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Das war Sommer 1990,
also vor knapp 13 Jahren. Da war ich als Kellner auf einer südeuropäischen
Insel in einem Hotel tätig. Es war wunderschön, tagsüber am Strand,
morgens und abends habe ich gekellnert. Eines Morgens auf dem Weg zum
Hotel bekam ich plötzlich starke, stechende Schmerzen im Unterleib.
Innerhalb von wenigen Minuten spitzten sich die messerstichartigen
Schmerzen so zu, dass ich nicht mal wusste, wo Himmel und wo Erde ist. Ich
wurde sofort ins nahe gelegene Krankenhaus geliefert. Die Diagnose:
Nierensand-Anfälle. Nach zwei Wochen Liegen im Krankenhaus wurde ich
entlassen. Es hieß: Ich soll so viel Flüssigkeit wie möglich zu mir
nehmen und es wird wieder gut gehen. Und so war das auch in der Tat; ich
trank jeden Tag Wasser bis zum "geht nicht mehr, habe jedoch fast jeden
Tag im Hintergrund Angst gehabt, dass die Anfälle wieder kommen. Es
vergingen Wochen und keine Spur von irgendwelchen Nierenschmerzen.
Die Saison ging zu
Ende. Es kam der Winter, also alles nach dem Alten. An einem Tag hatte ich
Kopfschmerzen: Na ja, halb so schlimm. Ich konnte es kaum abwarten, dass
der Tag zu Ende ging, denn morgen ist ein neuer Tag, also ein neuer Anfang
und die Kopfschmerzen werden mit Sicherheit mit einem neuen Tag zur
Geschichte gehören. Dachte ich mir, habe aber im Hinterkopf eine
gewisse Dosis Nervosität gespürt, ob die Kopfschmerzen morgen tatsächlich
weg sein werden. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war der erste
Gedanke: Was ist mit den Kopfschmerzen? Sind sie weg oder nicht? Langsam
spürte ich sie wieder. „Ach du meine Güte“, sagte ich zu mir: „ Wird der
heutige Tag etwa wie der gestrige? Bloß nicht!“. Doch, er war genauso
voller Kopfschmerzen wie der gestrige. Ich fing langsam an, mir Gedanken
zu machen, wo die Schmerzen herkommen Was ist die Ursache? Wodurch werden
sie hervorgerufen? Habe ich etwas gegessen, was mir auf schwer den
Magen fiel? Wochen vergingen und ich war immer noch auf der Suche nach den
Ursachen für meine Kopfschmerzen, denn jeden Morgen, wenn ich aufwachte,
war die erste Frage: Sind sie immer noch da oder nicht?
Mir blieb nichts
anderes übrig, als zum Arzt zu gehen. Und das tat ich. Ich ging zum
Halz-Nasen-Ohren-Arzt und er stellte fest, dass bei mir eine Sinusitis
(Stirnhöhlenentzündung) vorlag. Er sagte, es müsse operiert werden. Ich
war erleichtert und froh, froh deshalb, weil man endlich gefunden heraus
hatte, wo die Quelle der Schmerzen lag. Ich konnte die Operation kaum
abwarten. Und es war soweit, ich wurde operiert. Die Operation war
schmerzhaft. Der Arzt sagte, ich brauche mir keine Angst zu haben, die
werden nach Paar Wochen verschwinden, bis die Wunden abgeheilt sind. Die
Wunden heilten ab, die Schmerzen blieben jedoch da. Ich machte mich wieder
auf die Suche nach der Ursache. Eines Abends, als ich im Bett lag, fiel
das Straßenlicht durch mein Zimmerfenster auf mich und es irritierte mich.
In einem Moment sagte ich zu mir: „Mach doch die Augen zu, damit das Licht
dich nicht stört. Und als ich die Augen zu machte und sozusagen mit
geschlossenen Augen schaute , merkte ich langsam, wie die Schmerzen
allmählich weggingen. Gott, war das ein Freude-Ausbruch bei mir! Mir
wurde, was die Schmerzen auslöst: Das Licht, sagte ich zu mir. Ich
überprüfte es ein paar Mal. Und tatsächlich: Sobald ich die Augen öffnete,
kamen die Schmerzen zurück. Machte ich sie wieder zu, konnte ich spüren,
wie die Schmerzen langsam weggingen. Sobald es hell wurde, machte ich mich
zu recht und hatte nichts anderes vor, als zum Augenarzt zu gehen.
IDort erzählte ihm von
meinen Problemen und vor allem, was mir beim Augen Zu- und Aufmachen
aufgefallen ist. Er untersuchte meine Augen gründlich, stellte dabei
jedoch keinerlei Probleme fest. Er sagte mir, dass es Leute gibt, deren
Augen auf Licht empfindlich reagieren. Deshalb verschrieb er mir
fotosensitive Brillen. Damit sollte sich alles erledigen. Innerhalb von
zwei Tagen war die Brille schon da. Wieder die Ungewissheit und die
Spannung: „Verschwinden die verdammten Schmerzen, wenn ich die Brille
aufsetze oder nicht? Ich setzte sie auf und wartete ein paar Sekunden
darauf, was passiert. Sie waren weiter da, aaaaaaber ein bisschen weniger!
