende, an dem ich viel mit Max draußen war und meine Eltern besuchte, um den Rechner zu reparieren.

Als ich sie frage, was sie denn heute Abend Nettes machen möchte kommt auch prompt das Unvermeidliche: "Weiß nicht, aber Du hast ja eh keine Zeit". Stimmt irgendwie, aber vielleicht ist nun der Zeitpunkt passend, um die Prioritäten zu verändern. Also unterhalte ich mich mit ihr, dass ich noch den Fachbeitrag schreiben müsste, aber ich kann das auch verschieben, wenn ich irgendwo anders ein passendes Zeitfenster dafür finde. Das findet sich auch recht schnell, denn morgen und übermorgen Abend ist noch ein bisschen Zeit frei. Dafür machen wir heute dann lieber eine Flasche Rioja auf und Spielen eine Runde Kanaster. Max kommt auch nur zweimal runter, weil er doch nicht so richtig schlafen kann. Also ab zu uns auf die Couch und ich kann ihn ja später mit hoch tragen, wenn wir selber ins Bett gehen.

Zum Glück ist bald Wochenende und dann kann ich wieder einige liegen gebliebene Dinge aufarbeiten und ein bisschen Zeit mit Max und Sandra verbringen...