Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Mein langer Weg in und durch die Panik (von C. K.)

Ich war 19 Jahre alt, als mein erster Angstanfall kam. Damals dachte ich noch, es wäre mein Körper, der einfach geschwächt war, beeinflusst war, durch die ersten Beruhigungstabletten meines Lebens. Es war im Januar 1988, ich hatte gerade einen Klinikaufenthalt in der Psychiatrie Marburg hinter mir. Ich hatte mich dort freiwillig einweisen lassen und bin eine Woche später wieder gegangen.

Ich, ein Scheidungskind, war ich im Sommer 1987 aus der gemeinsamen Wohnung meiner Mutter und ihres Freundes ausgezogen, da ich mit ihm überhaupt nicht klar kam. Er wollte mich nicht da haben und zeigte es auch. Doch alleine leben konnte ich auch nicht. Ich war verunsichert, verzweifelt, eigentlich ohne es zu merken. Ich "genoss" meine neue Freiheit, trank viel und machte die Nacht zum Tag. Meine Lehre als Rechtsanwaltsgehilfin hatte ich geschmissen, ich hielt mich mit Kellnern über Wasser. Als ich dann in einer Kurzschlusshandlung ca. 60 Tabletten nahm, nicht um mich umzubringen, sondern um meinen Hilfeschrei loszuwerden, erkannte selbst  ich, dass ich Hilfe brauchte. Ich entschloss mich, meinem Motto getreu "Ganz oder gar nicht", in eine Klinik zu gehen. Das tat ich auch.

Es das völlig  Falsche. Die anderen Patienten dort waren alle viel älter als ich, voll gepumpt mit Medikamenten. Ich musste abends eine Beruhigungstablette nehmen, obwohl ich keine Schlafstörungen hatte, doch die Ärztin, die mich kaum kannte, ja noch nicht einmal ein Gespräch mit mir hatte, bestand darauf. Die nächsten Tage verbrachte ich damit, meine Mahlzeiten mit Menschen einzunehmen, die sich noch nicht mal bewusst waren, wo sie sich befanden, musste Püppchen basteln und ansonsten saß ich in meinem Zimmer und las. Als ich einmal Besuch von einem Freund bekam, mit ihm 2 Stunden im Park spazieren ging, bekam ich am Abend von der Ärztin einen Tadel, da ich mich nicht abgemeldet hätte und auch nicht gefragt habe, ob ich denn überhaupt dürfe.

Mein erstes Gespräch mit der Ärztin  hatte ich an einem Donnerstag (den Freitag zuvor war ich gekommen) und es war das reinste Fiasko. Sie sprach sehr schlechtes Deutsch, verstand also inhaltlich kaum was ich sagte, und fragte mich fortwährend, ob ich Drogen nähme (welches ich nie, auch heute nicht, getan hatte). Dass ich aufgrund meiner Weigerung, zumindest eine leichte Beruhigungstablette zu nehmen, gar nicht süchtig sein konnte, bzw. mich völlig untypisch einem Drogensüchtigen verhielt, sah sie gar nicht.

Ich wollte wieder nach Hause.

Doch sie ließ mich nicht, d.h. sie wollte mich nicht lassen. Als ich nach einer halben Stunde "Gespräch" mit ihr, anfing zu heulen, sagte sie, ich würde ja doch selbst sehen, dass ich instabiler wäre als bei meiner Einlieferung. Dass diese Instabilität ihrem Unverständnis und ihrer Weigerung zugrunde lag, sah sie natürlich nicht. Doch auch selbst als sie den Oberarzt geholt hatte, der dann in die gleiche Kerbe wie sie hieb und der mich ja nun erst recht nicht kannte, ließ ich mich nicht erweichen, es wurde mir immer klarer, dass ich gehen musste! Und sie hatten ja auch keine Möglichkeit mich festzuhalten, da ich ja auch freiwillig gekommen war....ich ging also. Zwei Tage später hatte ich meinen ersten Angstanfall.

Aus heutiger Sicht war dieser noch recht harmlos. Ich fühlte mich einfach "komisch", nahm eine der von der Ärztin mir mitgegebenen Tabletten (ich weiß bis heute noch nicht, was es war) und der erste Anfall kam. Ich hyperventilierte, lag schließlich, die Beine hoch, in meinem Bett - meiner Meinung nach war der Auslöser dieses Anfalles meine Angst vor Nebenwirkungen der Tablette.

