USA. Manche Menschen
vermeiden phobisch Blut oder Spritzen (bzw. medizinische Eingriffe). Sie
befürchten, sonst das Bewusstsein zu verlieren. Solche Personen sollte man
nicht überstürzt als reine Angst-Patienten einstufen, warnen V. Accurso
und Kollegen. Wie die amerikanischen Wissenschaftler in einer Studie an 11
Betroffenen und 11 gesunden Kontrollpersonen herausfanden, leiden „Blutphobiker“
fast durchweg an einer Fehlregulation des autonomen Nervensystems. Denn
vier von fünf Betroffenen verlieren im Kipptisch-Versuch mehr oder weniger
das Bewusstsein, weil Herzfrequenz und Blutdruck beim Aufrichten deutlich
abfallen (hier: systolischer Blutdruck um 21 mm Hg, Herzfrequenz um 22
Schläge pro Minute). Bei Gesunden zeigen dagegen beide Werte beim
Aufrichten keinen Abfall.
Da die meisten
Menschen Blut und operative Eingriffe als unangenehm erleben oder
teilweise sogar fürchten, bedarf es offenbar zusätzlicher
Einflussfaktoren, um aus einer fast „natürlichen Angst“ eine „Phobie“ zu
machen. Das Bindeglied könnte die Veranlagung zu vagal vermittelten
Synkopen sein, spekulieren Accurso und Mitarbeiter. Erst die Verknüpfung
des Reizes (Blut, Spritze usw.) mit der Folge einer Ohnmacht erzeugt die
„Phobie“, die dann vor allem dem Vermeiden der Reizfolge dient.
Wie lässt sich nun
erklären, dass ausgerechnet der Anblick von Blut und
Verletzungsinstrumenten die vagal vermittelte Herz-Kreislaufstörung
auslöst, andere Angst-Reize dies aber nicht tun? Nach Ansicht der Autoren
erinnern die Ohnmachtsanfälle von Blutphobikern an tierische Reflexe, wie
das Erstarren oder den Totstellreflex. Möglicherweise erben manche
Menschen eine entsprechende Veranlagung, die dann speziell beim Anblick
von Blut und Verletzungen aktiviert wird.
Sollte sich die
Theorie der amerikanischen Wissenschaftler bestätigen, hätte dies
praktische Konsequenzen: Blut- und Spritzenphobien sollten dann nicht
ausschließlich mit psychologischen Mitteln behandelt werden. In solchen
Fällen dürfte es sich immer lohnen, die Kreislauffunktionen durch einen
Orthostasetest zu überprüfen und gegebenenfalls Kreislauf stabilisierende
Medikamente oder Maßnahmen anzuwenden. Möglicherweise reicht sogar dies
schon aus, die Phobie zu lindern.
V.
Accurso u.a.: Predisposition to vasovagal syncope in subjects with
blood/injury phobia. Circulation 2001 (104) 903-907 |