Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Umgang mit Gedanken
- Unser Verstand - nur ein "Papaguhn"?


Zu den wichtigsten Einsichten in meiner therapeutischen Arbeit und meiner eigenen persönlichen Entwicklung gehörte die Erkenntnis, dass unser Verstand nur eine Teilrolle in unserem Leben spielt. Viele Menschen sind angesichts eines Gefühls in der Lage, zu pausieren und sich zu fragen, ob sie dem betreffenden Gefühl jetzt folgen wollen. Dagegen gelingt es eher wenigen Menschen, sich in vergleichbarer Weise gegenüber Äußerungen ihres Verstandes (Gedanken) zu distanzieren und diese gegebenenfalls sogar infrage zu stellen. Das liegt vermutlich daran, dass die meisten Menschen unterstellen „Ich bin es doch, der dies denkt. Warum sollte ich also daran zweifeln?“ Und genau diesen Gedanken möchten die folgenden Ausführungen nachhaltig erschüttern. Die Aussicht, dem eigenen Verstand nicht vorbehaltlos trauen zu können, mag schon jetzt viele Leser massiv verunsichern und „sicherheitshalber“ zum Beiseitelegen dieses Textes motivieren. Schade, wenn dem so wäre. Denn ein vorsichtigerer Umgang mit dem Verstand (bzw. dem „Denken“) führt keineswegs zur Verblödung, sondern macht vor allem freier und nicht zuletzt lebenstüchtiger. Keine Sorge: Die weiteren Überlegungen wollen den Verstand keineswegs verteufeln (Denn er ist sehr wohl oft ein SEHR wichtiger Helfer!) oder gar Sie zu einem Verhalten ohne jeglichen Verstand motivieren. Es geht lediglich darum, an seinem vor allem in westlichen Kulturen verbreiteten Monopol zu rütteln und ihm eine weniger dominante Rolle in unserem Leben zuzuweisen. Dabei wird es dann auch darum gehen, vielen oft vernachlässigten Aspekten unseres Daseins (wie insbesondere den Gefühlen) zu mehr Bedeutung zu verhelfen (engl. „Loose your mind and come to your senses“) bzw. wieder ganzheitlicher zu leben.

Sie haben weiter gelesen? Dann sind Sie offenbar bereit sich vorzustellen, dass Sie (a) weitaus mehr sind als Ihr Verstand und (b) dass die meisten Ihrer Gedanken gar nicht von Ihnen selbst stammen, sondern von anderen längst vorgedacht und von Ihnen lediglich durch „Lernen“ übernommen wurden. Wir alle sind bei genauerem Hinsehen vollgestopft von „Glaubenssätzen“ (Grundannahmen) über das Funktionieren der Welt und unsere Rolle in dieser („Ohne Fleiß, kein Preis.“ „Ich bin, was ich leiste.“ „Ordnung ist das halbe Leben.“). Wenn wir diese nachplappern und uns selbst und anderen weiter erzählen, verhalten wir uns nicht viel anders als ein Papagei. Unser „Bildungssystem“ fördert solche Verhaltensweisen, wenn es besonderen Wert darauf legt, dass wir „Wissen speichern“ und dieses „reproduzieren“. Noch immer fragen viele Prüfungen genau diesen Mechanismus ab und belohnen vor allem diejenigen, die das auswendig gelernte Wissen (Glaubenssätze) am besten wiedergeben können. Dass unsere Gedanken („Glaubenssätze“) uns keineswegs nur gut tun, ahnen Sie anscheinend bereits selbst, sonst hätten Sie diesen Text vermutlich gar nicht bis hierher gelesen. Denn viele Gedanken machen uns das Leben sogar regelrecht schwer, etwa in der Form von „Das kannst du nicht.“ „Du bist ein Versager“. „Keiner will dich.“ „Aus diesem Loch kannst du nicht rauskommen.“ „Was sollen die anderen denken?“ „Du müsstest eigentlich…“ „Ich habe mein Leben vergeudet.“ „Warte lieber ab“ „Wenn es mir besser geht, werde ich ein neues Leben anfangen.“ usw. Mancher Leser wird auch schon schmerzhaft erlebt haben, dass viele schöne Momente durch das „Dazwischenreden“ des Verstandes ihren Zauber und Reiz verloren. So kann ein Witwer, der gerade einen wunderschönen Sonnenuntergang beobachtet, durch folgenden Gedanken in seinem Erleben beeinträchtig werden „Du bist ein schlechter Mensch. Wie sonst kannst du dich jetzt schon an Dingen erfreuen, wenn deine Frau erst vor drei Monaten gestorben ist.“ Nicht selten kommt es auch vor, dass selbst bei intimen Begegnungen zweier Menschen (also insbesondere in der Sexualität) zu vieles Denken das Fühlen erschwert, ja sogar die Ursache von Impotenz sein kann („Mache ich es richtig?“ „Was denkt sie/er jetzt wohl von mir?“ „Verhalte ich mich männlich genug?“ „Ich muss meinen Bauch einziehen“ „Rieche ich angenehm genug?“ „Ob er/sie jetzt von mir erwartet…?“)