Doch ich vergaß ihn schon, sobald er wieder weg war. Aber meine Probleme häuften sich. Die Angstanfälle kamen immer öfter, in verschiedenen Situationen, doch immer noch so "harmlos", dass ich ein normales Leben führen konnte, arbeiten konnte und für die Anfälle immer irgendeine "körperliche" Begründung fand.

In den Jahren darauf entwickelte sich mein Leben relativ normal. Ich heiratete, bekam ein Kind. Mein Mann, ein sehr liebenswürdiger Mensch, entpuppte sich als jemand, der es gewohnt war, die Verantwortung für sein eigenes Leben auf andere abzuwälzen. Wir hatten also das selbe Ursprungsproblem: Angst vor der Verantwortung für das eigene Leben, gingen nur unterschiedlich damit um. Ich saß Tag für Tag am Fenster und wartete darauf, dass er nach Hause kam. Immer seltener geschah es, dass er nicht in der Kneipe landete. In der Kneipe, in der wir uns auch kennen gelernt hatten, in der Kneipe, in der auch ich gezeigt hatte: Verantwortung? Wie komme ich dazu?

Nur ich hatte mich geändert, wollte nun Verantwortung übernehmen. Er nicht (er hat es bis heute nicht).

Ich musste diese meine Veränderung mit zunehmenden Panikzuständen "bezahlen". Ich trennte mich dann von ihm, und mir ging es wieder besser. Ich hatte einen sehr guten Kellnerjob in einem Ausflugslokal und ich änderte endlich meinen Freundeskreis von Menschen, die so waren wie mein Mann (und auch ich), zu Menschen, die wirklich zu der Verantwortlichkeit und der Nähe anderer gegenüber fähig waren.

Ich begann meine Ausbildung zur Justizangestellten im März 1993, bei der ich mich von Anfang an wohl fühlte. Bis dahin ging es gut.

Mein erster Urlaub während meiner Ausbildung war im Sommer 1993. Ich fuhr meine Tante auf Sylt besuchen, gemeinsam mit meiner Tochter. Es war ein sehr schöner Urlaub.

Doch schon auf der Rückfahrt mit dem Zug, holte mich dann das ein, was - aus heutiger Sicht - unausweichlich war: Ich bekam einen so starken Angstanfall im Zug, dass ich in Itzehoe aussteigen musste und einen Notarzt rufen ließ. Die Ärztin in dem Itzehoer Krankenhaus bestätigte, was ich eigentlich schon wusste: Ich war nicht körperlich krank, es handele sich um psychische Probleme. Ein Freund holte mich dann dort ab, und ich war endlich wieder zu Hause, in meiner sicheren "Höhle".

Doch  die Angst ließ mich  nicht gehen.

Es wurde immer schlimmer. So schlimm, dass ich mir eines Abends heißes Öl über das Bein gegossen habe, wieder ein Hilfeschrei, damit endlich was passierte, wahrscheinlich, damit ICH selbst endlich erkannte, dass ICH etwas tun musste. Natürlich stellte ich diese Verletzung als Unfall dar und wurde dementsprechend behandelt.

Letztendlich war es so, dass ich an einem Abend, 1 1/2 Jahre nach der Trennung, meinen Nochehemann, nachts anrief (ich wusste ja, dass er die Trennung noch immer nicht wollte), da ich sogar Panik davor hatte, zu weinen. Ich war so in Panik, dass er und mein bester Freund, den ich auch angerufen hatte, mich in die Psychiatrie fahren mussten, da ich nicht weiter wusste.

Diesmal war und bin ich unendlich dankbar, dass ich dort gelandet bin. Denn der Arzt, zu dem ich dann kam, erkannte sofort, was  mit mir los war und auch ich war endlich bereit, es einzugestehen, der Leidensdruck war endlich groß genug. Er empfahl mir eine Psychotherapeutin, die auch in der CDS schon gearbeitet hatte, und bei der ich glücklicherweise sofort einen Termin bekam.

Als erstes weigerte sie sich, mir Beruhigungstabletten zu geben. Denn diese Tabletten würden nur die Symptome unterdrücken, nicht aber beseitigen und es wäre wichtig, dass ich lernte, dass die Angst nicht mein Feind ist, sondern dass durch die Angst mir meine Seele, meine Psyche was sagen wolle.

