Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Hypochondrie Fallbeispiel

Tagebuchaufzeichnungen zum Verlauf nach der fünften Therapiesitzung

Donnerstag

Ich stehe also auf der Leiter. Zwei Stufen fehlen noch bis zum Rand und ich trage den bunten Schal um den Hals. Plötzlich bemerke ich einen kühlen Wind, schaue nach oben und da steht niemand mehr, der meine Leiter hält und mich nach oben geleitet. Ich bin alleine! Nun bekomme ich doch einen Schreck, aber da ist ja dieser Zettel an der Wand und ich steige kühn eine Stufe nach oben. Die letzte Therapiestunde hat so viel bewegt in mir: Das einsame Kind in mir muss nach über 50 Jahren befreit werden. Es wohnte unbemerkt von mir und Herr Dr. Mück hat es entdeckt und ausgegraben. Es hat mir so viel zu erzählen. Ich lasse für mich selbst Gefühle zu, ja Mitleid (kenne ich sonst für andere Menschen) und weine ein paar Tränen. Aber ich schaue auch nach vorne und beschäftige mich schon aus geschichtlicher Perspektive mit dem Leben von E. und einer Zeit (mein jetzt wieder belebtes Interesse, das ich in Kursen vertiefen will).

Freitag

Heute traue ich mich etwas. Ich hole mein altes Fotoalbum heraus (das habe ich viele Jahre nicht gemacht) und betrachte das kleine Mädchen mit seinen langen schwarzen Locken. „Tausend“ Erinnerungen werden wach. Ich schaue lange, dann lege ich das Album zurück und weine ein bisschen. Die Leiter wackelt ein wenig, aber ich halte mich fest und bleibe stehen.

Samstag/Sonntag

Obwohl es meinem Enkelsohn besser geht, bekomme ich beim Besuch im Krankenhaus körperliche Probleme. Ich habe wieder das Gefühl, einen Hut auf dem Kopf zu haben, bekomme Druck auf dem Hinterkopf, Augenprobleme und Zungenbrennen. Erst gegen Abend geht es mir etwas besser. Ich lese in meinem kleinen Büchlein „Flüstern der Seele“ von Rabindranath Tagore. Ohne den gewünschten Erfolg. Aber ich bleibe auf der Leiter stehen. Für meine Leute bin ich wieder ganz die Alte, aber so ist es noch nicht!

Montag

Alle Vorgespräche mit S. wegen dem Studium sind gut verlaufen und die Bücher bestellt. Jetzt habe ich doch ein wenig Angst vor dem eigenen Mut. Bei der Gelegenheit habe ich mir die Biografie von Rosa Luxemburg gekauft: „Im Lebensrausch, trotz alledem“. Ich bewundere starke Frauen, die viel bewegt haben in ihrem Leben. Als ich am Sonntag meinen Enkelsohn im Krankenhaus besuchte, fiel mir ein Plakat auf „Wünsch dir was!“. Es ist ein Verein, der schwer erkrankten Kindern letzte Wünsch erfüllt. Meine Freundin und ich entschlossen uns spontan, ihn mit Spenden zu unterstützen. Trotzdem bin ich traurig und habe einen Hut auf und Zungenbrennen. Zwei Stufen fehlen noch immer bis zum Rand auf der Leiter! Ich muss mehr Geduld mit mir selbst haben.

Dienstag/Mittwoch

Nun habe ich mich selbst ins Leben entlassen. Ich empfinde es als Abenteuer. Wie ein Autorennen. Werde ich das Ziel erreichen? Wie konnte ich nur in dieses tiefe Loch fallen? Aus dem Krankenhaus kommen schlechte Nachrichten, die Leiter wackelt und wackelt. Aber ich muss stehen bleiben, damit ich meiner Tochter helfen kann und meinem Enkelsohn. Nun will ich schließen mit einem Satz von Rosa Luxemburg: „Ergreifen und erschüttern kann nur, wer selbst ergriffen und erschüttert ist.“