Immer mehr Kinder
psychisch krank
DGKJP:
Ängste, Zwänge und Depressionen bestimmen den Alltag
Kinder und Jugendliche leiden immer häufiger unter
psychischen Störungen wie Ängsten, Zwängen oder Depressionen. Mindestens
fünf Prozent der Mädchen und Jungen bis zum 18. Lebensjahr benötigen
wegen seelischer Leiden eine ärztliche Behandlung, weitere 10 bis 13
Prozent sind deutlich verhaltensauffällig, meldet die Deutsche
Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP).
Die DGKJP schätzt, dass rund eine Million Kinder und Jugendliche
psychisch oder psychosomatisch krank und behandlungsbedürftig sind. Wie
eine Untersuchung der Universitätsklinik Heidelberg ergab, steigt
bereits während der Grundschulzeit die Zahl der Kinder mit psychischen
Problemen stark an: Waren von 4.000 untersuchten Erstklässlern 5,8
Prozent bereits einmal wegen psychischer Probleme oder
Verhaltensauffälligkeiten in Behandlung, betrug dieser Anteil bei einer
ebenso großen Zahl an Viertklässlern 10,6 Prozent. Prof. Franz Resch,
Studienleiter und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kinder-
und Jugendpsychiatrie (DGKJP): „Nervosität, Anspannung und
Konzentrationsprobleme nahmen während der Grundschulzeit ebenso zu wie
Übelkeit, Bauchweh und Kopfschmerzen."
Dieser Trend setzt sich fort. Etwa jeder fünfte Jugendliche gerät in der
Pubertät in eine psychische Krise. Stark zugenommen haben in den
vergangenen 20 Jahren Magersucht und andere Essstörungen sowie
Angsterkrankungen. Vier Prozent der jungen Leute leiden unter starken
Depressionen – bis zu 4.000 Jugendliche setzten im vergangenen Jahr
ihrem Leben ein Ende. Mindestens fünf Prozent der Jugendlichen
konsumieren regelmäßig Alkohol und Drogen, über 100.000 sind süchtig,
berichtet die DGKJP in ihrer Denkschrift „Kinder- und Jugendpsychiatrie
und Psychotherapie in der Bundesrepublik Deutschland". „Auch Störungen
des Sozialverhaltens, Aufmerksamkeitsstörungen, motorische Unruhe, Tics
und Zwangshandlungen zählen zu den häufigeren Störungen", so Prof.
Resch. „Oft treten mehrere gleichzeitig auf, oder die psychischen
Belastungen führen zu Verstärkungen körperlicher Erkrankungen wie
Asthma, Neurodermitis, Magen- oder Darmbeschwerden." Sind ab der
Pubertät deutlich mehr Mädchen als Jungen von psychischen Problemen
betroffen, ist dieses Verhältnis in jüngeren Jahren umgedreht. 13,7
Prozent der männlichen, aber nur 7,6 Prozent der weiblichen
Viertklässler waren schon in psychischer Behandlung.
Ursachenforschung: „Die Familie hat einen
außerordentlichen Stellenwert"
Die Veranlagung zu hirnorganischen und psychischen Erkrankungen sowie zu
bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen erhalten die Kinder von ihren
Eltern. Inwiefern eine psychische Störung dann tatsächlich ausbricht,
ist von vielfältigen Umwelteinflüssen abhängig. „Sehr belastend können
akute Ereignisse wie der Tod eines Elternteils sein", erklärt der
DGKJP-Vorsitzende Prof. Franz Resch. „Langfristig haben die sozialen und
familiären Lebensumstände besonderes Gewicht. Massive Entbehrungen und
Überforderungen können genauso schädlich wirken wie Unterforderung und
Verwöhnung." Die Rolle der Familie bezüglich Erziehung, Bildung und
materieller Lebensbedingungen hat einen außergewöhnlichen Stellenwert.
Prof. Resch: „Immer mehr Kinder leben wegen Scheidung oder Trennung
nicht mehr in ihrer Ursprungsfamilie. Die steigende Zahl allein
erziehender Eltern und die vermehrte Berufstätigkeit von Mutter und
Vater sind Beispiele gesellschaftlicher Veränderungen, die für das Wohl
der Kinder von großer Bedeutung sind.
Therapien: „Eltern sollten keine Scheu haben,
professionelle Angebote zu nutzen"
Wenn Eltern ahnen, dass ihr Kind eine psychische Auffälligkeit
entwickelt haben könnte, wollen sie es oft zunächst nicht wahr haben.
Noch mehr scheuen sie den Gang zum Kinder- und Jugendpsychiater. „Die
DGKJP versucht, diese Schwellenängste abzubauen", so der Vorsitzende
Prof. Resch. „Eltern sollten ohne falschen Stolz professionelle Hilfe in
Anspruch nehmen. Das Problem zu ignorieren bedeutet für viele Kinder
massive psychische Probleme im Erwachsenenalter. Insofern leisten wir
mit unserer Arbeit vor allem auch Prävention."
Die moderne Kinder-
und Jugendpsychiatrie bietet ein breites Spektrum therapeutischer
Möglichkeiten. Dazu gehören Verhaltens- und Gesprächstherapien ebenso
wie tiefenpsychologische und analytische Psychotherapien. Hilfreich sind
auch kindgerechte Spieltherapien, Verfahren, die die ganze Familie
einbeziehen, sowie individuelles Elterntraining. Prof. Resch: „Die
angewandten Methoden orientieren sich immer an der persönlichen
Situation des Kindes, an seinem Alter, seiner Entwicklung, seinem
Milieu. Wichtig ist eine interdisziplinäre Behandlung, das heißt die
verschiedenen beteiligten Ärzte und Therapeuten stimmen sich
fachübergreifend ab." In der Regel – bei leichten bis mittelschweren
Störungen – kann die Behandlung ambulant in der Nähe des Wohnorts
erfolgen. Bei schwereren Störungen ist eine stationäre Behandlung mit
spezialisiertem Therapieangebot aussichtsreicher. So konnten laut einer
Marburger Studie 80 Prozent der Patienten mit Essstörungen, 74 Prozent
der Patienten mit einer Neurose und 72 Prozent der schizophren
erkrankten Patienten nach stationärem Aufenthalt in einer kinder- und
jugendpsychiatrischen Klinik mit deutlichen Verbesserungen entlassen
werden.
Quelle:
DKJP |