Durch die Konfrontationstherapie, die sie als erstes anstrebte, ging es mir wieder besser. Die Konfrontationstherapie die Hölle, doch sie half.

Es dauerte nicht lange, da hatte ich die Angst als so etwas akzeptieren gelernt was sie war: ein Hilferuf meiner selbst, dass ich an meinem Leben was ändern musste.

Während und nach der Therapie ging es mir einigermaßen gut, das heißt, es ging mir sehr gut, was meinen Alltag, mein allgemeines Leben, die Lebensfreude, anging, doch weg waren die Ängste nicht.

Ich konnte sie akzeptieren als das, was sie waren: Verhaltensstörungen. Erst hatte ich auch Angst vor dem Wort: Was sollte das heißen, ich bin verhaltensgestört? Doch langsam lernte ich, dass damit einfach gemeint war, dass ich mich falsch verhielt, wenn ich in einer "normalen" Situation befand, dass meine Seele einfach "falsch" reagierte, mir damit etwas sagen wollte. Nur was, wusste ich nicht. Ich konnte auf kein Trauma in meiner Kindheit zurückgreifen, wie Missbrauch, Schläge etc.

Bis ich erkannte, dass ich das sehr wohl konnte: Ich war 15, als meine Eltern sich trennten und meine Mutter war so fertig, dass ich das Gefühl bekam, ich müsse die Verantwortung für mich jetzt alleine tragen, manchmal sogar auch für sie mit. Ich fand das natürlich damals toll, fühlte mich erwachsen dabei. Ich war allerdings oft "krank", ging nicht zur Schule, verkroch mich mit einem Buch im Bett, sehnte mich nach dem Gefühl, welches ich als Kind hatte: Mama kommt und kümmert sich um Dich.....meine Kompensierung für das frühe Verantwortung übernehmen.

Dass dieser Schritt in das Erwachsensein zu schnell, zu brutal über mich gekommen war, erkannte ich erst in der Therapie. Auch, dass es nicht mein Vater war, der mir Probleme machte, zu dem ich seit der Scheidung ein immer brüchigeres Verhältnis hatte, bis gar keins mehr da war, wurde mir klar. Meine Mutter war es. Denn sie fing an, nachdem sie wieder "sicheren Boden" unter den Füßen hatte, mich zu erziehen, doch das ließ ich natürlich nicht mehr zu. Jahrelang war ich gefühlsmäßig auf mich alleine gestellt gewesen und nun wollte sie mich mit 22 noch erziehen?

Im Laufe der Therapie lernten meine Mutter und ich, dass ich nun mal die Verantwortung für mich selbst tragen muss. Sie hörte - fast - ganz damit auf, sich meinetwegen die "Nacht um die Ohren zu hauen" und ich hörte auf, sie für alles, was mit mir war, zur Verantwortung zu ziehen. Heute haben wir ein sehr gutes Verhältnis und sie erkennt auch meine Krankheit an, ohne dass es da jemanden geben muss, der die Schuld daran trägt....

Die Jahre darauf lebte ich mein Leben relativ angstfrei. Ab und zu kamen noch Panikanfälle, doch ich lernte, entweder damit umzugehen oder sie zu vermeiden (Mein Standartspruch während eines solchen Anfalls war "Lass' sie zu. lass' sie zu......"). Auch der Alkohol half mir in gewissem Maße. Handelte es sich um Dinge, die Abends stattfanden, so konnte ich ja ein bis zwei Bier vorher trinken, dann ging es. Das war mir immer noch lieber, als irgendwelche Medikamente zu nehmen. Doch ging ich auch mit Alkohol sehr vorsichtig um, so trank ich z.B. Vormittags, Mittags, nicht.

Ich ging eine neue Beziehung ein, mit einem Mann, den ich schon aus meiner Anfangsangstzeit kannte, also wieder so jemand, der die Verantwortung auf andere - dann also auf mich - abschob. Ein Rückfall? Sicher, ich lebte wieder in meinem alten Verhaltensmuster. Ich bekam von ihm meine 2. Tochter, nach deren Geburt ich mich sofort von ihm trennte.

Ich erlebte 2 glückliche Jahre mit meinen beiden Kindern. Ich kam sehr gut klar mit meinem Leben, zum ersten Mal auch mit dem Alleinesein. Es hat mich befreit.