Wichtiger Tipp: Notieren Sie vor dem Weiterlesen im Folgenden selbst, wenigstens drei Gedanken, die Sie schon wiederholt von einem fröhlich-gelassenen Leben abgehalten haben:

 

 

 

 

 

 

Weil wir davon ausgehen, dass unser Verstand an sich so klug und hilfreich ist, kommen wir gar nicht mehr auf die Idee, die Leistungen und Möglichkeiten des Verstandes an sich überhaupt noch zu bezweifeln. Wir Menschen sind in der Lage, mit Hilfe von Sprache die Wirklichkeit zu beschreiben und mit ihr „geistig zu spielen“ (also beispielsweise Vorhersagen zu machen). Da wir uns besonders gern in dieser Gedankenwelt aufhalten, laufen wir ständig (!!!) Gefahr, unsere gedanklichen Vorstellungen mit der eigentlichen Wirklichkeit zu verwechseln. So kommt es, dass unzählige Menschen allein unter ihren gedanklichen (!) ERWARTUNGEN massiv leiden („Das werde ich nicht schaffen.“ „Wenn ich dorthin gehe, wird man mich auslachen“). Vielen wäre allein schon damit geholfen, wenn sich die Betreffenden immer und immer wieder sagen würden „Das ist nur ein Gedanke“ (ergänzt durch: „Mal sehen, wie es in der Wirklichkeit tatsächlich ablaufen wird.“). Leider geben sehr viele Menschen dann von vornherein der Wirklichkeit keine Chance mehr, sie von einem anderen Ablauf zu überzeugen. Sie hören lieber auf ihre Gedanken (den „Verstand“) und schrecken von Erprobungen zurück. Sie sind nicht mehr „erlebnisbereit“ bzw. „erlebnisoffen“. Da unser Gehirn vor allem durch emotional vermittelte Erfahrung lernt, braucht ein solcher Verstand nie mehr umzulernen, da ihm neue (korrigierende) Erfahrungen von vornherein verwehrt bleiben.

Zum Leid der Betroffenen kommt erschwerend hinzu, dass der Verstand bzw. das Denken (leider?) keine Pause kennt. Sogar in der Nacht (z.B. in Form von Träumen) oder während des Tages in Form ständigen Grübelns wird ständig weiter gedacht. Selbst in vielen Momenten der Ruhe und Entspannung „schießen“ unerwartet immer wieder (oft störende) Gedanken ein (Beispiele: „Statt hier zu sitzen, solltest du lieber…“ „Was wird deine Mutter denken, wenn Sie dich hier so sitzen sieht?“).

