⇒ Vor allem im Spiel selbst kann eine Fußballmannschaft
nur dann funktionieren, wenn sie in einer klaren Struktur bzw. Rollenverteilung agiert. Torwart,
Verteidigung, Mittelfeld und Sturm haben im Zusammenspiel klar umrissene „Aufgabenbereiche“, d.h. auf
den externen Impuls „Ballverlauf“ hin wird in einer möglichst eindeutigen Zuordnung von
Reaktionsmustern gehandelt, auf die sich alle am Spiel Beteiligten verlassen können müssen.
Müsste während eines Spiels erst ausgehandelt werden, wer welchen Part zu spielen hat, wäre das Chaos
perfekt, denn selbst kleinste Missverständnisse zwischen den Spielern können zu
folgenschweren Konsequenzen führen.
Lebende Systeme zeichnen sich durch eine operative
Geschlossenheit aus, die ihnen in Bezug zu ihrer Umwelt selbstreferenzielle Autonomie
ermöglicht. Um bei der Unmenge an Umweltimpulsen jedoch anschlussfähig
zu bleiben, d.h. adäquat zu reagieren und zu handeln, müssen die Systeme effiziente
Strukturen und Prozesse installieren, die systemrelevante
Informationsaufnahme und -verarbeitung gewährleisten sowie intern abgestimmte Rollenzuweisungen und
eingespielte Handlungsmuster bereitstellen.
Systeme sind wie oben beschrieben „operativ“ geschlossen,
d.h. Umweltimpulse werden durch systemspezifische Wahrnehmungsprozesse aufgenommen,
verarbeitet und zu Handlungsalternativen und -weisen aufbereitet. Keineswegs
bedeutet operative Autonomie allerdings, dass sich Systeme nicht auf ihre Umwelt
beziehen. Entscheidend ist jedoch, dass solche Systeme von ihrer Umwelt letztendlich nur zu ganz
eigenen ihnen zur Verfügung stehenden Handlungsweisen angestoßen werden können.
⇒ Jede Bundesliga-Fußballmannschaft steht im Kreuzfeuer
massiver Umwelteinflüsse. Es wäre jedoch verheerend, wenn jeder, der sich dazu berufen
fühlt, unmittelbaren Einfluss auf die Geschicke des Clubs nehmen könnte. Offensichtlich ist aber
auch, dass Kritik ins System gelangt und auch verarbeitet wird. Wesentlich ist hier, dass die Mannschaft im Sinne der oben
beschriebenen Autopoiesis über einen ganz eigenen internen Mechanismus zur Wahrnehmung und
Verarbeitung solcher Kritik verfügt.Vor allem Trainer und Mannschaftsleitung sind gefragt,
zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden und dafür zu sorgen, dass die für einen
Erfolg erforderlichen Faktoren in die weitere Strategie einfließen. Organe des Systems selbst
entscheiden also, welche Informationen ins System Fußballmannschaft gelangen und dort verarbeitet
werden bzw. wirken können.
Ein System unterhält somit vielerlei Umweltbeziehungen,
ist im Kern jedoch mit seiner Umwelt immer nur durch systemimmanente Wahrnehmungs- und
Verarbeitungsprozesse verbunden.8
Interessanterweise ist jetzt gerade diese im Kern auf sich
selbst bezogene „Verankerung“ in der Welt eine Grundvoraussetzung dafür, um in dem ständigen
Wandel und auch bei laufend wechselnden Umweltbedingungen innere, systemspezifische
Funktionszusammenhänge stabilisieren und damit eine eigene Identität entwickeln
zu können.
Indem ein System ein ganz eigenes, zwar immer noch an der
umgebenden Realität orientiertes, jedoch im Kern wirklich individuelles Weltbild entwirft,
kann es eine gewisse Stabilität im Inneren erzeugen. Nicht jede Änderung der Umwelt wird jetzt
sofort unmittelbar wirksam, sondern nur vermittelt durch die nach und nach sich
verdichtenden und konsolidierenden inneren Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse des Systems
„absorbiert“.
Genau diese (Verarbeitungs-)Stabilität im Inneren des
Systems wiederum führt schließlich zu einer gewissen Konstanz von Erwartungen, Einstellungen und
Handlungsmustern. Es bildet sich etwas für das System in der Gestaltung seiner inneren
Strukturen und Umweltbeziehungen „Typisches“, an dem sich alle orientieren können.
Das System selbst und seine Umgebung nehmen dieses „Typische“ schließlich als Identität
wahr.
⇒ Der FC Bayern München ist für alle erkennbar der FC
Bayern München. In einer für ihn, und nur für ihn typischen Art, interagiert er mit seinen Umwelten.
Selbst der Austausch von Spielern, Trainern oder Managern wird an der grundsätzlichen
Identität dieses Clubs nichts ändern9. Die über viele Jahre entwickelten Strukturen wirken im Kern
des Systems „FC Bayern München“ und lassen auf eine ziemliche Konstanz an Erwartungen,
Einstellungen und Handlungsmustern vertrauen.