Dann lernte ich 1999 meinen jetzigen Lebensgefährten kennen. Er war ganz anders, er war gar nicht in mein bisheriges Verhaltensmuster einzubringen. Ich war begeistert! Ein solcher Mensch, ein Mensch, der Verantwortung übernahm, interessierte sich für mich!

Es dauerte nicht lange, da fasste ich den Entschluss, zu ihm zu ziehen, 500 km von zu Hause weg, mit zwei Kindern. ich fühlte mich toll dabei. Viele bewunderten mich, "Ich könnte das nicht", sagten sie zu mir. Das gab mir Auftrieb! Ich konnte also auch etwas, etwas, das anderen Schwierigkeiten machte! Ich, die ich oft aus Angst vor der Angst noch nicht mal einkaufen gehen konnte, tat etwas, was sich viele nicht zutrauten!

Doch ich merkte bald, dass ich vom Regen in die Traufe gekommen war: Hatte ich bis dahin doch immer die Möglichkeit gehabt, mein eigenes "Versagen" auf einen anderen umzuwälzen, so war das jetzt nicht mehr der Fall. Früher hatte ich mein Märtyrer-Dasein genießen können, mein Standartspruch war: "klar habe ich das und das falsch gemacht, aber x ist ja noch viiiiiiiiiel schlimmer, er hat doch......". Jetzt saß ich in der Falle. Meine eigenen Unzulänglichkeiten waren nicht mehr zu verstecken, nicht mehr vor MIR selbst zu verstecken. Es war ja nicht so, dass mir jemals jemand Vorwürfe gemacht hätte, außer ich mir selbst Perfektionismus dem eigenen Selbst gegenüber ist wohl eine Begleiterscheinung unserer Krankheit, wie ich endlich mal erkennen musste.

Ich setzte mich derart unter Druck, alles richtig zu machen. Man bedenke, die Situation war so: Ich lebte in SEINER Wohnung, die er alleine bezahlte, es waren nicht SEINE Kinder, die er da miterzog. Das alles versuchte ich durch andere Dinge wieder zu kompensieren. Ihm also "Dankbar" zu sein, dafür, dass er die Kinder  akzeptierte. Natürlich ging das alles nicht von ihm aus, sondern von mir. Dass ich dabei dann hin und wieder "ausflippte", mich betrank und dann ziemlich unmöglich verhielt, war auch wiederum unvermeidlich, denn ich war ja nicht ich selbst. Er konnte damit natürlich nicht umgehen, da er ja nicht wusste, was da so Verworrenes los war. Er sah nur den Alkohol und dass ich dann "aus mir heraus ging". Diesen Alkohol wollte er mir dann verbieten, was bei mir natürlich wiederum eine Reaktion auslöste: Ich bin erwachsen, kann auch mal was trinken ohne auszuflippen, ausflippen tue ich ja nur weil er ja doch.....usw.

Ich begann wieder zu arbeiten - und lebte auf.

Ich arbeite in einer Abteilung, in der ich sofort Anschluss fand. Es gibt keine Hierarchie, alle Duzen sich und selbst dem Chef kann man seine Meinung sagen, ohne dass er den Chef "raushängen" lässt. Mit einem Kollegen verstand ich mich besonders gut. So gut, weil er mir so ähnlich war. Und wie es kommen musste, bekam mein Freund raus, dass ich diesen Kollegen ihm in gewissen Dingen vorzog. Ich hatte kein Verhältnis im üblichen Sinne mit dem Kollegen und ich liebte meinen Freund, doch dass es meinem Freund wehtat, wenn er in irgendeiner Internet-Newsgroup lesen musste,. dass dieser Kollege mich wohl besser verstand als er....das tut ihm natürlich unendlich weh  (Ok, mein Freund hatte dies natürlich nur heraus gefunden, weil er mir auf die verbotenste Weise nachspioniert hat, aber das ist sein Problem und jetzt auch nicht das Thema).

Es gab seit dem einen Streit nach dem anderen. Mal flippte er aus, mal ich, immer aber kam dieser Kollege zur Sprache, der mir schon lange nicht mehr das bedeutete wie einen kurze Zeit lang mal.

Zu der Zeit war es mit der Arbeit wie es sonst zu Hause war: Sie war meine Höhle, mein "sicherer Ort".