Angesichts solcher Erfahrungen ist es vielleicht gar nicht mehr so schwierig, sich vorzustellen, dass das Denken (unser Verstand) ein in uns pausenlos ablaufender (autonomer) Prozess ist. Er arbeitet ähnlich wie unsere Körperdrüsen, die kontinuierliche Säfte produzieren oder wie das Herz, das pausenlos Blut pumpt. In dieser durchaus vertretbaren Betrachtungsweise nimmt das Denken dann nicht mehr den „dominierenden“ und allem anderen übergeordneten Platz in unserem Leben ein. Es ist genau so hilfreich, sinnvoll und unverzichtbar (!) wie unsere Drüsen und unser Herz, es ist aber nicht mehr der alleinige Diktator, sondern ein gleichberechtigtes Teammitglied unter vielen. Um diese Sichtweise zu veranschaulichen sitzt in meinem Praxisraum ein „Pagaguhn“, das unser Denken symbolisieren soll (Papaguhn ist eine Wortkombination aus PAPAGei = Nachschwätzen und hUHN = Gackern) . Das „Papaguhn“ gackert pausenlos, wobei es bevorzugt, alte ihm antrainierte Sprüche (wie ein Papagei) wiederholt. Mitunter passt ein solcher Spruch und ist dann hilfreich, aber viel häufiger kommen die Sprüche auch zur Unzeit und in völligem unpassendem Zusammenhang. Interessanterweise wird wohl kaum ein Papageibesitzer sich von seinem Papagei beherrschen lassen (notfalls wird der Käfig mit einem Tuch zugehängt und der Vogel zum Verstummen gebracht). So wie man an einem prächtigen Papagei und seinen Sprüchen Freude haben kann, so sollte man vielleicht auch den eigenen Verstand interessiert und stolz betrachten. Außerdem kann man jederzeit dem Papagei hilfreichere Sprüche beibringen, so dass man dann im Alltag häufiger an Wichtiges erinnert wird (siehe dazu das Merkblatt über Affirmationen). Leider vergessen viele Menschen im Alltag, dass ihr Verstand Ähnlichkeiten mit einem „Pagaguhn“ aufweist. Sie lassen sich dann von dessen Mitteilungen beherrschen, auch wenn sie darunter noch so stark leiden. In diesem Zusammenhang kann auch ein Inventar der bisherigen Glaubenssätze (Grundannahmen) bzw. „automatischen Gedanken“ hilfreich sein.

Wem diese Informationen noch nicht genügen, um die nötige Distanz zum inneren „Pagaguhn“ aufzubauen, der kann mit Hilfe von Meditation erlernen, wie man seine Gedanken von außen betrachten lernt. Dies wird oft durch die Vorstellung erleichtert, dass man sich die Gedanken wie Wolken vorstellt, die man im Gras liegend betrachtet, während sie kommen und gehen (ohne dass man auf den Inhalt der Gedanken einsteigt). Man nimmt sie wahr, ohne sie zu bewerten oder zu verwerten und lässt sie weiterziehen.

Auch die Lektüre des am Ende des Textes erwähnten Arbeitsbuches „In Abstand zur inneren Gedankenmaschine“ bzw. die hinter diesem Buch stehende Acceptance-und-Commitment-Therapie beschreibt eine Fülle nützlicher Techniken, um sich nicht länger einseitig vom Verstand bzw. Denken vereinnahmen zu lassen. Hier sind einige Beispiele, die Sie gerne einmal ausprobieren können:

1)     Schreiben Sie einen belastenden Gedanken auf ein Stück Papier und legen Sie dieses in einer Ecke ab. Spüren Sie in sich hinein, wie es sich für Sie anfühlt, einen Gedanken auf diese Weise loszuwerden und ihn allenfalls aus der Ferne zu betrachten.

2)     Sprechen Sie den Gedanken laut und so schnell wie möglich 100mal bzw. mindestens eine Minute lang aus. Achten Sie darauf, wie sich der Gedanke nach einiger Zeit anhört und anfühlt, während Sie ihn immer noch ganz schnell aussprechen.

