Es ist bekannt, dass spätere psychosomatische
Anpassungsstörungen im Erwachsenenalter auch als Folgen früh erfahrener
aversiver Stresszustände auftreten können. Die vorliegenden Befunde der
verschiedenen Forschungsrichtungen stimmen dahingegen über ein, dass aversive
psychosoziale (früh-)kindliche Belastungen letzten Endes zu einer erhöhten
Anfälligkeit für verschiedene psychische und psychosomatische Erkrankungen
führen können, wie zum Beispiel Persönlichkeitsstörungen, Angsterkrankungen
oder somatoforme Störungen. Wie ein Beitrag in der Zeitschrift "PiD
Psychotherapie im Dialog" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart) berichtet, können
aus frühkindlich erfahrenen, starken und andauernden Belastungen
neurofunktionelle "Narben" im stressmodulierten Gehirn resultieren. Wir können
heute psychosoziale Risikofaktoren benennen, zum Beispiel der sozioökonomische
Status der Elternfamilie, eine konflikthafte Elternbeziehung, eine
eingeschränkte Verfügbarkeit der Bindungsperson sowie natürlich gegen das Kind
gerichtete Gewalthandlungen. Schwerwiegende und gehäufte körperliche Gewalt
erleiden heute in Deutschland zehn bis fünfzehn Prozent aller Kinder.
Invasiver sexueller Gewalt sind heute ebenso zehn bis fünfzehn Prozent aller
Mädchen ausgesetzt. Eine emotionale Vernachlässigung mit ebenso
schwerwiegenden Folgen ist häufig auf die allein erziehenden Mütter
zurückzuführen, deren Anteil in Deutschland aktuell ein Viertel aller Familien
mit Kindern beträgt. Bei uns wachsen derzeit bei 1,8 Millionen allein
erziehenden Müttern 2,8 Millionen Kinder unter 18 Jahren auf. Abgesehen von
einem erhöhten Armutsrisiko und niedrigeren Bildungsabschlüssen findet sich
bei ihnen häufig Alkohol- und Nikotinabusus und Depressivität. An der
Universität Düsseldorf wurde eine präventive Gruppenintervention für allein
erziehende Mütter mit Kindern in Kindertagesstätten entwickelt. Als weitere
denkbare Maßnahmen erscheinen unter anderem die Förderung des emotionalen
Lernens und der Aggressionsbewältigung im Vor- und Grundschulalter, eine
stärkere männliche Präsenz in Kindergärten und Grundschulen sowie eine
effektive Identifikation besonders unterstützungsbedürftiger Mütter während
der Schwangerschaft, in Kindertagesstätten oder bei der Einschulung.
Traumatische Kindheit – ihre Folgen für das
Erwachsenenleben.
PiD Psychotherapie im Dialog 2006; 7; Nr. 1; S. 83-88.
Prof. Dr. med. Matthias Franz, Universität Düsseldorf. E-Mail: matthias.franz@uni-duesseldorf.de |