Mein erster Gedanke bzw. Feststellung: „Du hast ein bisschen weniger
Schmerzen, weil ein bisschen weniger Licht auf die Augen trifft. Wenn ich
sie wider ganz schloss, waren sie ganz weg. Eine gewisse Freude war schon
da, muss ich zugeben. Denn wenn ich die Brille anhatte, schienen die
Schmerzen tatsächlich ein bissen milder zu sein. Die Brille erwies sich
somit als mein Retter. Ich liebte sie und hasste sie aber gleichzeitig,
denn ich trug sie ab dem Moment, wenn ich morgens die Augen öffnete, bis
spät abends – also auch beim Abendlicht - bis ich sie wieder
zumachte. Vielen, die mich kannten, kam das komisch vor. Meine Eltern
waren froh, obwohl ich abends am Tisch mit einer zu 70 Prozent
verdunkelten Brille saß. Denn sie wussten, dass es mir damit besser ging.
Das ganze Spiel mit dem
Licht, meinen Augen und der Brille dauerte jahrelang. Mir wurde es
mittlerweile klar, dass ich mein ganzes Leben auf so eine Brille
angewiesen werden würde. Mein Umfeld, meine Freude, also jeder, der mich
kannte, konnte sich nicht mehr vorstellen, dass ich ohne so eine Brille je
leben könnte.
Nach etwa sechs bis
sieben Jahren spürte ich plötzlich Magenschmerzen.
Mittlerweile kann sich
jeder vorstellen, was ich daraufhin tat.
Wieder wühlte ich nach
Ursachen. Nach kurzer Zeit gab es kaum noch Lebensmittel, die ich noch
essen durfte bzw. konnte, denn mir fiel auf, dass die Magenschmerzen immer
dann genau kamen, sobald ich gegessen hatte. Ich ließ meinen Magen
gründlich untersuchen. Nachdem ich vier Wochen im Krankenhaus gelegenhatte
und nicht nur mein Magen, sondern mein ganzer Körper auf das Kleinste
untersucht worden war, wurde ich entlassen mit dem Befund: „kerngesund“.
Der Prof. Dr. XY sagte zu mir: „Herr X........ Sie haben selber gesehen,
dass ich bei Ihnen eine Magenspiegelung gemacht habe. Herr X....... ich
glaube Ihnen, dass Sie unter Magenschmerzen leiden. Aber Sie müssen auch
mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass Ihr Magen sowohl von innen als auch
von außen kerngesund ist. Ich würde gerne mit Ihnen tauschen. Jetzt gehen
Sie bitte nach Hause. Lassen Sie sich ein Schweinschnitzel braten, dazu
bitte Zwiebel-Salat und ein Glas Rotwein“. Im ersten Moment dachte ich,
dass er spinnt und mich umbringen will. Ich sagte: „ Ja, Herr Prof.,
aaaaber“, „nicht aaaber“, antwortete er.
Diejenigen, die es
vielleicht schon vergessen haben sollten, möchte ich kurz an eine Sache
erinnern: an die Brille. Selbstverständlich hatte ich diese die Ganze Zeit
ununterbrochen an, all die vielen Jahre, auch im Krankenhaus, selbst wenn
ich mit den Ärzten sprach, bei allen Untersuchungen. Kurz gesagt, die
Brille war überall da, wo auch meine Augen waren.
Also zurück zur
Entlassung aus dem Krankenhaus und der Empfehlung des Arztes: „Gehen Sie
jetzt nach Hause und essen Sie alles, was Ihnen unter die Finger kommt."
Ich kam nach Hause und
machte mich sofort an die Arbeit: Ich machte die Herdplatte an. Nicht mal
halbe Stunde später stand auf meinem Teller ein großes Schweinekotelet.
Ich hatte in dem Moment keinen Wein, aber ein paar Flaschen Bier von
meinem Bruder standen im Kühlschrank. „Her mit dem Bier“, sagte ich zu
mir.
In dem Moment, bevor
ich anfing zu essen, ging es mir nicht darum, ob ich später Magenschmerzen
von dem Essen bekomme, sondern die Frage war, ob ich es überhaupt
überleben würde. Die Angst hatte sich so tief eingenistet. Ich habe
dermaßen schnell gegessen und zum Schluss das ganze Bier leer getrunken,
dass ich dabei vergaß, an alles zu denken. Als ich mit dem Essen und dem
Trinken des Bieres fertig war, wartete ich gespannt, ob ich es überleben
oder ob ich umkippen würde.