3)     Probieren Sie aus, wie sich der Gedanke in Ihrem Erleben verändert, wenn Sie ihn auf verschiedene Art und Weise laut aussprechen (z.B. als dramatischen Gesang, als heimliches Geflüster, als albernes Gekichere, mit ständig schwankender Tonlage usw.).

Sie werden dabei wahrscheinlich erleben, wie zunehmend fremder und unpersönlicher Ihnen der betreffende Gedanke vorkommt, so dass Sie sich immer leichter davon distanzieren können.

Bitte berücksichtigen Sie, dass Sprache (auf der unser Denken überwiegend beruht) nur ein Hilfsinstrument ist, das uns Vorhersagen und das geistige „Ausprobieren“ erleichtern soll. Sprache kann NIEMALS die Wirklichkeit auch nur einigermaßen korrekt „abbilden“. Das klingt z.B. in der Volksweisheit an „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“. Denken und Sprache wollen uns helfen, in der Unübersichtlichkeit und Unberechenbarkeit der Realität (also ihrer Komplexität) „Ordnung“ zu entdecken und damit etwas Sicherheit zu erleben. Lücken in unserer Wahrnehmung füllt unser Verstand daher fast immer so aus, dass das Ergebnis zu unseren Erwartungen passt. Für Phänomene, die wir mangels Wissen nicht erklären können, erfindet der Verstand notfalls eine Geschichte, die das Ganze für uns und unsere Umwelt stimmig erscheinen lässt.

Um dies zu veranschaulichen spiele ich in meiner Praxis gerne den Bericht von einem dokumentierten Hypnose-Experiment vor. Dabei hatte man einer Person in Hypnose suggeriert, sie solle beim Abendessen am gleichen Tag einen Stuhl auf den Tisch stellen. Anschließend suggerierte man ihr, dass sie sich nicht bewusst sein sollte, diesen Befehl erhalten zu haben. Beim Aufwachen aus der Hypnose berichtete der Versuchsleiter bedauernd, dass die Hypnose misslungen sei und dass man sie vielleicht bei Gelegenheit wiederholen würde. Beim anschließenden Abendessen war zu beobachten, wie die betreffende Person unruhig auf dem Stuhl schaukelte und dann zu den anderen Anwesenden sagte: „Es tut mir leid, aber irgendetwas mit dem Stuhl stimmt nicht. Ich muss einmal aufstehen und nachsehen, ob mit den Stuhlbeinen etwas nicht stimmt.“ Daraufhin nahm die Testperson den Stuhl, stellte ihn auf den Tisch, begutachtete ihn, fand nichts und stellte ihn wieder auf den Boden. Ab dann verhielt sich die Versuchsperson normal wie alle anderen. Um es nochmals zu betonen: Das beschriebene Experiment ist genau so abgelaufen, wie es hier skizziert wurde! Fazit: Um dem suggerierten und zugleich unsinnig erscheinenden Handlungsimpuls in der Öffentlichkeit nachgeben zu können, erfand der Verstand eine Erklärung, die für alle Beteiligten plausibel war, die aber mit den realen Gegebenheiten, nämlich dem hypnotischen Befehl, absolut nichts zu tun hatte. Vermutlich bietet uns unser Verstand solche Erfindungen häufiger an, als uns lieb ist.

Von Curt Fredrikson übernehme ich gerne das Bild, dass der Verstand den Stützrädern an einem Kinderfahrrad gleicht. Diese erleichtern es dem Kind, das Fahrradfahren zu erlernen. Im übertragenen Sinn würde das bedeuten, dass der Verstand uns darin unterstützt, im Chaos der Welt besser zurechtzukommen. So wie ein Kind zunehmend unabhängiger von den Stützrädern wird, sollten auch Erwachsene unabhängiger von den ständigen Einflüsterungen des Denkens werden. Fredrikson weist zudem darauf hin, dass uns der Verstand oft den Blick auf die Realität verstellt, indem er uns an Ideale glauben lässt. Letztere verhindern, dass wir die Realität annehmen so, wie sie ist, und dass wir an den Unterschieden zwischen Ideal und Realität (unnötig!) leiden. Nach Ansicht Fredriksons fördern Ideale eine „Trance“, die das Bewusstsein lähmt. Ideale seien die „Schlachtbank der Realität“ und glichen einem Leuchtturm, an dessen Fundament unzählige Schiffe zerschellen, weil ihre Kapitäne nicht begriffen haben, dass ein Leuchtturm niemals das Ziel der Reise ist.

