....Ich habe das zum Anlass genommen, ein bisschen in dem Tagebuch
nachzulesen. Es kommt mir vor, als wenn ich während der Therapie ein
anderer Mensch war. Nicht, dass ich die Probleme nicht wieder erkenne, die
ich hatte und manchmal auch heute noch habe. Aber ich gehe einfach völlig
anders mit den Dingen um.
Ich leide manchmal immer noch unter meinem Schamgefühl oder meinen
sozialen Ängsten, aber irgendwie ist alles so transparent, so dass ich
meist schnell die Ursache für meine Gefühle ausgemacht habe und meine
Probleme dadurch nicht mehr so schwer wiegen. Dass sie mich nicht mehr
nachhaltig beeinträchtigen, merke ich daran, dass ich so gut wie keine
Depressionen mehr habe und zwar sehr lange schon. Gerade zur Zeit leide
ich gelegentlich schon mal unter einer schlechten Stimmung, das macht
vielleicht die Jahreszeit und das Wetter. Aber es passiert nicht mehr,
dass mich solche Anlässe herunterziehen und den positiven Verlauf meines
Lebens in Frage stellen. Ich bin auch viel mehr bereit, mein "Schicksal"
zu akzeptieren. All die Dinge, die wir besprochen haben, sind mir total
gegenwärtig. Ich "dissoziiere" mich, betrachte mich aus einer anderen
Rolle und habe dadurch inzwischen eine komplett andere Grundhaltung
erlangt. Ich habe keine Angst mehr vor dem "ultimativen Einbruch". Bei
vielen Gelegenheiten zeigen sich auch meine inneren, negativen Stimmen,
die ich sofort entlarve und die mir dann nicht mehr viel anhaben können.
Ich denke oft, dass Sie seit Ende meiner Therapie mit so vielen anderen
Menschen und Geschichten konfrontiert wurden, dass ich und meine Therapie
gar nicht mehr so präsent sein können. Aber ich bin immer wieder erstaunt,
dass sie nach inzwischen doch so langer Zeit an mich denken. Ich kann
Ihnen nur sagen, dass die Therapie bei mir so präsent ist, wie nie zuvor.
Anfang des Jahres ging es mir einige Wochen sogar ganz außergewöhnlich
gut. Ich hatte unglaublich viel Kraft, vor allem auf der Arbeit. Ich habe
vor nichts Angst gehabt und hab richtig Gas gegeben. Im Moment muss ich
manchmal ein bisschen kämpfen, aber so ist das eben im Leben. Auch damit
kann ich leben. |