Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Wie werden Tierphobien behandelt?

   


Die "klassische" und in ihrer Wirksamkeit bislang unübertroffene Vorgehensweise ist die ausreichende "Konfrontation" mit dem gefürchteten Objekt. Bei dieser handelt es sich um eine Form der "Verhaltenstherapie". Sie beruht auf dem Prinzip, dass man sich so lange dem gefürchteten Tier nähert bzw. aussetzt, bis die Angst von selbst immer weniger wird (Gewöhnung). Dieses Ziel lässt sich auf zwei Wegen erreichen. Die sanftere, aber zeitaufwendigere Methode ist die "Desensibilisierung", bei der stufenweise der Angstreiz immer mehr gesteigert wird. Bei der härteren Methode, dem "Flooding" (engl. Überfluten) springt der Patient gleichsam ins kalte Wasser und setzt sich sofort dem stärksten Angstreiz aus (Beispiel: Spinne über die Hand kriechen lassen).

Das Vorgehen bei einer Desensibilisierung könnte beispielsweise in folgenden Etappen ablaufen:

  • über die Tierangst sprechen, dies entlastet, insbesondere wenn die Tierangst bislang aus Scham eher verschwiegen wurde (Spinnenangst wäre durchaus ein gutes Partythema)

  • sachlich über Wesen und Bedeutung der Tierangst informieren (so wie es dieser Text versucht); dadurch erfolgt oft eine Stressreduktion und wird Scham verringert)

  • über das „Angsttier“ durch Bücher oder Filme aufklären; so kann man Verständnis für das Verhalten des Tieres entwickeln und sogar versuchen, „Sympathie“ zu dem Tier aufzubauen; beispielsweise indem dessen Nutzen für den Menschen in Erinnerung gerufen wird (z.B. Spinnen fangen andere für uns lästige Insekten, Hunde sind Freunde, Begleiter, Wächter usw., Bienen befruchten Blüten....). Es ist wichtig, das betreffende Tier kennen zu lernen, „wie es tatsächlich ist“ (so stellen sich viele Menschen Schlangen fälschlicherweise als „glitschig“ und deshalb „eklig“ vor).

  • Phantasiemäßiges Vorstellen des Tieres und des persönlichen Kontaktes mit diesem (Berühren usw.), Aufstellen und Betrachten entsprechender Bilder und Figuren in der Wohnung, Malen und Zeichnen des Tieres

  • Vorsichtige Annäherung an das lebende Tier (z.B. durch Besuch eines Naturkundemuseums mit ausgestopften Tieren, Zoobesuch, Aufenthalte in Tierhandlungen, Besuch bei Freunden und Bekannten, die ein solches Tier halten)

  • Konkrete und persönliche Kontaktaufnahme zu dem Tier (bei Freunden oder Bekannten, im Tierheim unter Anleitung, beim Urlaub auf dem Bauernhof) – der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt

  • Führen eines Übungs-Tagesbuchs, in dem jeder Schritt sorgfältig protokolliert wird, insbesondere sollte das Ausmaß der Angst vor und nach den Übungen auf einer Skala von Null (angstfrei) und 10 (unerträgliche Angst) bewertet und notiert werden. So verschafft man sich einen Überblick über die Zusammenhänge und den Therapiefortschritt.

„Flooding“, die massive Konfrontation mit dem höchsten Angstreiz (nach dem Motto „Wer wagt, der gewinnt“), sollte man lieber einem erfahrenen Therapeuten überlassen. Denn jeder „Selbstversuch“, der scheitert und in eine Flucht mündet, verstärkt nur unnötig die Phobie. Beim Flooding kommt es besonders darauf an, die Angstsituation ausreichend lang auszuhalten (wenigstens eine Stunde) und eingefahrene Vermeidungsreaktionen zu verhindern (z.B. Wegblicken, Weglaufen, Ablenken).

Das Erlernen von Entspannungsmethoden (insbesondere einer beruhigenden Atemtechnik, Stichwort: betont lange durch den Mund ausatmen, im Vergleich dazu kürzer und „hechelnd“ durch die Nase einatmen) und Sozialkompetenz, erleichtert es, den allgemeinen Stresspegel zu senken. Mitunter nutzt auch ein Selbstsicherheitstraining. Entspannungsmethoden senken den allgemeinen Erregungspegel und melden dem Gehirn "eine entspannte Situation an der Front" zurück.

Zu den „modernen“ Behandlungsmethoden von Tierphobien gehören EMDR (Eye Movement Densitization und Reprocessing), ein aus der Traumabehandlung kommendes Verfahren, und die „virtuelle“ Therapie mit Computersimulation (Hierbei trägt der Patient einen „Datenhelm“, in dessen eingebaute Brille „phobische Szene“ eingespielt werden). Auch wenn diese Ansätze nachweislich helfen, waren sie jedoch bislang in keinem einzigen Fall effektiver als die „natürliche Konfrontation“. Hinzu kommt, dass die genannten Methoden bislang erst von wenigen Therapeuten bzw. Kliniken angeboten werden, also noch nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen.
 

   
   


ZDF-Video, ca. 44 Min. ISBN 3-89672-083-X


Andreas Tinter: Vogelspinnen. Gifte-Lebensweisen-Verhalten. Nikol Verlagsgesellschaft 2001. ISBN 3-933203-49-X

   


Besonders bei Spinnenphobien (aber auch bei anderen Tierphobien) bedarf es oft keiner langen Behandlung. Wiederholt reichte schon eine einzige (allerdings bis zu drei Stunden dauernde) Sitzung aus, um eine deutliche und anhaltende Besserung der Spinnenphobie zu erzielen. Offenbar kann dabei – durch die anhaltende Konfrontation - schon eine ausreichende Gewöhnung erzielt werden. Solche Sitzungen wurden mit Erfolg auch in Form von Gruppenbehandlungen durchgeführt, wobei sich kleinere Gruppen günstiger als große erwiesen. Bei Behandlungen in mehreren Etappen hat es sich bewährt, das „Setting“ zu wechseln (also nicht immer im gleichen Raum und mit der gleichen Spinne zu „üben“. Anderenfalls ist man zwar auf einen bestimmten Raum und eine bestimmte Spinne bestens vorbereitet, gegenüber „fremden“ Spinnen können aber trotzdem wieder Ängste auftreten). Anfänglich sollten zwischen den Übungseinheiten nur kurze Zeiträume liegen (Vorschlag: zwei Behandlungen pro Woche), damit sich zwischenzeitlich nicht wieder Vermeidungsverhalten einschleichen kann. Offenbar lohnt es sich mitunter auch, den Behandlungserfolg nach einigen Monaten durch eine abschließende Behandlung „aufzufrischen“ bzw. zu stabilisieren. Eine erfolgreiche Phobiebehandlung stärkt in aller Regel das Selbstbewusstsein!

Bei der Wahl eines Behandlungsverfahrens sollte man darauf achten, ob es sich um eine Angst handelt, die auf einschneidenden realen Erfahrungen oder eher nur auf "Veranlagung" (eigener Schreckhaftigkeit) beruht. Im zuletzt genannten Fall (Beispiel Spinnenphobie) genügen möglicherweise nur wenige Behandlungseinheiten. Für die Einschätzung der Behandlungsdauer und der Methodenwahl genau so wichtig ist die Frage, ob die Tierphobie die einzige Angst ist oder nur eine Angst unter mehreren.

Tierphobien sind mitunter resistenter gegenüber einer "Löschung" als Phobien vor modernen Objekten, wie Messern oder Pistolen!