Diese Woche möchte ich
an den bereits beschriebenen Bildern festmachen. Ich stehe also schon zu
¾ auf der Leiter und bleibe stehen. Ich versuche, eine kleine Rede für
meine frühere Gruppe zu schreiben. Es gelingt nicht so gut wie früher,
da ich dauernd an meine Gesundheit denken muss. Ich lese sofort alle
Schriftstücke, die ich von meinem Therapeuten erhalten habe und beruhige
mich wieder. Meine Freundin F. kommt vorbei und beschwert sich über ihre
Tochter. Ich kann zuhören und erteile Ratschläge. Als sie geht, sagt
sie: „Du bist wieder ganz die Alte“. Mit der Tochter hatte ich eine
schwere Zeit. Zwei Jahre lang konnte ich sie von einem Selbstmord
abhalten, mit ihren Eltern wollte sie nicht reden). Bis zu fünfmal am
Tag und bei Nacht kündigte sie sich an.
Nun hat also meine
Krankheit einen Namen: Hypochondrie. Es ist ein lächerlicher Name. Viele
Witze werden darüber gemacht. Aber da wusste ich noch nicht, welche
Todesangst und welcher Leidensdruck dahinter steckt. Ich möchte sehr
gerne alt werden – aber alt sein! – auch ein Problem für Frauen!
Der Donnerstag
war ein schlechter Tag und ich musste mich fest an die Leiter klammern,
um nicht einige Stufen nach unten zu fallen. Ich bekam aus heiterem
Himmel einen Husten und sofort Panik. Die Frage war für mich: Ist es
Lungenkrebs? Meine gute Laune war dahin, nur Grübeln war angesagt. Aber
ich bin stehen geblieben auf der Leiter.
Am Freitag
bekomme ich Besuch von meinem Sohn und erzähle ihm von meinen
Zukunftsplänen: Er ist begeistert und redet mir zu. Abends zwei Stufen
nach oben auf der Leiter!
Hinter mir liegt ein
erfolgreiches Wochenende ohne größere Ängste, obwohl ich stark erkältet
bin und ohne Geruch und Geschmack auskommen muss. Zum Arzt muss ich
wegen der starken Erkältung leider gehen. Samstag habe ich es
geschafft, einem Bekannten zum Geburtstag zu gratulieren. Auch die Frage
„Wie geht es dir?“ löste diesmal keine Panik aus. Abends bemerkten wir,
dass bei unseren Nachbarn eingebrochen wurde. Ohne Angst und Panik rief
ich die Polizei, konnte ruhig alles berichten und sah auch den
fliehenden Täter quer durch unseren Garten laufen.
Sonntag hatte
ich den ganzen Tag meinen Enkelsohn zu Besuch. Pure Wonne! Zwei Stufen
nach oben. In meinem kleinen Büro hängt nun ein Zettel an der Wand, in
weiß mit roten Buchstaben. Darauf steht die Telefonnummer meines
Therapeuten und der von ihm vermerkte Satz: „Meine Tür steht immer für
Sie offen!“.
Mittwoch: Nun
stehe ich also oben auf der Leiter und trage den bunten Schal um den
Hals. Aber werde ich es ganz schaffen? Ich habe viel bewegt in dieser
Woche, alle Anregungen meines Therapeuten in die Tat umgesetzt. Sicher
habe ich große Angst gehabt, als ich gestern von ernsthaften
Erkrankungen anderer Familienmitglieder erfuhr. Aber es ist jetzt eine
„normale Angst“. Ich glaube vor mir liegt noch ein steiniger Weg, aber
ich will und muss es schaffen. Und wenn nicht – dann gibt es da noch
einen Zettel an der Wand! |