Eine Stunde verging und
ich war immer noch am Leben. Ich bin nicht umgekippt, wurde auch nicht
bewusstlos. Irgendwann sagte ich voller Jubel zu mir: „ Also tot bist du
nicht, der Arzt hatte doch recht."
Jetzt kommt er
Höhepunkt des dreizehnjährigen Leidensweges:
Ist jemandem etwa
aufgefallen, dass ich im Rahmen des beschriebenen Manövers mich mit
Magenschmerzen beschäftigte? Nein, denn es ging mir noch darum, das Essen
zu überleben. Und während ich mit dieser Frage die nächste
Stunde beschäftigte, hatte ich keinen Grund, mich in gewohnter Weise mit
dem Gedanken an Magenschmerzen zu beschäftigen. Vor lauter Angst, das
Essen nicht zu überleben, vergaß ich also meine Magenschmerzen völlig bzw.
wurde ich davon abgelenkt, an diese zu denken.
ERGEBNIS: KEINE SPUR
MEHR VON IRGEND WELCHEN MAGENSCHMERZEN ODER MAGENBESCHWERDEN!!!
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Sofort kamen mir
folgende Gedanken:
„Wenn dir morgen jemand, nachdem du gegessen hast, drohen würde, dich in
einer Stunde umzubringen, würdest du bestimmt nur daran denken, wie du
dich retten könntest, und schon könntest du nicht mehr darauf achten, ob
die Magenschmerzen wieder auftreten“.
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„Aber wenn jemand
doch einen kranken Magen hat, wird er doch abgesehen davon, in was für
einer Situation er sich befindet, Magenschmerzen haben.
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"Soll es jetzt etwa
heißen, dass ich mir das Ganze eingebildet habe?“
An dem gleichen Tag gab
es zum Abendessen Bratwurst und Tomatensalat. Bevor ich anfing zu essen,
sagte ich zu mir: „Junge, wenn du jetzt wählen könntest, zehn Kilometer
ununterbrochen zu laufen oder diese Bratwurst nicht zu essen oder sie mit
dem Risiko zu verzehren, dass du danach vielleicht tot bist, wofür würdest
du dich entscheiden?“. Zehn Minuten später war der Teller leer. Danach
sagte ich zu mir: „Was ist das für ´ne Spinnerei! Wenn du stark abgelenkt
wirst - wodurch auch immer -, dann stellst du später fest, dass du keine
Schmerzen hattest. Und wenn du an Schmerzen denkst, dann ist plötzlich
dein Magen kaputt. Hör auf, das ist doch ´ne reine Einbildung“.
Irgendwann ging ich ins
Bett. Morgens wachte ich auf und die ersten Gedanken waren, wie lächerlich
im Grunde genommen das Ganze mit dem Essen gestern war. Ich konnte mich
auf der einen Seite tot lachen, auf der andern Seite könnte ich weinen,
wenn ich zurückdenke, wie lange ich mich unnötig mit dem Gedanken gequält
habe, was ich essen darf und was nicht, ob die Schmerzen kommen oder
nicht.
Und jetzt kommt der
Höhepunkt aller Höhepunkte: Über eine Stunde lang analysierte ich das
Ganze mit dem Essen und plötzlich fiel mir auf, dass meine Augen bereits
die ganze Zeit auf waren - also schon über eine Stunde ohne Schutzbrille.
Und wie mir dies auffiel, merkte ich , dass ich überhaupt keine
Kopfschmerzen hatte.
Viele werden es mir
nicht glauben: Ich fing an zu weinen. Ich konnte es einfach nicht glauben.
Ich war hin und weg vor Freude. Ich konnte es einfach nicht fassen. Und
während ich hin und weg war und mir den ganzen Leidensweg vor Augen
führte, angefangen damals mit der Operation, dann sieben Jahre lang Tragen
von 70 Prozent verdunkelten Brillen, verging bestimmt erneut mehr als eine
Stunde. Und viele, wenn nicht sogar alle von euch Lesern, werden jetzt
sagen: „ Schon wieder hat er vergessen, an das Licht zu denken. Und als es
ihm auffiel, merkte er, dass er wieder keine Kopfschmerzen hatte“:
Ich schwöre
Euch bei Gott: Seit vier Jahren esse ich, alles was mir unter Finger
kommt. Ich habe damals eine richtige Sonnenbrille gekauft von „Marko
Polo“. Mittlerweile muss ich mir einen Zettel schreiben und an die
Windscheibe meines Autos kleben, weil ich sonst vergessen würde, sie
mitten im Sommer beim Autofahren aufzusetzen.
Die Diagnose:
Einbildung
Die Therapie:
Einsehen
PS:
Nicht jeder, der unter
Magenschmerzen oder Kopfschmerzen leidet, wird sich dies einbilden. Rein
aus Spaß und zum Test sollte er sich aber einmal ablenken lassen. |
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