Viele
seelischen Probleme haben ihre Ursache in „Beziehungsschwierigkeiten“.
Damit sind nicht nur aktuelle Probleme in der Beziehung zu anderen
gemeint, sondern auch der Umgang, den man mit sich selbst pflegt.
Folgender Satz verdeutlicht die Zusammenhänge: „Man geht so mit sich und
anderen um, wie früher mit einem selbst umgegangen wurde.“ Wer als Kind
angesichts von Schmerzen oft hören musste „Reiß dich zusammen“ wird im
erwachsenen Alter bei neu auftretenden Beschwerden die gleiche Haltung
auch gegenüber der eigenen Person einnehmen und die erwähnte Botschaft
gleichfalls weitergeben. Vor allem sich wiederholende
Beziehungserfahrungen können sich so stark einprägen, dass sie letztlich
die Persönlichkeit prägen und einen Menschen „selbstunsicher“,
„misstrauisch“ oder „impulsiv“ machen (in Ergänzung zu einer sicher
immer auch vorhandenen Veranlagung).
Keine
„Schuldigen“ suchen
Der beschriebene Zusammenhang leuchtet oft
besonders solchen Menschen ein, die von Angst und Depression betroffen
sind: Denn vielen von ihnen fehlten in der Kindheit einfühlsame Eltern,
die in der Lage waren, kindgerecht den Umgang mit Problemen
(insbesondere gefühlsbeladenen Situationen!) vorzuleben. Dass es zu
diesem Mangel kam, sollte man nicht den Eltern anlasten, da diese
entweder selbst krank waren, ihnen das heutige pädagogische Wissen
fehlte oder die Zeitumstände (Krieg, Krisen, Überforderungen usw.) gar
keinen Raum dafür ließen. Die mangelnden Fähigkeiten in der Beziehungs-
und Selbstregulation lassen sich durchaus im Nachhinein noch entwickeln.
Dies gelingt weniger gut mit rein theoretischen bzw. abstrakten Methoden
(Bücher, Filme) als vielmehr in einer guten lebendigen Beziehung. Diese
hinterlässt „prägende Erfahrungen“ und speichert in unterschiedlichen
Gehirnregionen hilfreiche Beziehungs- und Selbstregulationsalternativen.
Letztere ergänzen das vorhandene (meist enge Repertoire) und erschließen
damit neue Freiräume.
Die
„Beziehungsinszenierung“ (das „Beziehungsdrama“) durchschauen
Wer Beziehungen als problematisch erlebt,
profitiert davon, den meist immer wiederkehrenden Konflikt oder das
störende Muster zu erkennen. Viele Menschen können zwar nicht genau
benennen, worunter sie in Beziehungen leiden. Gleichzeitig setzen sie
ihr altes Problem aber durch ihr Verhalten in aktuellen Beziehungen in
Szene. Manche dieser Inszenierungen haben nicht sehr viel mit der
Gegenwart zu tun. Oft lassen sie sich als Lebensthema bis in die
Kindheit, ja sogar bis in die Eltern- und Großelterngeneration
zurückverfolgen. Vor allem Kurztherapien profitieren davon, wenn man ihr
Ziel oder ihren Schwerpunkt auf das Beziehungsverhalten und –erleben
bezieht und das zentrale Problem klar und prägnant formuliert.
„Therapeutische Beziehung“ zur Entwicklung von „Beziehungskompetenz“
nutzen
Es ist sicher, dass eine gute Beziehung
zwischen Patient und Therapeut zu den heilsamen Wirkungen von
Psychotherapie beiträgt. Nutzen Sie also die Beziehung zu Ihrem
Therapeuten als einen „Modellversuch“, in dem sie die Art und Weise
Ihres Umgangs mit Konflikten und anderen Menschen erleben, hinterfragen
und dabei verändern können. Achten Sie auch in diesem Zusammenhang
besonders auf Ihre Gefühle und Ihr Körpererleben. Konflikte in der
therapeutischen Beziehung sind keineswegs eine „Katastrophe“, sondern
bei sachgerechter Behandlung eine wertvolle Chance, konstruktive
Lösungen im zwischenmenschlichen Bereich zu entwickeln und zu
praktizieren. Was Sie aufgrund der Zusammenarbeit mit Ihrem Therapeuten
neu in Ihr Denk-, Verhaltens- und Erlebensrepertoire übernehmen, steht
Ihnen dann in aller Regel auch in anderen Beziehungen zur Verfügung
(auch in der Beziehung zu sich selbst!).