Nicht zuletzt hat auch die Arbeit der Amerikanerin Byron Katie vielen Menschen geholfen, anders mit ihren Gedanken umzugehen und diese insbesondere nicht länger mit der Wirklichkeit zu verwechseln. Die Autorin lädt ihre Klienten zuerst dazu ein, einen Gedanken über jemand anderen aufzuschreiben, der dem Klienten „Stress“ bereitet (z.B. „Mein Freund liebt mich nicht mehr.“). Nachdem der Gedanke aufgeschrieben ist, lässt Byron Katie ihn anhand von folgenden vier Fragen konsequent durchprüfen:

  1. Ist das wahr?
  2. Weißt du mit absoluter Sicherheit, dass dies wahr ist?
  3. Wie reagierst auf diesen Gedanken, wenn du annimmst, er sei wahr?
  4. Wer wärest du bzw. wie wäre dein Leben, wenn es diesen Gedanken in dir nicht geben würde?

Die meisten Betroffenen merken schon beim Durcharbeiten („The Work“) dieser Fragen, auf welch wackeligen Beinen ihr (gedachtes) Unglück steht. Zusätzlich zu den vier Fragen lädt Katie Byron meist noch zu einer „Umkehrung“ des Stress erzeugenden Gedankens ein. Dabei wird zum einen der Inhalt umgekehrt, zum anderen der Bezug der Personen. Aus „Mein Freund liebt mich nicht mehr“ wird dann beispielsweise „Mein Freund liebt mich“ bzw. „Ich liebe meinen Freund nicht mehr“ bzw. „Ich liebe mich selbst nicht mehr“. Zu jedem der Umkehrsätze sollen außerdem möglichst immer mindestens drei Beispiele gefunden werden, die den Satz bestätigen. Auf diese Weise gelingt es der Autorin meist, den ursprünglichen Stress erzeugenden Satz komplett aufzuweichen und damit neue Sicht- und Erlebnisweisen zuzulassen. Auch Byron Katie geht davon aus, dass „ES („the mind“) denkt“ und wir bzw. die Wirklichkeit nicht mit unseren Gedanken gleichzusetzen sind. Nutzen Sie die Gelegenheit, anhand dieses Vorgehens nun Ihre eigenen belastenden Gedanken (die Sie hoffentlich oben notiert haben) einmal probehalber „durchzuprüfen“.

Wer einmal den nötigen Abstand zu seiner inneren „Gedankenmaschine“ (dem „Papaguhn“) gefunden hat, kann leichter nachvollziehen, wie uns dieser Dauermechanismus glauben macht, wie die Welt „ist“ und wie mit ihr umzugehen sei. Dabei ist es dieser innere Automatismus selbst, der die Vorstellungen „konstruiert“, die wir dann entweder für die Wirklichkeit selbst halten oder auf die wir so reagieren, als wären sie die Wirklichkeit. Hilfreiche weitere Beiträge zu hier skizzierten Thematik liefert der sog. Konstruktivismus, dem ein eigenes Merkblatt gewidmet ist. Wer sich mehr durch Filme als durch Texte ansprechen lässt, dem kann ich empfehlen, sich den Film „Matrix“ anzusehen (erstmalig oder zum wiederholten Male). Dieser Sciencefiction-Film veranschaulicht, dass wir Menschen eingebettet in unsere gedankliche Programmierung (die „Matrix“) leben und diese genau so schwer erkennen können, wie vermutlich der Fisch das Wasser. Diese Gedankenwelt („Matrix“) ist zum geringsten Teil unsere eigene Schöpfung, was zur Folge hat, dass wir überwiegend fremd gesteuert leben und wahrnehmen.