Doch die Liebe und das grundsätzliche Verstehen, die Gemeinsamkeiten, die bei meinem Freund und mir doch gegeben waren, änderten das Blatt wieder:  Zu Hause war es, wo ich hingehörte, es wurde wieder meine Höhle.

Auf der Arbeit änderte sich etwas. Der Kollege, den ich auch da noch als Freund betrachtete, zog sich von mir zurück, als er erfuhr, dass ich weiter mit meinem Freund zusammen war. Die Freundschaft, die einzige Freundschaft, die ich bis dato in meiner neuen Heimat gefunden hatte, zerbrach. Es war sehr bitter für mich. Denn ich hatte erwartet, dass er es akzeptiert. Zumal es nichts sexuelles zwischen uns gab, er war selber glücklich verheiratet. Also hatte ich wieder mal jemandem das Gefühl gegeben, ich wäre jemand, den man sich "erziehen" kann, ja, aller Wahrscheinlichkeit nach hätte er mich sogar gerne als kleines "Verhältnis". Ich war wie gesagt sehr enttäuscht, auch von mir selbst.

In dieser Zeit, Anfang 2002, kehrten auch die Panikanfälle gehäufter und stärker wieder. Doch noch schaffte ich es, sie in der mir meiner altbekannten Weise, anzunehmen, sie zu überstehen, auch wenn es immer schwerer wurde. Ich las nach wie vor Bücher, Artikel, über das Thema "Angstkrankheit", jedoch ohne es zu nahe an mich ranzulassen.

Wir zogen von der Wohnung meines Freundes in ein Haus. Die Wohnung war zu klein, außerdem war es noch immer "seine" Wohnung. Das Haus aber war uns gemeinsam.

Der Umzug war der pure Stress, die Hitzewelle begann.

Dann kam der Tag, an dem ich den ersten Panikanfall bekam, den ich nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte. Den ganzen Tag schon, es war ein Freitag, redete jeder den ich auf der Arbeit traf davon, wie heiß es doch wäre und wie schrecklich dieses Schwitzen wäre....Nach Feierabend lief ich also wie immer zur S-Bahn, schon mit unterschwelligem Angst-Gefühl in mir, was aber ja nichts neues war. Diesmal kam ich nicht weit. Schon auf dem Weg zur S-Bahn wurde die Panik so stark, dass ich zu rennen begann. Als ich mich an dem für mich einzigen Ort befand, der einigermaßen sicher für mich schien, dem Zwischenstock zwischen Fußgängerzone und S-Bahnhof, "flüchtete",  traf  es mich mit voller Wucht.

Ich hyperventilierte, brachte es zum ersten Mal seit Jahren nicht unter Kontrolle. Ich lief auf und ab, immer von einer Ecke in die andere....ich wollte mich setzen, wollte laufen, ich wollte um Hilfe bitten, wollte nur meine Ruhe.....es war ein einziges Desaster.

Letztendlich schaffte ich es, durch gelernte Entspannungsübungen, durch Gegenmittel gegen die Hyperventilation, den Anfall zu überwinden, setzte mich völlig erschöpft in die S-Bahn und fuhr nach Hause.

Am Montag drauf schaffte ich es auch, mit der S-Bahn zur Arbeit zu fahren. Doch ich kam nicht mehr zurück. Schon im Büro begann die Panik nur bei dem Gedanken, jetzt wieder "da" hin zu müssen. Mir war klar, dass die Vermeidung begann, doch ich konnte nicht dagegen an. Schließlich holte mich mein Freund, 4 Stunden nachdem ich Feierabend hatte, ab.

Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg zur S-Bahn, doch ich wusste eigentlich von Anfang an, was ich tun würde: Ich rief vom S-Bahnhof aus meinen Chef an und meldete mich krank.

Seitdem bin ich krankgeschrieben (seit Juni 2002).

Ich brachte natürlich erst mal andere Gründe an, Kreislauf und so.

Nachdem ich 4 Wochen krankgeschrieben war, überwies mich meine neue Hausärztin an eine Neurologin, bei der ich dann damit anfing, was ich nie wollte: medikamentöse Therapie. Aber was blieb mir anderes übrig? Einen Therapieplatz für eine Verhaltenstherapie bekam ich so schnell dies Mal nicht.