Neue
Beziehungskompetenzen erlernen
1.
Gewöhnen Sie sich an, jedes
Gespräch mindestens auf zwei Ebenen zu analysieren: der „Sachebene“ und
der „Beziehungsebene“. Bei heftigen Konflikten (starke
Emotionsbeteiligung!) wird es sich meist um ein Missverständnis auf der
„Beziehungsebene“ handeln. Wechseln Sie dann möglichst schnell auf eine
„Metaebene“ (meta = darüber gelegen), indem Sie sich mit Ihren
Gesprächspartnern darüber unterhalten, was in der zurückliegenden
Gesprächsphase möglicherweise schief gelaufen ist („Metakommunikation“)
bzw. neben dem Sachthema an emotionalen Themen „gelaufen“ ist.
2.
Auf der Sachebene kommt es
leicht zu Missverständnissen, wenn die Beteiligten einem Sachverhalt
unterschiedliche Bedeutungen zuschreiben. Hier gibt es selten ein
„richtig“ oder „falsch“. Die Lösung besteht oft darin, entweder eine
gemeinsame Bedeutung auszuhandeln oder alle Bedeutungen als gleich
gültig nebeneinander stehen zu lassen.
3.
Üben Sie sich darin, zu
mehreren Personen gleichzeitig gute Beziehungen zu pflegen (nicht nur
auf Dauer, sondern auch wenn Sie gleichzeitig mit mehreren Menschen
zusammen sind). Entwickeln Sie genügend Flexibilität, um gleichzeitig zu
mehreren Personen Kontakt herzustellen und aufrecht zu erhalten (Viele
Menschen können sich bei einem Zusammensein mit mehreren Menschen oft
nur auf jeweils eine Person beziehen).
4.
Erwerben Sie
„Trennungskompetenz“: Fördern Sie Ihre Fähigkeit, sich auch innerlich
von einem Menschen trennen und diesen Verlust betrauern zu können.
5.
Werden Sie „bindungssicher“:
Bleiben Sie innerlich ruhig, wenn sich eine wichtige Bezugsperson einem
anderen Menschen zuwendet.
Unsere
Beziehung innerlich fortführen
Wenn es zu einem guten Kontakt zwischen uns
beiden kommt, sollten Sie nicht überrascht davon sein, wenn Sie sich
plötzlich dabei erwischen, wie Sie mit mir einen „inneren Dialog“
führen, Sie sich also gleichsam im Kopf weiter mit mir unterhalten. Wenn
Sie meine Argumente und Impulse als hilfreich erleben, ist dies meist
ein gutes Zeichen. Es verdeutlicht, dass das „Parlament“ Ihrer inneren
Stimmen um einen weiteren Vertreter reicher geworden ist. Da Sie
vermutlich auch hinderliche Stimmen (Impulse) in sich erleben (z.B.
abwertende oder Angst erzeugende Kommentare), kann die von vom
Therapeuten entliehene Stimme den ungünstigen Einflößungen
möglicherweise rechtzeitig Halt gebieten. Sie stärkt zudem solche
Mechanismen Ihres Nervensystems, die leiderzeugende Gefühle im Zaum
halten. Alle Menschen neigen im Rahmen von Identifikationsprozessen
dazu, die Stimmen wichtiger Bezugspersonen zu verinnerlichen und so ein
Leben lang zu konservieren.
Entwickeln
Sie eine Feedback-Kultur
Seien Sie möglichst spontan und teilen Sie
Ihrem Therapeuten möglichst alles mit, was während der therapeutischen
Sitzung in Ihnen vorgeht, besonders wenn Sie den Eindruck haben, dass es
durch Ihr Gegenüber bzw. die Art des Kontakts bei Ihnen ausgelöst wird.
Umgekehrt wird auch Ihr Therapeut Ihnen gerne erläutern, was in ihm vor
sich geht, soweit sich dies mit Ihrer Person und der therapeutischen
Zusammenarbeit verbinden lässt (sog. Übertragung und Gegenübertragung).
Dazu dienen nicht zuletzt auch schriftliche Hilfsmittel, wie ein
schriftliches „Sitzungsfeedback“ oder vom Therapeuten ausgehändigte
Unterlagen mit Beobachtungen und Anregungen. Feedbacks sind besonders
effektiv, wenn sie rasch gegeben werden und immer auch etwas über die
bei den Beteiligten ausgelösten Gefühle verraten.
