fzm - "Rauchen gefährdet die
Gesundheit", "Rauchen kann Krebs auslösen", "Rauchen macht süchtig". So
lauten heute die medizinisch begründeten Warnhinweise auf
Zigarettenschachteln. Rauchen gilt als der schlimmste vermeidbare
Risikofaktor für die Gesundheit. Dies war nicht immer so. Im 16.
Jahrhundert, als nach der Entdeckung Amerikas das Laster sich von Spanien
und Portugal ausgehend über Europa ausbreitete, galt Tabak Ärzten als viel
versprechende Heilpflanze. Als solche wurde sie von dem französischen
Gesandten am spanischen Hof Jean Nicot in sein Heimatland eingeführt.
Husten, Asthma, Kopfschmerzen, Magenkrämpfe, Gicht oder Frauenleiden: Kaum
eine Erkrankung, die Ärzte nicht mit Tabak behandelten, wie Professor Dr.
Eberhard Ritz von der Universität Heidelberg in der Weihnachtsausgabe der
DMW Deutschen Medizinischen Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
2005) berichtet, die sich traditionell der kulturgeschichtlichen Seite der
Medizin widmet.
Tabak heilte im 16.
Jahrhundert bereits bei äußerlicher Anwendung. Bloßes Auflegen eines
frischen Tabakblattes auf den Bauch sollte gegen Eingeweidewürmer helfen,
erinnert Professor Ritz. Auch als Desinfektionsmittel und zur Vorbeugung
gegen Seuchen wie die Pest wurde Tabak als unübertroffen geschätzt. Noch
häufiger wurde es jedoch innerlich angewendet, beileibe nicht nur durch
Inhalation. Professor Ritz: Ein Höhepunkt der ärztlichen Kunst waren
Tabak-Klistiere gegen Beschwerden des Verdauungstraktes. Auch gegen die
Syphilis half Tabak, davon waren viele Ärzte fest überzeugt. Tabak wurde
zum Wunder- und Allheilmittel schlechthin. Im Jahrhundert vor dem
30-jährigen Krieg waren Mediziner nicht zimperlich. Bei der Wundheilung
wirke die Tabakpflanze besonders gut, so ein Arzt, "wenn man sie zuvor mit
weißem Wein oder Menschenharn außweschet". Insgesamt sei die ärztliche
Lehrmeinung der Verbreitung des Tabaks wohl sehr förderlich gewesen, muss
Ritz aus heutiger Sicht eingestehen.
Auf fruchtbaren Boden fielen
die medizinischen Theorien auch in klerikalen Kreisen. Der Tabakrauch
entzog nach den damaligen Vorstellungen nämlich die Feuchtigkeit aus dem
Gehirn und dem Körper, was auch die Versuchungen der Fleischeslust
abschwächen sollte. Für viele dem Zölibat unterworfene Priester wurde das
Rauchen deshalb zu einer Notwendigkeit, wie bereits damalige Autoren
vermuteten. Viele Klöster und Kirchen waren derart "verraucht", dass zwei
päpstliche Bullen das Rauchen verboten bis zur Androhung der
Exkommunikation. Vergeblich. Später begnügte sich der Kirchenstaat damit,
ein Tabakmonopol zu errichten, um auf diese Weise wenigstens finanziell
von der Tabaksucht seiner Untertanen zu profitieren.
E. Ritz:
Rauchen - der vergebliche Kampf gegen das Laster
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (51/52): 2947-2951 |