Das hier vorgestellte
Beispiel illustriert einen Glücksfall: Oft finden Menschen mit
hypochondrischen Störungen erst nach vielen Jahren den Weg in eine
Psychotherapie (meist sind sie ja kaum davon zu überzeugen, dass ihr
Leider weniger ein körperliches als ein seelisches ist). Hier gebührt
der überweisenden Kollegin großen Dank, da sie ihrer Patientin durch
ihre Empfehlung viel unnötiges Leid erspart hat.
Sicherlich ist dieses
Beispiel eine Ausnahme – aber oft machen gerade diese Mut. So zeigt das
Alter der Patientin (61 Jahre), dass Psychotherapie nicht nur jüngeren
Menschen helfen kann. Besonders günstig war sicher der Umstand, dass die
Symptome erst seit vier Monaten vorhanden waren, sich also noch nicht
richtig festsetzen („chronifizieren“) konnten.
Zum Erfolg der extrem
kurzen Behandlung dürften vor allem das rasch gewachsene Vertrauen
zwischen der Patientin und mir, das baldige Erkennen der auslösenden
Faktoren, das Ansprechen zentraler Lebensthemen, die Vermittlung von
Hoffnung und eine eindrucksvolle Mitarbeitsbereitschaft der Patientin
beigetragen haben. Weitere wichtige Elemente waren die Entwicklung einer
individuellen „Krankheitstheorie“ auf tiefenpsychologischer Basis und
verhaltenstherapeutische Empfehlungen (Verbot weiterer Arztbesuche,
Lenkung der Aufmerksamkeit auf motivierendere Themen, wie das „einsame
Kind“ oder auf noch ungelebte Lebensträume, etwa ein Studium).
Auf eigenen Wunsch
begnügte sich die Patientin mit fünf Sitzungen, obwohl weitere
therapeutische Gespräche mit Sicherheit sinnvoll gewesen wären.
Vermutlich entsprach die Genügsamkeit einem Lebensmuster der Patientin,
die als uneheliches Kind einer berufstätigen Muster schon frühzeitig
Verantwortung übernehmen und zeitlebens ohne väterliche Begleitung
auskommen musste. Die bei den Krankenhausbesuchen des Enkelsohnes
kurzfristig neu aufflammenden Symptome lassen vermuten, dass die
Patientin in dem kleinen Jungen, das „einsame Kind“ wiedererkannte, das
sie selbst einmal war. |