Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Befreiendes Atmen:
Erinnerungen emotional neu "verdrahten"
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Dieser Text wendet sich an „Fortgeschrittene“, die sich mit dem Thema „Angst wegatmen – Hinweise zur Atementspannung“ bereits ausgiebig befasst und damit auch gute Erfahrungen gesammelt haben. Denn wer die befreiende Wirkung des Atmens kennt, dem leuchtet meist unmittelbar ein, dass der „Zauber befreienden Atmens“ in vielerlei Hinsicht wirken kann. Dieser Text lädt Sie ein, nicht nur Angst, sondern auch andere belastende Gefühle gleichsam „wegzuatmen“ und damit Ihre Möglichkeiten der Selbstregulation zu erweitern.

Der diesem Ansatz zugrunde liegende Gedanke steht in voller Übereinstimmung mit unserem heutigen medizinischen Wissen: Danach ist davon auszugehen, dass ALLE unsere Erfahrungen in komplexer Form in unserem Körper gespeichert sind. Für unangenehme, also belastende Erfahrungen gilt, dass diese insbesondere auch mit dem für „Stressreaktionen“ verantwortlichen „sympathischen Nervensystem“ so gut wie immer „verdrahtet“ sind. Es genügt daher meist, dass nur ein einzelner Aspekt einer unangenehmen Erfahrung auftaucht (das kann ein Bild, ein Geruch, eigenes oder fremdes Verhalten oder auch nur ein Traum sein), um die „Gesamtverdrahtung“ und damit auch die damit verknüpften „Stressreaktionen“ unmittelbar in Gang zu setzen. Wer solche unangenehmen Verläufe unterbrechen oder dauerhaft verhindern möchte, kann sich mit Hilfe des „befreienden“ Atmens zu einer angenehmeren „Neuverdrahtung“ verhelfen (genauso gut könnte man auch von „Umlernen“ sprechen): Denn langsames Atmen (sechsmal pro Minute), bei dem das Ausatmen doppelt so lange währt wie das Einatmen, aktiviert das für Entspannung verantwortliche „parasympathische Nervensystem“. Wichtig ist dabei, während des Atmens die unangenehmen Gefühle so lange ausreichend „lebendig zu halten“, bis diese durch die einsetzende „Neuverdrahtung“ (Neuverkoppelung) soweit verringert sind, dass sie kein Problem mehr darstellen. Die gleichen „Auslöserreize“ werden dann künftig nicht mehr zwangsläufig (!) Stressreaktionen hervorrufen können, sofern die Neuverdrahtung ausreichend stabil genug im Körper verankert ist. Diese Neuverankerung wird Ihnen umso besser gelingen, je bewusster, ausdauernder und überzeugter Sie atmen, während Sie sich voll und ganz auf das langsame nachlassende Belastungsgefühl konzentrieren und verhindern, dass Ihre Gedanken abschweifen. Lassen Sie sich überraschen: Sie werden sich nicht nur zunehmend entspannen, auch Ihr Herzschlag wird sich beruhigen und in seiner „Variabilität“ zunehmen (was heute als Ausdruck von Gesundheit und Entspannung gilt).

Kurzanleitung für „Befreiendes Atmen“:

  1. Konzentrieren Sie sich voll und ganz auf das belastende Gefühl. Stufen Sie den Belastungsgrad auf einer Belastungsskala ein, bei der „Null“ für „keinerlei Belastung“ und „10“ für „unerträgliche Belastung“ steht. Bleiben Sie während des Atmens unbedingt auf das Gefühl konzentriert, insbesondere dann, wenn die gespürte Belastung anfängt sich zu verringern. Lassen Sie sich durch nichts davon ablenken!
  2. Beginnen Sie jetzt mit dem „Entspannungsatmen“, bei dem Sie auf folgendes achten: Atmen Sie so langsam wie möglich. Höchstens sechsmal pro Minute ein und aus. Atmen Sie möglichst durch die Nase ein und durch den Mund aus, wobei Sie den Mund geschlossen halten, so dass der Atem hörbar (!) gegen einen geringen Widerstand zwischen den Lippen entweichen kann. Hören Sie dabei auf das entspannende Geräusch (während Sie sich weiterhin auf das belastende Gefühl konzentrieren). Legen Sie zwischen Ein- und Ausatmen eine kleine Pause ein, während beim Ausatmen nahtlos auf das Einatmen wechseln. Besonders wichtig: Atmen Sie möglichst doppelt so lange aus, wie Sie einatmen.
  3. Begleiten Sie das Ein- und Ausatmen mit Bewegungen von Hand und Arm. Stellen Sie sich bildhaft vor, Sie würden beim Einatmen Luft „schöpfen“ und beim Ausatmen die verbrauchte Luft „wegschieben“. Wechseln Sie die benutzte Hand nach 6 Atemzügen, um so beide Körper- und Gehirnhälften in das Geschehen einzubeziehen.
  4. Verbinden Sie das durch Handbewegungen begleitete Atmen mit dazu passenden „inneren Formeln“. Sagen Sie sich beim Einatmen „Mit jedem Atemzug schöpfe ich Energie und Wohlbefinden“. Sagen Sie sich beim Ausatmen „Mit jedem Ausatmen weichen alle Belastungen von mir und lasse ich meine Sorgen los.“
  5. Gönnen Sie sich für diese Übung so viel Zeit wie nur irgend möglich. Pausieren Sie erst dann, wenn der Belastungsgrad auf der erwähnten Skala mindestens um mehrere Punkte gesunken ist. Führen Sie die Übung bald fort, um das Belastungsgefühl möglichst bis zum Wert „Null“ wegzuatmen.
  6. Nutzen Sie diese Übung auch in Akutsituationen, also wenn Sie mit einer für Sie völlig neuen Belastung konfrontiert werden. So können Sie von vornherein verhindern, dass es zu einer ungünstigen „Verdrahtung“ kommt.

Viel Erfolg!

Anmerkung:

Dass das hier beschriebene Prinzip der „Neuverdrahtung“ offenbar „universell“ gilt, lässt sich nicht nur den zunehmend häufiger berichteten Behandlungserfolgen mit „Energie-Psychologie“ entnehmen (siehe dazu ein eigenes Merkblatt). Auch eine neue Arzneimittelstudie (2009) beschreibt vergleichbare Effekte. Entscheidend scheint für alle erfolgreichen Methoden zu sein, dass ein bisher belastender Reiz mit anderen (neutralen, nichtbelastenden oder sogar entspannenden) körperlichen Erfahrungen verknüpft wird, als dies bislang der Fall war. Gelingt eine solche Verknüpfung, ist der ursprüngliche Reiz nicht mehr in der Lage, das belastende Gefühl in seiner ursprünglichen Stärke zu aktivieren. Bei der erwähnten niederländischen Arzneimittelstudie sahen sich die Teilnehmer unterschiedliche Bilder an, wobei immer dann ein lauter Ton zu hören war, wenn Fotos von Spinnen erschienen. Am nächsten Tag erhielt die Hälfte der Gruppe den Betablocker Propranolol und die andere Hälfte ein Placebo, bevor die Bilder erneut gezeigt wurden. Während des Betrachtens der Bilder wurde die Schreckhaftigkeit der Teilnehmer anhand ihres Blinzelreflexes gemessen. Dieser fiel bei den Anwendern von Propranolol signifikant geringer aus als bei den Personen, die das Scheinmedikament erhalten hatten. Am dritten Tag wurde das Experiment erneut wiederholt, allerdings ohne vorherige Einnahme von Propranolol bzw. Placebo. Interessanterweise blieb der Unterschied zwischen den beiden Gruppen weiterhin bestehen. Offenbar hatte es genügt, ein einziges Mal unter dem Einfluss von Propranolol die „Schreckbilder“ zu betrachten, um die damit ursprünglich verbundene Schreckhaftigkeit rasch und anhaltend zu verlieren. Auch wenn die niederländischen Wissenschaftler dies offenbar nicht ausdrücklich erwähnen, ist zu vermuten, dass der Betablocker beispielsweise die Herzfrequenz senkte und die Ausschüttung von Stresshormonen verringerte, so dass die erneute Betrachtung der „Schreckbilder“ diesmal mit angenehmeren Erfahrungen verknüpft wurde.

Quelle: Kindt M et al. Beyond extinction: erasing human fear responses and preventing the return of fear. Nature Neuroscience Published online: 15 February 2009. doi:10.1038/nn.2271 und www.mind.org.u