Unterschiedliche
Denkstile im Umgang mit der Welt (ein interkultureller Vergleich)
(als
pdf-File)
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Viel zu selten machen wir uns im Alltag
bewusst, wie unterschiedlich Menschen mit der Welt umgehen. Ein Vergleich
zwischen westlichem Denken (Europa, USA) und östlichem Denken (China,
Japan) kann dies verdeutlichen. Einen prägnanten Überblick mit zahlreichen
Beispielen bietet Simon Ehlers in der Zeitschrift „PSYCHOLOGIE HEUTE“
(Heft 2/2004). Der Autor beginnt mit der Frage: Huhn, Kuh, Gras – welche
der Begriffe passen zueinander?“ Wie würde Ihre Antwort lauten? Folgt man
Ehlers, dann würden nordamerikanische Kinder vor allem eine Verbindung
zwischen „Huhn und Kuh“ sehen, während die Mehrheit chinesischer Kinder
eine Verbindung zwischen Kuh und Gras herstellen würde – denn eine Kuh
frisst Gras. Offenbar sehen westliche Menschen die Welt als Ansammlung
einzelner Objekte, die sich abstrakten Kategorien zuordnen lassen, während
östliche Menschen vermehrt auf Zusammenhänge achten und die Beziehungen
zwischen Lebewesen und Dingen zur jeweiligen Umwelt herausstellen.
Weitere Beispiele:
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Westlicher Kulturkreis |
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Östlicher Kulturkreis |
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Sichtweise |
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Analytisch: Die Welt
gilt als relativ einfach und übersichtlich, man muss sie lediglich in
Bestandteile zerlegen und deren Gesetzmäßigkeiten entdecken. Die Welt ist
einigermaßen statisch und stabil. Man geht von Gesetzen aus, die über den
Moment hinaus gültig sind und bei denen sich die Dinge nicht oder nur in
berechenbarer Weise verändern. |
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Ganzheitlich: Die Welt
ist kompliziert, voller Wechselwirkungen und Abhängigkeiten. Nur
Erkenntnisse mit direktem praktischen Nutzen sind wichtig. Das
Weltgeschehen verläuft dynamisch und zyklisch. Die Dinge sind einem
ständigen Wandel unterworfen. |
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Gesellschaft und
Selbstverständnis |
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Man empfindet sich als
unabhängiges Individuum, das eigene Pläne hat und diese gegen die
Interessen anderer durchsetzt. |
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Man sieht sich als
Teil der sozialen Gemeinschaft, in der kollektive Ziele Priorität haben
und in der man sich anpasst, um ein harmonisches Zusammensein
sicherzustellen. |
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Ursachenzuschreibung |
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Die Ursachen werden
vor allem dem Handelnden zugeschrieben (beispielsweise bei einer
Straftat). Eine wortkarge Verkäuferin gilt als „arrogant“, der Drängler
auf der Rolltreppe als „rücksichtsloser Egoist“. |
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Der Umwelt wird ein
wichtiger Einfluss zugeschrieben. Man sucht nach nachvollziehbaren Gründen
(vielleicht wurde die Verkäuferin gerade gekränkt und eilte der „Rüpel“ zu
einem verletzten Freund ins Krankenhaus). |
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Persönlichkeit |
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Die Meinung überwiegt,
dass Menschen in ihrer Persönlichkeit relativ festgelegt sind. |
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Menschen gelten als
sehr formbar. In der Lehre des Konfuzius hat jeder die Möglichkeit – und
Pflicht – sich anzupassen und weiterzuentwickeln. |
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Umgang mit
Widersprüchen (Problemen) und Konflikten |
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Bei der Lösung von
Problemen sucht man die offene Diskussion, in der man zunächst den anderen
für seine Sichtweise gewinnen will. Kompromisse sind nicht das erklärte
Ziel, sondern eher eine Notlösung. |
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Asiaten haben einen
flexiblen Umgang mit Widersprüchen. Sie akzeptieren, dass Situationen oder
Menschen gleichzeitig sehr unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Viele
Gegensätze werden sogar als notwendig angesehen. Asiaten sehen selten die
Notwendigkeit, sich für eine Position zu entscheiden. Sie sind auf
Ausgleich und Harmonie bedacht und suchen die goldene Mitte. |
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Erziehungsschwerpunkte |
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Amerikanische Mütter
bezeichnen beim Spielen mit ihren Babys einzelne Objekte doppelt so häufig
wie Japanerinnen. |
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Japanerinnen üben im
Vergleich zweimal so oft mit ihren Kindern soziale Verhaltensweisen.
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Sprechen |
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Babys im Westen
beherrschen von Anfang an vor allem Substantive („Auto“, „Räder“).
Substantive klassifizieren die Umwelt. |
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Japanische Kinder
lernen Verben mindestens genau so schnell. Verben stellen die Verbindung
zwischen dem Handelnden und dem Ziel seiner Handlung her. |
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Gedächtnis |
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Leichterer Zugriff auf
kontextunabhängige Gedächtnisinhalte |
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Leichterer Zugriff auf
kontextabhängige Gedächtnisinhalte |
Im Prinzip beherrschen Menschen aller Kulturen die unterschiedlichen
Denkstile. Sie werden lediglich in jeder Kultur unterschiedlich häufig
aktiviert.
Über die geschilderten
Beispiele hinaus gibt es natürlich zahlreiche weitere Denkstile, die sich
in unterschiedlicher Häufigkeit auch in unserer Kultur finden.
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Vorliebe für Struktur und Organisation |
Vorliebe für
Spontaneität |
Verlass auf Routinen |
Suche nach
Alternativen |
Hin-zu-Tendenz (will etwas
dazugewinnen) |
Weg-von-Tendenz
(will etwas loswerden) |
Freude am Detail |
Lust am Überblick |
Achten auf Verschiedenheit |
Achten auf
Übereinstimmung |
Verlass auf Überprüfbare Fakten |
Intuition als
Hauptinformationsquelle |
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Nehmen Sie sich die
Zeit und skizzieren Sie anhand der hier erwähnten Beispiel Ihr
persönliches Denkstil-Profil:
Mein Denken und
Handeln zeichnen sich dadurch aus, dass ich
1)
.................................................................................................
2)
.................................................................................................
3)
.................................................................................................
4)
.................................................................................................
5)
.................................................................................................
Quelle: Simon Ehlers:
Der Kreis und die Linie. Die Geografie des Denkens. PSYCHOLOGIE HEUTE
2/2004, S. 48-53
Link zur Website von GTP - Gesellschaft für türkischsprachige
Psychotherapie und psychosoziale Beratung:
http://www.aktpt-online.de/ |
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