Berlin - Die Deutsche
Gesellschaft für Chirurgie (DGCh) fordert wirksamere Konzepte, die bei
der Bevölkerung die Bereitschaft Organe zu spenden erhöhen sollen. Die
DGCh appelliert auch an die Politik, diese Forderungen aktiv zu
unterstützen. Lebendspenden sollten eine Notlösung bleiben. Sinnvoller
sei es, die Bereitschaft zur postmortalen Spende - der Organspende nach
Hirntod - bundesweit abzufragen. Bislang werden in Deutschland jährlich
im Schnitt nur 13 Organspender pro eine Million Einwohner registriert.
In Spanien oder Österreich, wo es andere gesetzliche Regelungen gibt,
sind es etwa doppelt so viele."Die
Unterstützung der Politik ist hierbei von eklatanter Wichtigkeit",
betont Professor Dr. med. Ernst Klar, Leiter der Abteilung für
Allgemeine, Thorax-, Gefäß- und Transplantationschirurgie an der
Universität Rostock, der die letzte Jahrestagung der Deutschen
Transplantationsgesellschaft leitete. So könne hierzulande ein Beispiel
aus Amerika Schule machen: In Wisconsin analysierten junge Ärzte
Krankenhäuser mit hoher Spenderfrequenz und übertrugen deren System auf
andere Kliniken. Maßgeblich für den Erfolg dieses Konzeptes war unter
anderem der Einsatz des Gouverneurs: Er engagierte sich persönlich für
Organspenden und ließ sich regelmäßig über das Projekt berichten.
Im Jahr 2004 starb in Deutschland infolge
mangelnder Organverfügbarkeit jeder fünfte Patient, der auf der
Warteliste für die Transplantation einer Leber stand. Von den Patienten,
die auf ein Spenderherz warteten, starb sogar jeder zweite. Als Grund
nannte Prof. Dr. med. Hartwig Bauer, Generalsekretär der DGCh, dass zu
wenige Menschen sich zu Lebzeiten zur postmortalen Organspende bereit
erklären und dies auch in einem Organspendeausweis dokumentieren. Die
Entscheidung für oder gegen eine Organspende nach dem Hirntod eines
möglichen Spenders wird dann in einer emotional ohnehin sehr belasteten
Situation den Angehörigen zugemutet.
Diesbezüglich müsse unsere Gesellschaft
wachgerüttelt werden, so Professor Klar: "Die meisten Menschen fordern -
zu Recht - im Krankheitsfall Spitzenmedizin einschließlich der
Transplantation eines Organs zur rechten Zeit". Damit dies jedoch
möglich werde, sollte jedes Mitglied der Solidargemeinschaft aufgerufen
sein, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden. Dies könne
etwa mit Hilfe der persönlichen Gesundheitskarte geschehen, die im Jahr
2006 europaweit eingeführt wird. "Müsste jeder sein 'Ja' oder 'Nein' zur
Organspende auf dieser Chipkarte dokumentieren, ließe sich die positive
Entscheidung zur Organspende um schätzungsweise 20 Prozent erhöhen",
sagt Chirurg Klar. Vor allem würde auch der Druck von den Angehörigen
genommen, über diese Frage entscheiden zu müssen.
Vorbildfunktion hat in Deutschland
zurzeit Mecklenburg-Vorpommern mit 36,5 Organspendern pro Million
Einwohner. Dies beruht auf einem schlüssigen Gesamtkonzept: Jedes
Krankenhaus mit Intensivstation benennt Transplantationsbeauftragte. Sie
kümmern sich um mögliche Organspenden hirntoter Patienten. Entscheidend
ist dabei unter anderem ein sachkundig geführtes einfühlsames Gespräch
mit den Angehörigen. Die eigentliche Organentnahme vor Ort führen
erfahrene Operateure des Transplantationszentrums Rostock durch. "Dies
generiert großes Vertrauen der umliegenden Krankenhäuser und damit
steigt auch die Bereitschaft der nichtuniversitären Kliniken, hirntote
Patienten zur Organspende zu melden", begründet Professor Klar.
Keine Dauerlösung sei laut DGCh die
Lebendspende unter Angehörigen. Die Risiken einer Nierenspende sind zwar
überschaubar. Die Leberlebendspende für einen erwachsenen Empfänger
jedoch ist eine Operation mit der Möglichkeit schwerwiegender
Komplikationen beim gesunden Spender. "Die Lebendspende ist ein
verzweifelter Versuch, in der Organmangelsituation Schaden von den
Patienten abzuwenden", bedauert Professor Klar. Der Weg sei jedoch
falsch: Das Problem mangelnder Solidarität werde nicht gelöst, sondern
lediglich in die Familien der Patienten verlagert.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für
Chirurgie (2006) |