Die Tatsache, dass wir unsere Gedanken betrachten können wie vorbeiziehende Wolken, beweist, dass wir eben weitaus mehr sind als diese Gedanken bzw. der sog. Verstand. Sonst gäbe es ja gar nicht die Möglichkeit des Beobachtens dieser Gedanken wie von außen. Den Beobachter selbst kann man völlig wertungsfrei und ohne spirituellen Bezug als „Seele“ bezeichnen. Dabei sind die Trennungen zwischen Körper, Verstand und Seele letztendlich sicher künstlich, da alle genannten Phänomene immer auch aufeinander bezogen sind. Für meine eigene Person hilft mir die der Acceptance-und-Commitment-Therapie entliehene Vorstellung, dass meine Person einem Theatergebäude ähnelt, das den Gedanken Raum bietet, ihre „Stücke“ zu inszenieren. Art und Inhalt der Aufführungen bestimmen damit noch lange nicht die Natur des Theatergebäudes (Sie entscheiden also nicht, wer ich selbst wirklich bin). Manche Autoren bevorzugen das Bild, dass unsere Person wie ein Gefäß ist, durch welche das Leben hindurchfließt bzw. welche dem Leben Raum gibt, sich zu entfalten.

Zusammenfassende Hinweise:

1)     Verwechseln Sie sich nicht mit Ihrem „Verstand“, Sie sind mehr als dieser, der in seinen Funktionen eher anderen Organen des Körpers gleicht.

2)     Betrachten Sie wohlwollend die pausenlosen Vorschläge Ihres Verstandes, ohne sich verpflichtet zu fühlen, auf alle Einflüsterungen hören zu müssen. Ihr Verstand blickt immer zurück auf bisherige Erfahrungen, um von diesen auf die Zukunft zu schließen. Ihm ist nicht bewusst, dass sich einmal gemachte Erfahrungen nicht wiederholen müssen.

3)     „Schrumpfen“ Sie einen in seiner Bedeutung möglicherweise wasserkopfartig gewachsenen Verstand auf ein gesundes Normalmaß und akzeptieren Sie Ihre Gefühle als mindestens gleichwertige Helfer.

4)     Trainieren Sie sich darin, Vorgaben Ihres Denkens von der Realität zu unterscheiden, indem Sie diese konsequent hinterfragen. Erinnern Sie sich bei passender Gelegenheit mehrfach daran, dass Denken und Wirklichkeit zweierlei sind. Nutzen Sie dazu die Formel „Das ist nur ein Gedanke“.

5)     Füttern Sie das „Papaguhn“ mit Gedanken, die für Sie gesundheitsförderlich sind (siehe Merkblatt Affirmationen). Über kurz oder lang wird Ihr Verstand dann mit anderen Vorschlägen und Kommentaren aufwarten.

Buch- und CD-Empfehlungen:

1)     Steven C. Hayes / Spencer Smith: In Abstand zur inneren Wortmaschine. Ein Selbsthilfe- und Therapiebegleitbuch auf der Grundlage der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). Dgvt Verlag 2007. rund 300 Seiten im DIN A4-Format. 24 Euro

2)     Byron Katie: Lieben was ist. Wie vier Fragen Ihr Leben verändern können. Goldmann 2002. 384 Seiten. Euro 22,90
als Hörbuch: Byron Katie: Lieben was ist. Wie vier Fragen Ihr Leben verändern können. Goldmann 2009. Audiobook mit 10 CDs. Euro 24,95

3)     Curt Fredriksson: In mir ist ein tiefes Glück. Prinzipien des Kriegermanagements. Mankau 2009. 92 Seiten. Euro 19,90