Dieses Medikament (Doxepin - ein Antidepressivum) machte mich in erster Linie nur müde. Ich schlief mindestens 12 Stunden am Tag, zumindest die ersten Tage. Wie ich schon sagte, bei mir gilt "ganz oder gar nicht", also hielt ich mich streng an die ärztliche Anweisung.

Es wurde nicht besser, im Gegenteil, das Einkaufen fiel mir selbst in Gegenwart meines Freundes immer schwerer. Ich wurde weiter  krankgeschrieben, obwohl ich wusste, dass dies die "Vermeidung" noch förderte, doch das war egal, ich konnte einfach nicht!

Bei meinem nächsten Arztbesuch, ca. 8 Wochen nach Anfang der Therapie mit Doxepin, verschrieb mir meine Ärztin zusätzlich noch Buspiron und ich fand im Internet eine Selbsthilfegruppe. Endlich, endlich änderte sich etwas!

Ich lernte Menschen kennen, denen es genauso geht wie mir, die genauso lebenslustig sind und sich durch die Krankheit auch gefangen fühlen.

Noch eines merke ich: Teilweise habe ich, bei Begegnungen mit anderen Angstpatienten, das Gefühl, schon sehr viel einsichtiger zu sein und die Zusammenhänge besser verinnerlicht zu haben. Doch leider hapert es auch bei mir, immer wieder mal an der Anwendung aller Möglichkeiten. Dies vertieft meine Niedergeschlagenheit dann noch. Wenn ich doch schon so weit bin, mich und meine Angst so gut kenne, akzeptiere als das, was sie ist, mein Freund und nicht mein Feind, WARUM geht es mir dann noch immer so schlecht?

Vor einer Woche kam die Wende: Ich begann das Buspiron zu nehmen, noch am selben Tag, ging es mir besser, ich war zum ersten mal seit Wochen, Monaten, gelöst, ausgeglichen, gut gelaunt. Nanu? Das konnte doch wohl nicht an den Tabletten liegen, die haben eine Wirksamkeit von 3 Wochen! Aber es ist so, es ging/geht mir besser.

Mir wurde langsam klar, dass die Gespräche, und war es auch fast nur über das Internet, viel brachten. Durch die Probleme anderer, auf die ich ja auch eingehe, erfährt man auch viel über sich selbst. Man schreibt jemandem, dem es schlecht geht, und bemerkt auf einmal, dass man ja damit auch an sich selbst schreibt, zu sich selbst spricht!

Ich bin noch immer nicht wieder soweit, dass ich anderen Menschen gegenüber treten kann, in meiner mir eigenen Offenheit, meiner Lebenslust, Lebendigkeit. Dies ist alles irgendwie "auf Eis gelegt" worden. Wenn ich meine Entspannungsübungen mache, dann möchte ich einen Garten sehen, blühend, mit strahlendem Sonnenschein. Was ich sehe ist ein Garten, der zwar Blumen hat, die aber sind mit einer dicken Eisschicht überzogen. Auch meine Angst, die sich mir als Wolf darstellt, redet noch nicht so mit mir, wie ich es möchte. Ich habe keine Angst mehr vor dem Wolf, aber er sagt eben noch nichts, es kommt noch keine Unterhaltung mit ihm zustande.

Ich hatte niemals Angst vor anderen Menschen, ich bin ein sehr kontaktfreudiger Mensch. Doch jetzt ist das so; wahrscheinlich aber auch bedingt durch die dreimonatige Isolation, in die ich mich selbst rein gebracht habe. Jetzt habe ich Angst. Ich kann noch nicht einmal meine Arbeitskolleginnen anrufen, die doch das größte Verständnis aufgebracht hatten für mich.....

Aber ich werde es schaffen!
Ich will es schaffen!
Ich will, ich will, ich will, ich werde, ich werde, ich werde!
Keiner kann mir dabei helfen, außer mir.

Geh Du vor" sagte die Seele zum Körper. "Auf mich hört er nicht,  vielleicht hört er auf Dich." "Ich werde krank werden, dann wird er  auf Dich hören." sagte der Körper zur Seele.

von Ulrich Schaffer

C. K., September 2002

Natürlich freue ich mich auch über eine Mail an mich persönlich, ich werde so schnell es geht antworten: Angsthasen@web.de )<<Meine Homepage lautet: www.angsthaeschen.de ( = Internet-Selbsthilfegruppe).