Gönnen Sie
sich neue gute Beziehungen
Therapeuten
erleben eher selten „Blitzheilungen“. In den wenigen Fällen, in denen
dies der Fall ist, handelt es sich oft um Patienten, die einen neuen
Partner oder eine neue Partnerin bzw. sehr gute neue Freunde kennen
gelernt haben. Innerhalb kürzester Zeit scheint ihr Leid wie
weggeblasen. Dies beruht sicherlich nicht nur auf den mit solchen
Erlebnissen verbundenen guten Gefühlen, sondern auch auf „neuen
Beziehungserfahrungen“. Hier hat sich folgender Satz vielfach als
hilfreich erwiesen: „In jeder Beziehung ist man ein anderer.“ Damit ist
gemeint, dass jeder Mensch, dem wir begegnen uns zu einem für ihn
typischen Beziehungsverhalten einlädt. Gegenüber unterschiedlichen
Menschen verhalten wir uns also immer mehr oder weniger unterschiedlich.
Diese Hinweise wollen Sie auf keinen Fall zu einem Partnerwechsel
ermuntern, auch wenn dies in verfahrenen und zerstörerisch wirkenden
Beziehungen eine durchaus vernünftige Lösung sein kann.
Die
nachstehenden Fragen habe ich folgender Quelle entnommen:
Arbeitskreis OPD: Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik.
Grundlagen und Manual. 2. Auflage 1998)
Hilfreiche
Kriterien zur Selbsteinschätzung im Beziehungsverhalten:
Unterstreichen
oder markieren Sie farblich, welche 3 Verhaltensweisen Sie anderen
Menschen gegenüber vermehrt an den Tag legen:
1.
Sie lassen den anderen
gewähren,
2.
Sie bestätigen den anderen,
3.
Sie erkennen ihn an ,
4.
Sie helfen dem anderen,
5.
Sie belehren den anderen,
6.
Sie fordern vom anderen,
7.
Sie beherrschen den anderen,
8.
Sie kontrollieren den anderen,
9.
Sie klagen den anderen an,
10.
Sie beschämen den anderen,
11.
Sie manipulieren den anderen,
12.
Sie greifen den anderen an,
13.
Sie weisen den anderen zurück,
14.
Sie lassen den anderen im
Stich,
15.
Sie ignorieren den anderen.
Unterstreichen
oder markieren Sie farblich, auf welche Weise Sie bevorzugt auf das
Verhalten anderer reagieren:
1.
Sie trotzen,
2.
Sie betonen Ihre
Selbstständigkeit,
3.
Sie stellen sich in den
Mittelpunkt,
4.
Sie rivalisieren,
5.
Sie vertrauen sich an,
6.
Sie klammern sich an,
7.
Sie unterwerfen sich,
8.
Sie nehmen sich zurück,
9.
Sie geben auf,
10.
Sie beschwichtigen,
11.
Sie reagieren gekränkt,
12.
Sie rechtfertigen sich,
13.
Sie ergreifen die Flucht,
14.
Sie sondern sich ab,
15.
Sie schotten sich ab.
Beschreiben Sie,
wie Sie bzw. andere Ihr Verhalten in Beziehungssituationen erleben:
Ich erlebe mich im
Kontakt mit anderen oft so, dass ich mich so verhalte,
dass.................
.............................................................................................................................................
Ich erlebe andere im
Kontakt mit mir oft so, dass sich diese mir gegenüber so verhalten,
dass......................................................................................................................................
Andere sagen, dass
sie mein Verhalten häufig so erleben,
dass........................................
.............................................................................................................................................
Andere erleben sich
selbst häufig so im Kontakt mit mir,
dass............................................
.............................................................................................................................................
Setzen Sie
diese unterschiedlichen Erlebnisweisen zu einem Gesamtbild zusammen, das
mögliche Konflikte verdeutlicht.
.............................................................................................................................................
.............................................................................................................................................
.............................................................................................................................................
.............................................................................................................................................
Beispiel: Ich erlebe
mich in einer versorgenden, helfenden Haltung, die mich überfordert. Ich
beschuldige andere wegen ihrer Ansprüche und ihrer Ignoranz. Offenbar
merke ich nicht, dass ich dabei andere bestimme. Diese ziehen sich zurück,
was bei mir zu vermehrtem Anklammern führt.
|